Birkenstock Sandalen stehen in einem Schaufenster in Kalifornien.
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US-Erfolg der Birkenstock-Sandalen Vom Hippie-Statement zum Model-Accessoire

Stand: 11.10.2023 10:20 Uhr

Einst galt es in den USA als antikapitalistische Botschaft, "Birks" zu tragen. Mit dem Börsengang in New York könnte Birkenstock auf einen Schlag knapp 8,5 Milliarden Dollar wert sein. Ist das gerechtfertigt?

Und dann kam auch noch Barbie: Die sagte "Goodbye" zu ihren High Heels und schlüpfte im Blockbuster-Film in die bodenständigen rosa Birkenstock-Schlappen der realen Welt. Besser hätte es für den Sandalenmacher aus Linz am Rhein kaum laufen können. Der lief schon vor dem Börsengang zu Höchstform auf. Offenbar gibt es viel Nachfrage. Die Aktie namens "Birk" soll dennoch in der Mitte der Preisspanne starten - bei 46 Dollar.

Der Börsengang wird damit knapp eineinhalb Milliarden Dollar schwer, Birkenstock würde mit umgerechnet rund achteinhalb Milliarden Dollar bewertet. Zu hoch, sagt Wallstreet-Veteran David Trainer, Chef des Analystenbüros New Constructs, dem ARD-Studio New York: "Ein guter Move für die verkaufenden Anteilseigner und die Wallstreet - nicht so für die Anleger und die öffentlichen Märkte. Die Aktie ist sehr teuer."

Hoher Erwartungsdruck

Auf dem Schuhmarkt würde Birkenstock damit höher bewertet werden als Riesen wie Skechers oder Crocs. Einen höheren Börsenwert hätten gerade mal Nike oder Deckers Outdoor mit den Marken Uggs und Hoka. Die Birkenstock-Sandale stehe dadurch ganz schön unter Druck, sagt Trainer.

"Um diese hohe Bewertung zu rechtfertigen, müsste die Firma ihre Profitmarge halten und ihre Einnahmen bis zum Jahr 2030 jährlich um 15 Prozent steigern. Das ist dreimal so hoch wie die erwartete Wachstumsrate der Schuhindustrie weltweit."

Birkenstock feiert Debüt an der Wall Street

Christian Kretschmer, SWR, tagesschau, 11.10.2023 17:00 Uhr

Die Strategie: Masse zu Luxus

Der Konzern wäre nach diesem Börsengang doppelt soviel wert wie vor zwei Jahren. Damals stieg der milliardenschwere Chef des Luxuskonzerns LVMH ein: Bernard Arnault. Der wiederum ist schwer an der amerikanischen Gesellschaft L Catterton beteiligt. Und die wiederum ist Haupteigentümer bei Birkenstock. Arnault, zu dessen Konzern Firmen wie Dior, Louis Vuitton und Tiffany gehören - hat ein Händchen dafür, Masse zu Luxus zu machen.

Offenbar wollen er und der der deutsche Birkenstock-Chef Oliver Reichert die Fanbasis in den USA nutzen, um auch die Schlappen zu vergolden. Es zieht sie nicht nur auf den größten Kapitalmarkt. Die USA sind auch der größte Absatzmarkt der Welt für Birkenstock. Auch dem Birkenstock-Geschäft unweit der Wall Street rennen die Kunden gerade die Türen ein. 

"Schlicht und stylisch"

"Viele versuchen sie zu kopieren - aber nichts kann einen richtigen Birkenstock ersetzen", sagt eine Frau namens Aylene. Die Gesundheitsschuhe passten nach New York. "Ich kann mich mit ihnen aufbrezeln oder nicht - in New York geht das mit einem einfachen Leinenkleid genauso wie im schicken Outfit."

Umfragen zufolge hat jeder Birkenstock-Kunde in den USA im Schnitt dreieinhalb Paar der Latschen zuhause. Kunde Brock etwa: "Ich trag sie zu Hause als Hausschuh und wenn ich zum Flughafen muss - schlicht und stylisch." 

"Hype in den USA", Antje Passenheim, ARD New York, zu Börsengang von Birkenstock an der NYSE

tagesschau24, 11.10.2023 10:00 Uhr

220.000 Dollar für Steve-Jobs-Latschen

Unisex, unsexy - und voll im Trend seit den 1970er-Jahren. Erst nutzten Hippies die Sandale wie den VW-Bulli als antikapitalistisches Statement. In den 1980er-Jahren lief der "Birk" dann bei der Frauenbewegung mit. Apple-Mitgründer Steve Jobs machte das Modell "Arizona" zum Teil seines Looks. Vergangenes Jahr wurde sein ausgelatschtes Paar für rund 220.000 Dollar versteigert.

Und dann glänzte der Schuh durch Models - von Kate Moss bis Heidi Klum. Wuchs von der Badeschlappe über Birkenstocks mit Fell bis hin zur Luxus-Sandale in Zusammenarbeit mit Dior. Und blieb dabei immer voll im Trend, sagt die New Yorker Influencerin Gabriella Zacche. Vor allem Frauen wollten immer mehr Komfort. "Das ist ein großer Trend. Und auch in den Büros wechselt das immer weiter von förmlich zu bequem. Viele Frauen lassen die High Heels einfach hinter sich - sie gehen auf Flach."

Zu viel Euphorie?

Dennoch: Schuhfirmen haben es an der Börse schwer. Die Bilanz der drei Hersteller, die 2021 an den Aktienmarkt gegangenen sind, ist ernüchternd: Der Börsenwert von Allbirds ist drastisch gesunken, Dr. Martens hat sich an der Börse etwa halbiert, und auch der Schweizer Sneaker ON hat eingebüßt.

Bei aller Euphorie über den Gesundheitsschuh aus Deutschland - Wall-Street-Kenner David Trainer warnt: "Ich wäre nicht überrascht, wenn wir ein ähnliches Muster sehen würden wie bei jüngsten Börsengängen. Wo die Aktie zum Start in die Höhe schießt und dann nach kürzester Zeit unterhalb des Startpreises gehandelt wird." 

Die Aktien des Chip-Konzerns Arm und des Lieferdiensts Instacart waren zum Börsendebüt kräftig gestiegen. Dann hatten sie ihre Gewinne schnell wieder abgegeben. Birkenstock sollte also vorsichtig seinen Fuß aufs New Yorker Parkett setzen, sagen auch andere Analysten. Mit dem Aktienerlös will der Konzern offenbar sein Geschäft in Asien ausweiten. Mit dem Rest will Birkenstock einen Teil seiner Schulden zurückzahlen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 11. Oktober 2023 um 09:00 Uhr.