Reisende stehen am Hamburger Flughafen vor einer Anzeigetafel.
FAQ

Coronavirus-Pandemie Welche Rechte haben Reisende?

Stand: 19.03.2020 17:58 Uhr

Was ist, wenn Reisen abgesagt oder Hotels storniert werden? Was gilt für Individualreisen? Wer trägt die Kosten? Die Rechte von Reisenden in Corona-Zeiten - ein Überblick.

Von Christoph Kehlbach, ARD-Rechtsredaktion und Klaus Hempel, SWR

Was, wenn der Veranstalter die Reise streicht?

Zahlreiche Reiseveranstalter, darunter etwa TUI oder die FTI-Gruppe, haben ihre Reiseaktivitäten wegen der aktuellen Situation in den kommenden Wochen gestrichen. In diesen Fällen ist die rechtliche Situation klar: Sagt der Veranstalter eine schon gebuchte Pauschalreise, Kreuzfahrt oder ähnliches ab, dann kann er auch nicht den ursprünglich vereinbarten Reisepreis verlangen. Vereinfacht gesagt: Die Kunden müssen für etwas, das sie gar nicht in Anspruch nehmen können, auch nicht zahlen. Der gleiche Grundsatz gilt auch für einzelne Flüge, Bus- oder Zugfahrten, die nicht Bestandteil einer Pauschalreise waren, wenn sie hierzulande vom jeweiligen Anbieter ersatzlos gestrichen werden.

Viele große Veranstalter und Airlines haben sich auch schon dahingehend geäußert, dass sie diese Ansprüche der Kunden anerkennen und kostenfreie Stornierungen akzeptieren. Bei der praktischen Abwicklung dieser und anderer Ansprüche sollten die Verbraucher aber Geduld haben: Die aktuelle Situation ist auch für die Reiseveranstalter eine beispiellose Sondersituation. Hinzu kommt, dass die Reisebüros wegen offizieller Anordnung nicht wie gewohnt geöffnet haben dürfen. Die telefonischen Hotlines sind darum ebenfalls überlastet.

Wer zahlt, wenn der Reisende storniert?

Denkbar ist, dass bestimmte Reisen noch nicht vom Veranstalter abgesagt wurden. Wegen der weltweiten Reisewarnung des Auswärtigen Amtes haben Kunden die Möglichkeit, von einer schon gebuchten Pauschalreise ins Ausland kostenfrei zurückzutreten. Das geht laut Gesetz dann, "wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen". Bei offiziellen Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes hat die Rechtsprechung bisher immer entschieden, dass dieser Tatbestand erfüllt ist. So dürfte es auch im aktuellen Fall sein, und zwar bei allen touristischen Reisen ins Ausland, die nun unmittelbar bevorstehen.

Bei Reisen, die erst später im Jahr stattfinden, könnte es ratsam sein, geduldig zu sein. Wenn die außergewöhnlichen Umstände dann noch vorliegen, kann weiterhin kostenfrei storniert werden. Storniert man aber schon jetzt, so dürften nach Ansicht der Verbraucherzentralen Stornokosten anfallen.

Wie ist das bei Individualreisen?

Wer sich bereits eine individuelle Reise ins Ausland zusammengestellt und angezahlt hat, könnte es im Vergleich zu Pauschalurlaubern etwas schwieriger haben. Der Grund: Bei Individualreisen ins Ausland ist der Vertragspartner ja gerade nicht ein Reiseveranstalter im Inland, sondern beispielsweise ein Hotelbetreiber in Italien oder eine Mietwagenfirma in den USA. Für die Frage, was hier für den Reiserücktritt gilt, ist in diesen Fällen dann das jeweilige Recht vor Ort entscheidend.

Und selbst wenn die Rechtslage im betreffenden Land günstig sein sollte, muss dieser Anspruch dann notfalls auch bei den Gerichten in diesem Land durchgesetzt werden. Ausgeschlossen ist das natürlich nicht, aber in Anbetracht der aktuellen Lage doch zumindest deutlich komplizierter. Einfacher könnte es werden, wenn das Hotel vor Ort seinerseits geschlossen hat, wie es etwa häufig in Österreich oder Italien der Fall ist. 

Individuell gebuchte Flugreisen, die noch stattfinden, dürften nicht ohne weiteres kostenfrei zu stornieren sein. Hier empfiehlt es sich, zu warten. Vielleicht macht die Fluglinie den ersten Schritt und sagt den Flug doch noch ab - dann ist die Lage wieder anders. 

Wie ist die Lage bei Airbnb-Buchungen?

Der Appartement-Vermittler Airbnb kommt Reisenden entgegen und räumt ihnen das Recht ein, anstehende Aufenthalte kostenlos stornieren zu lassen. Voraussetzung: Die Unterkunft muss am oder vor dem 14. März gebucht worden sein. Die Sonderregelung gilt aktuell für Übernachtungen bis zum 14. April. Gäste, die stornieren, bekommen eine volle Rückerstattung bzw. ihre Anzahlung zurücküberwiesen. Gastgeber haben ebenfalls das Recht, Buchungen kostenlos zu stornieren. Wenn eine Unterkunft nach dem 14. März gebucht wurde, gelten die Sonderregelungen nicht, sondern die sonst üblichen Stornierungsbedingungen. Es sei denn, der Gast oder Gastgeber hat sich mit Covid-19 infiziert.

Können Hotels in Deutschland kostenlos storniert werden?

Hier muss man unterscheiden zwischen privat und beruflich veranlassten Reisen. Nach den Rechtsverordnungen der Länder dürfen Hotels Übernachtungen nur anbieten, wenn sie notwendig sind. Übernachtungen "zu touristischen Zwecken" sind untersagt. Sprich: Ein Hotelier darf einem Touristen eine Übernachtung nicht mehr anbieten. Da er diese Leistung nicht mehr erbringen kann, können Privatleute vom Vertrag zurücktreten und die Übernachtung kostenlos stornieren.

Bei beruflich veranlassten Reisen und Übernachtungen ist die Rechtslage sehr viel komplizierter. Für Geschäftsreisende sind Übernachtungen nicht ausdrücklich untersagt worden. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband geht davon aus, dass Hoteliers auf Zahlung der vereinbarten Übernachtungskosten bestehen können, abzüglich der ersparten Aufwendungen, etwa für Frühstück.

Nach Ansicht von Rechtsanwalt Paul Degott, Reiserechtsexperte aus Hannover, könnten Geschäftsreisende aber unter Umständen den Vertrag mit dem Hotel nach den mietrechtlichen Vorschriften kündigen.

Da der Beherbergungsvertrag dem Mietrecht unterliegt, käme gegebenenfalls das Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund zum Tragen, § 543 Absatz 1 BGB.

Nach dieser Vorschrift kann jede Vertragspartei ein Mietverhältnis kündigen, wenn es unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht mehr zumutbar ist.

Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen kann man unter Abwägung der beiderseitigen Interessen ohne Weiteres dazu kommen, den wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung des Beherbergungsvertrages anzunehmen.

Die Hamburger Rechtsanwältin Stefanie Bergmann, ebenfalls Expertin für Reiserecht, bewertet das aber anders:

Eine Kündigungsmöglichkeit des Beherbergungsvertrages aus wichtigem Grund wegen Unzumutbarkeit, etwa entsprechend § 543 Absatz 1 BGB, erscheint zumindest vor der bisherigen Rechtsprechung abwegig, die davon ausgeht, dass die Unzumutbarkeit aus der Sphäre des Vermieters als Kündigungsempfänger stammen muss. Dies passt auf die Situation der Gefährdung durch ein Virus nicht direkt.

Man sieht: Die Rechtslage ist umstritten. Das gilt übrigens für viele Rechtsfragen rund um die neuartige Corona-Pandemie. Es gibt dazu noch keine gerichtlichen Entscheidungen. Soll heißen: Letztlich werden die Gerichte die Rechtslage klären müssen, wenn es zu Rechtsstreitigkeiten kommt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete SWR Rheinland-Pfalz am 12. März 2020 um 18:45 Uhr.