EU-Treffen zur Flüchtlingspolitik Mehr Unterstützung für Balkanländer

Stand: 26.10.2015 02:03 Uhr

Ein Zwischenschritt - so bezeichnete Kanzlerin Merkel das Ergebnis des EU-Sondertreffens zur Flüchtlingspolitik, bei dem es teils hitzig zuging. Entlang der Balkankroute sollen Aufnahmeplätze für 100.000 Flüchtlinge geschaffen werden. Slowenien soll Unterstützung durch 400 Grenzschützer erhalten.

Die Länder entlang der Balkanroute wollen mit stärkeren Kontrollen und besseren Aufnahmebedingungen die Einwanderung von Flüchtlingen besser in den Griff bekommen.

So sollen entlang der Balkanroute 100.000 Plätze zur Unterbringung von Flüchtlingen geschaffen werden. Davon sollten 50.000 Plätze in Griechenland entstehen, sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Die griechische Regierung wolle davon 30.000 Plätze bis Jahresende zur Verfügung stellen und mithilfe des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR weitere 20.000.

Die Teilnehmer des Treffens - zehn EU-Länder sowie die Nicht-EU-Staaten Mazedonien, Serbien und Albanien - hätten sich dazu verpflichtet, Migranten entlang der Balkanroute Unterkünfte anzubieten, sie zu registrieren und sofort eine Kontaktperson auf allerhöchster Ebene benennen, um Informationen auszutauschen. Juncker sagte, man sei sich einig geworden, dass die "unkontrollierten Menschenströme" gebremst werden müssten. "Die Politik, Menschen zu den Nachbarstaaten durchzuwinken, muss aufhören", betonte Juncker erneut.

Das von der hohen Zahl der Flüchtlinge überforderte Slowenien soll innerhalb einer Woche mehr als 400 zusätzliche Grenzschützer erhalten, so Juncker. Außerdem soll die EU-Grenzschutzagentur Frontex in einer neuen Mission die Grenze zwischen Griechenland, Mazedonien, Albanien und Serbien besser absichern. "Wir müssen das Grenzmanagement sicherstellen", sagte Juncker.

Schnellere Rückführung von Flüchtlingen nach Afghanistan

Zudem will die EU die Abschiebung von Migranten aus Afghanistan, Pakistan und anderen asiatischen Ländern durch eine engere Kooperation forcieren. Darauf hatte vor allem die Bundesregierung gepocht. Hintergrund ist, dass die EU mit Afghanistan anders als mit Pakistan noch kein Rückführungsabkommen hat. Migranten aus Afghanistan stellen nach den Syrern die am zweitstärksten wachsende nationale Gruppe unter den Asylbewerbern in Deutschland dar.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wertete die Ergebnisse des Sondertreffens zur Flüchtlingspolitik als wichtigen Zwischenschritt zur Bewältigung der Krise. "Aber es werden weitere Schritte folgen müssen, die wirklich zu einer Lösung führen", sagte Merkel in Brüssel nach dem Treffen. Es sei wichtig, zu einem geordneten und gesteuerten Management in der Flüchtlingskrise zu kommen.

Hitzige Debatten

EU-Diplomaten zufolge war es bei den Gesprächen mitunter hitzig zugegangen. Begonnen hatte das Treffen mit harschen gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen der EU und den Nachbarstaaten. Der slowenische Ministerpräsident Miro Cerar hatte vor Beginn der Beratungen vor einem Auseinanderbrechen der EU gewarnt, wenn keine Lösungen gefunden würden.

Im Fokus stand Griechenland, weil es zu wenig für den Schutz der EU-Außengrenzen unternehme. Ministerpräsidenten Alexis Tsipras monierte seinerseits, dass die Türkei nicht eingeladen worden sei. Auch Merkel betonte die Bedeutung der Zusammenarbeit mit der Türkei. Wichtig sei neben Rückführungsabkommen mit Herkunftsstaaten von Migranten auch ein Migrationsabkommen mit der Türkei, durch die derzeit die meisten Flüchtlinge in die EU kommen. "Da brauchen wir noch eine längere Zeit", sagte sie.

Für Unmut sorgte das Verhalten des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban, der sich selbst vor der Presse als reinen "Beobachter" des Treffens bezeichnete. EU-Diplomaten zufolge weigerte er sich deshalb während der Diskussionen unter den Regierungschefs zunächst, das Wort zu ergreifen.

Dramatische Lage auf dem Balkan

Slowenien meldete am Sonntag eine neue Rekordzahl an Flüchtlingen. Bis Mitternacht waren etwa 15.000 Menschen in dem EU-Land mit zwei Millionen Einwohnern angekommen. Die Menschen haben jedoch nicht Slowenien als Ziel. Sie wollen weiter nach Österreich und vor allem nach Deutschland. Nie zuvor seien vom Nachbarland Kroatien so viele Flüchtlinge an einem einzigen Tag an die slowenische Grenze gebracht worden, hieß es.

Die große Zahl von Flüchtlingen an der Grenze von Österreich zu Bayern bereitet der Bundespolizei im Freistaat zunehmend Probleme. Behördensprecher Frank Koller sagte, das Nachbarland schicke deutlich mehr Menschen als vereinbart nach Deutschland. In Simbach im niederbayerischen Landkreis Rottal-Inn standen am Abend knapp 1000 Menschen, für die ein Nachtlager organisiert werden musste. Auch im Landkreis Passau mussten die Behörden etwa 1000 Menschen versorgen.

Kai Küstner, Kai Küstner, NDR-Hörfunkstudio Brüssel, 26.10.2015 03:25 Uhr