Vor Weltnaturkonferenz Kanadas Buckelwale kommen wieder
In dieser Woche startet die UN-Biodiversitätskonferenz. Zwar sind viele Tier- und Pflanzenarten akut bedroht. Doch aus dem Gastgeberland Kanada gibt es gute Nachrichten: Die Zahl der Buckelwale hat enorm zugelegt.
Dieser Gesang berührt die kanadische Walforscherin Jackie Hildering auch nach Jahrzehnten ihrer Arbeit mit den Meeresriesen: "Wenn du jemandem erlaubst, in die Soundwelt der Wale einzutauchen, wenn du hörst, wie sie kommunizieren - dann gibt es etwas, das in unser Bewusstsein dringt und das Menschen innehalten lässt. Und sie bekommen eine Gänsehaut."
Diese Gänsehaut hat die Buckelwalexpertin der Meeresforschungsgesellschaft der Provinz British Columbia regelmäßig, wenn sie raus aufs Meer fährt. Es ist auch eine Gänsehaut der Freude, sagt Hildering - denn nicht nur sie registriert seit zwei Jahren: Die bedrohten Riesen kommen immer zahlreicher zurück in die Region.
Verschnaufpause durch Corona-Pandemie
Forscher haben vor den Küsten von Vancouver vergangenes Jahr nach Angaben der Pacific Whale Watch Association einen richtigen Babyboom dokumentiert: Mit 21 Kälbern waren es doppelt so viele wie im Jahr davor - die bisher höchste jährliche Zahl in der Region.
Möglich sei, dass dies auch eine Folge der Verschnaufpause war, die die Natur durch Corona hatte. Die Wale hätten in den letzten zwei Jahren reichlich Nahrung gehabt. Walforscherin Hildering hat Hoffnung: "In British Columbia, an der kanadischen Westküste, gibt es erst seit 1967 keinen Walfang mehr - 55 Jahre ist das her. Und als Walbeobachterin kann ich bestätigen, dass wir eine zweite Chance mit ihnen haben."
Fangverbot zeigt Wirkung
Geholfen habe dabei nicht nur das Fangverbot. Kanada hat auch die touristischen Wal-Touren unter besondere Kontrolle gestellt: "Wie nah du mit dem Boot ran darfst, dass du sie nicht berühren, nicht füttern darfst. Du darfst nicht mit ihnen schwimmen, du musst melden, wenn sie sich verheddert haben oder ein Schiff mit ihnen kollidiert ist. Das sind sehr gute Entwicklungen", sagt Hildering.
Schließlich habe der Waltourismus nicht nur Nachteile gebracht - sondern auch viel Verständnis für Wale erzeugt und damit den Artenschutz vorangetrieben.
Mehr als 20.000 Tiere
Die Walpopulation sei ein wichtiges Barometer für den Zustand der Meere, sagt auch der UN-Spezialbeauftragte für Menschenrechte und Umwelt in Vancouver, David Boyd: "In den vergangenen Jahren haben wir hier an der kanadischen Westküste ein unglaubliches Wiederaufleben der Buckelwalpopulation erlebt. Eine Art, die fast bis zur Ausrottung gejagt wurde. Nun ist der Bestand wieder so hoch wie vor dem kommerziellen Walfang."
Allein im kanadischen Pazifik würden schon 27.000 Buckelwale gezählt, freut sich der Walexperte von der kanadischen Regierungsbehörde für Fischerei und Ozeane, Thomas Doniol-Valcroze: "Vor zehn Jahren haben wir hier, wo ich lebe, bei Vancouver, keinen einzigen Buckelwal gesehen. Die Leute mussten dafür mit einer Fähre rausfahren. Vor fünf Jahren kamen dann wieder ein paar. Und heute siehst du rund 20 an jedem Tag im Sommer und Herbst."
Schlechtere Lage bei anderen Arten
Andere Populationen wie Finnwale und Blauwale erholen sich langsamer. Wieder andere stecken in einer tiefen Krise. Etwa der atlantische Nordkaper - einer der ersten, die vom kommerziellen Walfang betroffen waren.
Trotz jahrzehntelanger Schutzmaßnahmen leide diese große Walart unter dem menschlichen Einfluss im Meer, sagt Doniol-Valcroze. "Alle haben gedacht, er erholt sich langsam. Und bis 2010 ging es diesen Walen auch tatsächlich immer besser. Es gab fast 500. Aber dann geriet der atlantische Nordkaper in eine richtige Krise, auch durch den Klimawandel."
Art kurz vor dem Aussterben
Der Bestand der Art, die zwischen den USA und Kanada wandert, ist mit nur 336 Exemplaren auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren gesunken. Schon ein einziger Todesfall gefährdet das Überleben dieser Population. Doch Fischerei, Schifffahrt, Lärm-, Plastik- und Schadstoffbelastung machen die Wanderwege des atlantischen Nordkapers zu tödlichen Hindernisparcours. Das zeigte kürzlich erst wieder ein Report der Umweltschutzorganisation WWF.
Vom Happy End der Wale ist die Welt trotz vieler guter Nachrichten noch weit entfernt, sagt der UN-Sonderbeauftragte Boyd. Nicht nur er hofft deshalb auf die Biodiversitätskonferenz in Montréal: "Wenn wir Menschen aufhören, der Natur zu schaden, ist die Natur in vielerlei Hinsicht unglaublich widerstandsfähig. Wenn ich diese Buckelwale vor der kanadischen Küste sehe, ist es ergreifend zu wissen, dass sie sich vom Rande des Aussterbens wieder erholt haben."
Ziel: 30 Prozent aller Flächen unter Naturschutz stellen
Ein Ziel, das nach Meinung zahlreicher Staaten - darunter auch Deutschland - in der Abschlusserklärung der Konferenz stehen soll, könnte dazu beitragen: Danach sollen nämlich 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresfläche in Naturschutzgebiete umgewandelt werden.