Wildbienenfreundliches Erdbeerfeld in Kalifornien.

Science-Studie Vielfältige Landwirtschaft nützt Mensch und Umwelt

Stand: 21.04.2024 05:00 Uhr

Weite Fruchtfolgen, Blühstreifen und Hecken, Boden- und Wasserschutz: je mehr Maßnahmen, desto besser. Eine Studie zeigt: Wenn die biologische Vielfalt gefördert wird, kann das sogar für bessere Ernten sorgen.

Von Stefanie Peyk, SWR

Das Artensterben schreitet voran. Als ein Treiber gilt die intensive Landwirtschaft weltweit. Forschende empfehlen Bäuerinnen und Bauern, auf größere Vielfalt zu setzen, im Ackerbau zum Beispiel auf Fruchtfolgen mit mehr unterschiedlichen Pflanzen und auf gezielten Bodenschutz.

Von dieser Art Diversifizierung profitiert nicht nur die Biodiversität. Auch die Landwirte haben etwas davon. Das belegt eine umfangreiche globale Studie unter Leitung der Universitäten Hohenheim und Kopenhagen, die kürzlich im Fachmagazin Science veröffentlicht wurde.

Wildbienen als Erdbeer-Plantagen-Bestäuber

In Kalifornien, an der Westküste der USA, werden Erdbeeren in riesigen Monokulturen angebaut. Honigbienen-Völker werden extra dort hingefahren, um die Pflanzen zu bestäuben, erzählt der Agrarökologe Ingo Grass von der Universität Hohenheim in Stuttgart. Die neue Studie zeige, dass das auch nachhaltiger geht. Dafür wurden die Erdbeerfelder so gestaltet, dass es zwischen den Erdbeerpflanzen Blühstreifen, Hecken und offene Stellen gab, wo Wildbienen nisten konnten.

Das Ziel war, die natürliche Bienenvielfalt zu fördern, um die Erdbeeren von Wildbienen bestäuben zu lassen. Das habe auch geklappt. "Wenn wir die Wildbienen fördern, dann ist der Ertrag der Erdbeere oft sogar noch besser als bei der Honigbiene, weil Wildbienen oft bessere, effizientere Bestäuber sind", so Grass im SWR. Es profitieren also Mensch und Natur, und das gilt nicht nur für den Erdbeer-Anbau in Kalifornien.

Vorteile für Mensch und Natur

Für die Science-Studie haben die Forschenden Datensätze zu weit über zweieinhalb Tausend landwirtschaftlichen Betrieben auf fünf Kontinenten zusammengefügt. Das ging vom Anbau von Winterweizen in Deutschland über die Rinderhaltung unter Bäumen in Kolumbien bis zur Maisproduktion im afrikanischen Malawi, wo viele Menschen unter Mangelernährung leiden. Mais macht zwar satt, aber enthält wenig Nährstoffe.

Die Menschen sind viel gesünder, wenn neben dem Mais auch noch Kürbisse angebaut werden, Salat, Hülsenfrüchte wie Bohnen, die Eiweiß liefern, und auf den Feldern auch Obstbäume wachsen. "Wir haben gesehen, dass die Leute besser mit Vitaminen versorgt waren und dass sich die Kinder besser entwickelt haben", erklärt der Wissenschaftler. Gleichzeitig sorge die größere Pflanzenvielfalt zum Beispiel für fruchtbarere Böden.

Agroforst als Alternative zu Palmöl-Plantagen

Die häufige Sorge, dass bei einer vielfältigeren Landwirtschaft die Erträge leiden, scheint unbegründet zu sein. Ingo Grass nennt als Beispiel den Ölpalmen-Anbau in Indonesien. Nach einer Schätzung der Umweltorganisation WWF steckt Palmöl in etwa jedem zweiten Supermarkt-Produkt, in Nuss-Nougat-Creme genauso wie in Waschmitteln oder Lippenstift. Für viele Palmöl-Plantagen wurde Regenwald vernichtet. Dieser kommt nicht zurück, aber die Monokultur muss auch nicht sein.

In der Studie haben sich die Forschenden sogenannte Agroforst-Ölpalm-Systeme angeschaut. "Agroforst" bedeutet, dass Landwirtschaft mit Forstwirtschaft kombiniert wird. In diesem Fall wurden zusätzlich zu den Ölpalmen, die ursprünglich aus Westafrika stammen, auch heimische Bäume gepflanzt. Damit bekomme man die verlorene Artenvielfalt teilweise wieder zurück, freut sich der Agrarökologe: "Einige Vogelarten, die wir sonst nur im Regenwald hätten, finden wir dann auch in der Ölpalme wieder. Und gleichzeitig haben wir dort auch festgestellt, dass der Ertrag nicht vermindert ist. Ganz im Gegenteil, es gibt Ölpalmen, die sogar mehr produziert haben, vielleicht, weil sie von dieser Nachbarschaft mit den Bäumen profitieren."

Weniger Schädlinge im Streifenanbau

Mehr Vielfalt in der Landwirtschaft - das kann heißen, dass deutsche Bauern auf einem Feld nicht Raps oder Weizen anbauen, sondern beides nebeneinander in Streifen, die knapp 30 Meter breit sind. Dann gibt es weniger Schädlinge. Das kann Pestizide sparen. Oder Landwirte legen Hecken und Blühstreifen als Lebensräume für etliche Vögel und Insekten an.

Fast weltweit bringt es Vorteile, die Fruchtbarkeit des Bodens zu erhalten, zum Beispiel durch Mulchen oder mit Kompost. In Entwicklungsländern trägt eine Vielfalt an Weidetieren wie Rindern und Schafen auch zur Ernährungssicherheit bei. Je mehr unterschiedliche Maßnahmen, desto besser. In Zeiten des Klimawandels ist das wie Risikostreuung auf dem Aktienmarkt, sagt Grass. Das größte Problem sei, dass die Diversifizierung auch Kosten verursacht. Hecken anzulegen oder mit Kompost zu arbeiten, sei aufwändig. "Wenn wir Vielfalt und Nachhaltigkeit wollen, müssen wir uns politisch fragen: Was ist es uns wert? Und das auch entsprechend bei den Landwirten fördern", meint der Forscher.

Vielfalt in der Landwirtschaft beim Einkauf fördern

Beim Einkaufen könnten Verbraucherinnen und Verbraucher zum Beispiel auf Bio- und Fairtrade-Siegel achten oder bei Kaffee oder Kakao aus den Tropen auf das Siegel der Rainforest Alliance mit dem grünen Frosch. Das sind alles Labels, die eine größere Nachhaltigkeit garantieren sollen. Ein echtes Label für vielfältige Landwirtschaft allerdings gebe es nicht, bedauert der Wissenschaftler.

Er betont, dass vielfältige Produktion nicht nur etwas für Bio-Landwirte ist. Der größte Teil der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland wird konventionell bewirtschaftet. In der Naturkrise und der Klimakrise müsse die konventionelle Landwirtschaft darum Teil der Lösung sein.

Stefanie Peyk, SWR, tagesschau, 21.04.2024 05:52 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete SWR Aktuell Radio am 17.4.2024