Nahaufnahme an einer Wand, die zahlreiche Vertiefungen von Hadrosaurier-Fußabdrücken zeigt.

Paläontologie Dinosaurierspuren in Alaska entdeckt

Stand: 27.08.2023 08:23 Uhr

Auf einem steilen Felsen wurde die bisher größte Stätte von Dinosaurierspuren Alaskas entdeckt. Vor rund 70 Millionen Jahren wimmelte es dort nur so von Tyrannosauriern, Raptoren und Hornsauriern.

Von Vincent Rombach, SWR

Ein Team von Forschenden der University of Alaska Fairbanks hat an einer Felswand in Alaska eine riesige Stätte von Dinosaurierspuren entdeckt. Die Forschenden tauften die Fundstätte "Das Kolosseum", in Anlehnung an das römische Amphitheater, an das die schräge Gesteinsformation erinnert. In der späten Kreidezeit, also vor rund 70 Millionen Jahren, lebten dort über Generationen hinweg verschiedenste Arten von Dinosauriern.

Doch warum verlaufen die Dinosaurierspuren senkrecht? Und warum befand sich gerade in Alaska, wo heute arktisches Klima herrscht, so ein vielfältiges und komplexes Ökosystem?

Spuren in der Abenddämmerung sichtbar

Als Dustin Stewart und Patrick Druckenmiller bemerkten, was sie gerade für eine Entdeckung gemacht haben, hatten sie schon eine siebenstündige Wanderung im Denali-Nationalpark hinter sich. Die Paläontologen waren zunächst enttäuscht davon, dass sie mit ihrer Forschung nicht vorankamen.

Erst bei Anbruch der Dämmerung stellten Stewart und Druckenmiller fest, dass vor ihnen ein riesiges Feld an Dinosaurierfußspuren zu sehen war - denn die Einkerbungen in der Gesteinswand waren erst bei einem bestimmten Einfallswinkel des Sonnenlichts sichtbar. "Wir sind ausgeflippt", berichtet Stewart, der Hauptautor des Artikels, der in der Fachzeitschrift "Historical Biology" veröffentlicht wurde. "Dann sagte Patrick: Holt eure Kamera."

Form der Dinosaurierzehen noch heute erkennbar

Stewart untersuchte die Dinosaurierspuren, die sich in der Cantwell-Formation im Denali National-Park in Alaska befinden, im Rahmen seiner Masterarbeit. "Es ist nicht nur ein Felsen voller Spuren, es ist eine Reise durch die Zeit", wird Stewart in einer Mitteilung der Universität zitiert. "Bisher gab es in Denali weitere bekannte Fundorte, aber keine in dieser Größenordnung."

In der späten Kreidezeit befand sich dort, wo heute die Klippen stehen, die Überschwemmungszone einer nahe gelegenen Wasserstelle. Dort bewegten sich die Tiere vor rund 70 Millionen Jahren über den schlammigen Untergrund. Die Dinosaurierspuren sind entstanden, als sich Abdrücke im Laufe der Zeit verhärteten, berichten die Paläontologen. Noch heute sind die Fußspuren so detailliert, dass man sogar die Form der Dinosaurierzehen und die Beschaffenheit ihrer Haut erkennen kann.

"Anhand solcher Spuren können wir rekonstruieren, welche Arten von Dinosaurier damals gelebt haben", erzählt Eudald Mujal Grané dem SWR, der im Naturkundemuseum Stuttgart zu Fossillagerstätten forscht. Aber auch Informationen über das Sozialverhalten der Dinosaurier, also ob sie in Gruppen oder alleine unterwegs waren, könnten die Paläontologen durch die Fußspuren nachvollziehen, so Mujal Grané.

Einst flacher Boden nun steile Wand

Dass die Fußspuren an einem fast senkrechten Felsen entdeckt wurden, hat einen besonderen Grund: Als die Kontinentalplatten der Erde aufeinanderstießen und die Alaskakette entstand, hat sich der einst flache Boden vertikal geneigt. Dadurch sind die steilen, um 70 Grad geneigten Felswände entstanden, auf denen Stewart und Druckenmiller die Dinospuren entdeckt haben. Die Erdschichten haben sich im Laufe der Jahrhunderte so verschoben und gefaltet, dass die Felsklippen jetzt 60 Meter senkrecht in die Luft ragen. Damit ist die Felswand so hoch wie ein 20-stöckiges Hochhaus.

Die schräge Lage und die Höhe der Felswand erschwert auch die Erforschung der Dinosaurierspuren. Deshalb haben die Forschenden ein virtuelles 3D-Modell der Dinospuren gefertigt, indem sie sich überschneidende Fotos der Spuren aus verschiedenen Winkeln - unter anderem auch mithilfe von Kamera-Drohnen - aufgenommen haben. Insgesamt ist die Fläche, auf denen die Dinospuren zu sehen sind, 7500 Quadratmeter groß - umgerechnet also größer als ein Fußballfeld.

Die Grübchen an den Felswänden sind Dinosaurierspuren.

Steil ragen die Felsen am "Kolosseum" gen Himmel - früher waren sie jedoch ebene Fläche.

Alaska als "Super-Highway" für Dinosaurier

Vor allem große Pflanzenfresser haben im Denali-Nationalpark ihre Spuren hinterlassen: Am häufigsten waren dort pflanzenfressende Hornsaurier wie der Hadrosaurier unterwegs. Der Hadrosaurier wird aufgrund seiner flachen, breiten Schnauze auch als Entenschnabelsaurier bezeichnet. Er war ein äußerst soziales Wesen und bewegte sich vor allem auf vier Beinen fort. Nur wenn er auf der Flucht war, wechselte er auf die Hinterbeine.

Aber auch seltenere, fleischfressende Saurier wie der Tyrannosaurus konnten durch ihre Abdrücke identifiziert werden. Doch warum genau in dieser Region in Alaska so eine große Vielfalt an Dinosauriern über Jahrtausende hinweg gelebt hat, gibt bis heute Rätsel auf. Wissenschaftler vermuten, dass Alaska ein sogenannter "Super-Highway" für Dinosaurier war, weil es als Teil einer Landbrücke Asien und Amerika verband.

Der heutige Denali National Park war damals ein Wald mit Farnen, Schachtelhalmen, Nadel- und Laubbäumen. Tyrannosaurier, Raptoren und fliegende Reptilien Und das Klima war wesentlich wärmer als heute: In der späten Kreidezeit betrug die durchschnittliche Temperatur vermutlich rund elf Grad Celsius, heute sind es im Schnitt minus zwei Grad. "Durch Isotope im Gestein können wir nachvollziehen, wie das Klima sich über die Jahrtausende entwickelt hat", so Mujal Grané.

Die Cantwell-Formation gilt schon länger als besonders ergiebiger Fundort für Dinosaurier-Fußabdrücke. Neben den Dinosaurierspuren fanden die Forscher dort auch versteinerte Pflanzen, Muscheln und andere wirbellose Tiere, die Hinweise auf die damaligen Umweltbedingungen liefern.

Viel größer als Braunbären

"Die Gegend war bewaldet, es wimmelte nur so von Dinosauriern", berichtet Druckenmiller. "Es gab Tyrannosaurier, die in Denali umherliefen und um ein Vielfaches größer waren als der größte heute lebende Braunbär", so der Paläontologe. "Es gab Raptoren, fliegende Reptilien und Vögel. Es war ein erstaunliches Ökosystem."

Druckenmiller plant, mit dem Team vom Denali National Park noch mehr Spuren im Gestein zu untersuchen, die Hinweise auf das Leben der Dinosaurier in der Kreidezeit liefern könnten. "Der Park ist ein großartiges Gebiet, um die Dinosaurierspuren zu untersuchen", berichtet Druckenmiller, der auch das University of Alaska Museum of the North leitet. "Es liegt noch ein Leben voller Entdeckungen vor uns."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete SWR Wissen am 25. August 2023 um 16:15 Uhr.