Erdölfeld in Hassi Messaoud (Ouargla), Südalgerien

Streit in der OPEC Erzwingt Saudi-Arabien Öl-Förderkürzungen?

Stand: 23.11.2023 12:49 Uhr

Die OPEC hat ihr fürs Wochenende geplantes Treffen verschoben - was die Uneinigkeit der Mitglieder zeigt, wie viel Öl gefördert werden soll. Weitere Kürzungen drohen. Was bedeutet das für den Ölpreis?

Von Antje Erhard, ARD-Finanzredaktion

Zweimal im Jahr treffen sich die Mitglieder der Erdöl-Förderorganisation OPEC und ihre Kooperationspartner, genannte OPEC+. Die Termine stehen lange im Voraus fest. Diesmal war ein Treffen für den 25. und 26. November geplant. Es wurde verschoben: Neuer Anlauf 30. November. Umgehend gingen die Ölpreise auf Talfahrt.

Brent-Öl fiel am Mittwoch auf 78,48 Dollar. Im September war es noch für knapp 100 Dollar pro Fass gehandelt worden. WTI-Öl rutschte bis auf 73,84 Dollar ab. Zuletzt erholten sich die Kurse etwas.

Preispolitik stößt an ihre Grenzen

Auf der Website hat die Organisation die Verschiebung in gut drei Zeilen mitgeteilt - ohne Begründung. Doch Analysten und Marktbeobachter zufolge herrscht zwischen einzelnen Akteuren offenbar Uneinigkeit darüber, inwieweit auch im kommenden Jahr die Ölfördermenge gekürzt werden soll. "Unstimmigkeiten über die Förderpolitik" hätten die OPEC dem Anschein nach dazu veranlasst, das Treffen zu verschieben, urteilte etwa die Deutsche Bank.

Stimmungsmacher dürfte vor allem Saudi-Arabien sein. Das Königreich hatte in diesem Jahr seine Förderung über die OPEC-Beschlüsse hinaus gedrosselt. Erklärtes Ziel: Die Ölpreise zu steigern. Das hat nur zeitweise geklappt.

Afrikanische Länder im Fokus

Das Königreich sowie OPEC+-Partner Russland wollen deshalb die Förderung auch im kommenden Jahr begrenzen. Aber andere OPEC-Förderer sollen mitziehen, statt ihrerseits sogar mehr Öl als vereinbart aus dem Boden zu holen und so Marktanteile zu gewinnen. Hier geht der Blick nach Einschätzung verschiedener Experten vor allem auf die afrikanischen Förderer wie Angola oder Nigeria.

Die OPEC und ihre Partner

Zu den OPEC-Staaten gehören Algerien, Angola, die Republik Kongo, Äquatorialguinea, Gabun, der Iran und der Irak, Kuwait, Libyen, Nigeria, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Venezuela. Sie werden von Saudi-Arabien angeführt und ergänzt um zehn Kooperationspartner, die OPEC+: Mexico, Sudan und Südsudan, Russland, Kasachstan, Aserbaidschan, Bahrain, Oman, Malaysia und Brunei. Diese stehen unter der Führung Russlands. Jedes Mitglied der OPEC hat eine bestimmte Förderquote, die nicht überboten werden soll.

Für Analysten ist die Forderung Saudi-Arabiens keine große Überraschung. Einige hatten schon im Vorfeld des geplanten OPEC-Treffens ihre Erwartung geäußert, dass die Kürzungen in die Verlängerung gehen. "Wir sehen Spielraum für die Gruppe, eine tiefere Kürzung vorzunehmen", prognostizierte etwa Helima Croft von RBC Capital.

Die schwache weltwirtschaftliche Entwicklung hatte im ersten Halbjahr die Ölpreise zunächst gedrückt. Erst mit den Förderkürzungen Russlands und Saudi-Arabiens hatten sich die Preise erholt. Saudi-Arabien hatte, flankiert von Russland, die Förderung von Öl ab Juli konsequent um eine Million Barrel pro Tag verknappt und dieses Gebahren von Monat zu Monat immer wieder verlängert.

100 Dollar als Ziel?

Damit sollten die Ölpreise auf rund 100 Dollar pro Fass hochgetrieben werden. Wegen Russlands Krieg gegen die Ukraine lag der durchschnittliche Ölpreis 2022 auf diesem Niveau - und damit erheblich über dem Durchschnittspreis im Jahr davor (70 Dollar), wie Germany Trade & Invest ermittelte, die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland für Außenwirtschaft und Standortmarketing.

Damit waren die Öleinnahmen des Landes im Jahresvergleich um rund 50 Prozent auf 225 Milliarden Dollar gestiegen. Nach einer Berechnung des Internationalen Währungsfonds (IWF) brauchte Saudi-Arabien für einen ausgeglichenen Haushalt 2023 allerdings nur einen Ölpreis von 66,80 Dollar. Andere Schätzungen gehen von circa 80 Dollar aus.

Doch Saudi-Arabien scheint nicht zufrieden. Ohnehin hat die Preistreiberei des Königreichs nur zeitweise funktioniert. Ein Grund dafür ist die schwache Nachfrage aus China, dem weltweiten Rohöl-Importeur Nummer Eins. Eine Verlängerung der Förderkürzung ins neue Jahr hinein könnte aber die Preise wieder steigen lassen - selbst wenn Chinas Wirtschaft weiter schwächeln sollte.

Weniger Öl - höherer Preis

Die Investmentbank Goldman Sachs rechnet damit, dass Saudi-Arabien und Russland freiwillige Kürzungen bis mindestens zum ersten Quartal 2024 verlängern werden. Sie wollten sich damit absichern, dass der Ölpreis (der Sorte Brent) im ersten Quartal nicht unter 80 Dollar fällt. Eine Möglichkeit sei, die Förderung schrittweise von 0,5 bis 1 Million Fässer Öl pro Tag im ersten Quartal zu kürzen. In diesem Fall würden die Brent-Ölpreise laut Goldman Sachs um einige Dollar steigen.

Die Energy Information Administration, die Energie-Behörde der USA, erwartet ebenfalls steigende Preise: "Wir prognostizieren einen Anstieg des Brent-Preises von durchschnittlich 90 Dollar im vierten Quartal 2023 auf durchschnittlich 94 Dollar in der ersten Hälfte 2024."

Mehr Rohöl aus anderen Ländern?

Eine steigende Produktion außerhalb der OPEC - in den USA, Kanada und in Südamerika - könnte allerdings für mehr Öl auf dem Markt sorgen. Allein Kanada hat im vergangenen Jahr eine Rekordmenge an Rohöl exportiert: 4,7 Millionen Fässer täglich.

Auch Venezuela könnte wieder eine größere Rolle auf dem Ölmarkt spielen. Mit der Lockerung der US-Sanktionen darf das lateinamerikanische Land wieder mehr Öl verkaufen. Im Jahr 2025 könnten 250.000 bis 300.000 Barrel pro Tag zusätzlich in Venezuela gefördert werden, wenn alle Beschränkungen aufgehoben werden, hat Francisco Monaldi, Experte für lateinamerikanische Energiepolitik am Baker Institute for Public Policy der Rice University, berechnet.

Derzeit kommen bis zu 800.000 Fass Öl täglich aus Venezuela. Mehr Angebot hätte dämpfende Wirkung auf die Ölpreise. Aus Sicht der OPEC dürfte das den Druck erhöhen, dass sich die Mitglieder des Kartells und ihre Partner einigen.