Bedienelemente im Cockpit der Volkswagen Studie ID. 2all.

Verwirrende Displays im Auto Das Comeback der Knöpfe bei VW

Stand: 21.12.2023 15:26 Uhr

VW hat sich die Dauerkritik seiner Kunden offenbar zu Herzen genommen. Weniger Touchscreens, dafür mehr Knöpfe - mit dem Elektroauto ID.2 sollen sich Fahrer im Cockpit wieder einfacher zurechtfinden können.

Von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion

Ein futuristisches Innenraumdesign und ein großer Infotainment-Bildschirm - wie in einem Tesla sollten sich die Autofahrer bei VW fühlen, so die Vision des einstigen Volkswagen-Chefs und bekennenden Musk-Fans Herbert Diess. Einziges Manko: Viele VW-Fahrer wollten sich so gar nicht fühlen. Die Touch-Bedienelemente kamen bei den Kunden überhaupt nicht gut an. Groß war offenbar die Sehnsucht nach den Knöpfen und Tasten früherer Tage.

Für alle Innenraum-Nostalgiker gibt es nun eine zumindest auf den ersten Blick gute Nachricht: Physische Tasten, Knöpfe, Drehregler - sie alle sollen bei dem Wolfsburger Autokonzern ein Comeback feiern. Wie das konkret aussehen soll, zeigte VW nun mit dem Modell ID.2. In dem kleinen Elektro-SUV sollen Fahrer einige Funktionen wieder manuell an- und ausschalten und über einen Drehregler weiter justieren können. Dazu gehören etwa die Lautstärke, Klimaanlage und Lüfter.

"Viel Schaden" für die Marke VW

Doch bis es soweit ist, dauert es noch ein wenig. Das Einstiegs-Elektroauto ID.2all geht erst 2025 in Serie. Bis dahin müssen VW-Fahrer in vielen Autos - vom ID.3 bis zum Tiguan - mit Touchscreens oder gar unbeleuchteten Schiebereglern vorliebnehmen.

Und selbst mit dem ID.2 findet keine vollständige Abkehr von Displays statt: Bei Geschwindigkeit, Ladestatus und Entertainment-System setzt VW weiterhin auf digitale Anzeigen.

Bedienelemente im Cockpit der Volkswagen Studie ID. 2all.

Im ID2.all gibt es immer noch zahlreiche Displays - aber auch Knöpfe und Drehregler.

Dabei hatte VW-Markenchef Thomas Schäfer bereits im Juni im Gespräch mit der britischen Plattform "Autocar" eingeräumt, dass das neue Innenraumkonzept "definitiv viel Schaden angerichtet" habe.

Herbert Diess - ein Tesla-Fan

Zu verantworten hatte dieses Innenraumkonzept Schäfers Vorgänger und Ex-Konzernchef Herbert Diess, seines Zeichens ein großer Verehrer von Elon Musk. So sagte Diess einst über den Tesla-Chef: "Man muss ihn sehr ernst nehmen. Er antizipiert die Zukunft."

Immer wieder pries Diess Führungskräften gegenüber die Vorzüge des US-Elektroautoherstellers, suchte die Nähe zu Musk bei persönlichen Treffen. Beide Manager tauschten in der Vergangenheit wiederholt öffentlich Nettigkeiten aus, lobten sich gegenseitig dafür, dass sie es mit der E-Mobilität ernst meinen.

VW-Chef Herbert Diess (l.) fotografierte sich zusammen mit Elon Musk (Archivbild: 03.09.2020)

Ein Selfie mit dem Tesla-Chef - ein Highlight für den damaligen VW-Chef und Musk-Fan Diess.

Fahrer sollen sich problemlos zurechtfinden

An dem Bekenntnis zur Elektromobilität hält auch der neue VW-Konzernchef Oliver Blume bislang fest. Doch Kunden sollen offenbar zumindest im Innenraum wieder stärker das Gefühl bekommen, tatsächlich einen VW zu fahren - Verwechslungsgefahr ausgeschlossen.

Einsteigen und direkt im Auto zurechtfinden, das soll künftig wieder der Anspruch an VW-Autos sein. Volkswagen sei immer gut darin gewesen, Fahrzeuge so einzurichten, dass die Nutzer intuitiv wüssten, was sich wo verberge, erklärte Markenchef Schäfer gegenüber "Autocar". Daher dürfe sich auch die Platzierung der Bedienelemente künftig nicht von Modell zu Modell ändern.

Wenn das Display zum Risiko wird

Ein Abrücken von Teslas Designphilosophie könnte neben einer erhöhten Kundenzufriedenheit noch einen weiteren Vorteil haben: Es könnte die Fahrt in einem VW wieder sicherer machen. Darauf deuten zumindest zahlreiche Studien hin. Denn das Bedienen per Touch-Display oder das Suchen von Funktionen in Menüs und Untermenüs führt zwangsläufig dazu, dass der Fahrer das Verkehrsgeschehen aus den Augen verliert. Und das für gefährlich lange Zeit.

Einer Studie des britischen Forschungsinstituts für Verkehrssicherheit TRL zufolge verlängert sich bei Autofahrern die Reaktionszeit beim Bedienen eines Touchdisplays um 57 Prozent. Zum Vergleich: Unter Cannabiseinfluss sind es 21 Prozent, beim Telefonieren mit dem Handy am Ohr 46 Prozent.

Gefährlich langer Blindflug

Touch-Displays stellen somit ein nicht unerhebliches Sicherheitsrisiko dar. Zu diesem Schluss kommt auch der ADAC in einer Studie. Demnach lagen die Bedienzeiten in modernen Autos mit Touch-Displays für alltägliche Aufgaben wie etwa Einschalten des Abblendlichts oder Einstellung der Innenraumtemperatur bei bis zu acht Sekunden.

Dabei können acht Sekunden Ablenkung verheerende Folgen haben: Bei einer Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf der Autobahn etwa bedeuten sie einen Blindflug von knapp 290 Metern.

100 Euro Bußgeld und ein Punkt in Flensburg drohen

Was viele Autofahrer nicht wissen: Gemäß § 23 Straßenverkehrsordnung (StVO) sind während der Fahrt nur flüchtige Blicke auf Touchscreens erlaubt. "Längere Blickabwendungen" sind explizit verboten. Wird ein Fahrer bei einer solch vorschriftswidrigen Nutzung erwischt, so muss er 100 Euro Bußgeld zahlen und erhält zudem einen Punkt in Flensburg.

Fachleute für Verkehrssicherheit empfehlen daher ganz klar, dass Autohersteller zumindest für häufig genutzte Fahrzeugfunktionen - wie etwa Scheibenwischer, Fahrlicht, Temperatureinstellung und Sitzheizung - separate Tasten für eine ablenkungsarme Bedienung in ihre Modelle einbauen.

Doch angesichts der Vielzahl an Funktionen, die moderne Autos heutzutage bieten, scheint auch klar: Eine vollständige Rückkehr zu den Innenraumdesigns vergangener Tage dürfte es kaum geben. Die Zeiten, als Autofahrer für jede Bedienfunktion eine eigene Taste drücken, einen eigenen Regler drehen oder einen separaten Hebel umlegen konnten, sind wohl unwiederbringlich vorbei.