Mitarbeiter sitzen in einem Großraumbüro.

Unternehmensfinanzierung Beteiligungen statt teurer Kredite

Stand: 23.03.2023 09:21 Uhr

Die Zinsen steigen - und damit die Kosten von Krediten. Dabei gibt es gerade für Firmen eine alternative Finanzierung. Sie ist nicht neu, aber zeitgemäß: die Beteiligung.

Vor acht Jahren gründete Michael Pauly ein Unternehmen für "die Erschaffung eines Verfahrens zur Erzeugung digitaler Zwillinge" und nannte es Kaptura. Mittels eines patentierten 3D-Scansystems erzeugen seine Geräte Modelle, Fotos und Daten über Eigenschaften und Packmaße von Gegenständen, die zum Beispiel versandt werden müssen. Er erspart seinen Kunden nicht nur unnötige Verpackungsmaterialien, sondern gibt ihnen auch die Möglichkeit, ohne Barcodesystem Produkte zu identifizieren.

Ein Kredit wäre viel zu teuer gewesen

Am Anfang stand nur die Idee; was fehlte, war das Kapital zur Umsetzung. Start-ups wie Kaptura bekommen in der Regel keine Bankkredite, ohne persönlich in Haftung zu gehen. Das Startkapital für die Prototypen holte sich der Gründer deshalb aus dem privaten und geschäftlichen Umfeld. Als das nicht mehr ausreichte, "verkaufte" er einen Teil seines jungen Unternehmens an die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB).

"Die ISB hat mir einen Anteil zu einer bestimmten Unternehmensbewertung abgekauft. Das Kapital floss ins Unternehmen, um Personal, Forschung und Ausstattung zu finanzieren", erklärt Pauly. Der Kapitalbedarf sei höher gewesen als mit den vorhandenen Sicherheiten darstellbar. Zusätzlich wären bei einem Kredit monatliche Zinsen und Tilgungen immens gewesen.

Geld gegen Gewinnbeteiligung und Mitspracherecht

Eine Beteiligung ist eine sogenannte Eigenkapitalfinanzierung - ähnlich wie bei der Ausgabe von Aktien, nur ohne Aktien. Der Käufer erwirbt nicht nur Anteile und ist deshalb zukünftig am Gewinn beteiligt, er trägt auch einen Teil des Risikos in Höhe seiner Einlagen und bekommt dafür Mitspracherecht an Unternehmensentscheidungen. Das Kapital wird unbefristet zur Verfügung gestellt und nicht später wieder zurückgezahlt. So muss der Gründer sich nicht verschulden und reduziert die Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit, das unternehmerische Risiko wird minimiert.

Die Gewinnbeteiligung für den Investor kann er allerdings nicht steuermindernd geltend machen, wie die Zinsen bei einem Kredit. Ausschüttungen an den Geldgeber erfolgen aus bereits versteuertem Gewinn. Das Geschäftsverhältnis löst sich auf, wenn das Unternehmen verkauft wird oder beide Seiten entscheiden, die Zusammenarbeit zu beenden und den Geldgeber, entsprechend der Geschäftsentwicklung, auszuzahlen.

Keine blinden Investments

"Bei unseren Investments tragen wir das alleinige Risiko, bis hin zum Totalausfall, da in der Regel keine Sicherheiten verlangt werden", sagt Claudia Wichmann, Pressesprecherin der ISB Rheinland-Pfalz. Deshalb investieren Kapitalgeber nicht blind, sondern suchen sich vielversprechende Investments und nehmen Einfluss auf vorher festgelegte Bereiche unternehmerischer Entscheidungen.

Es würde "Vorgaben zu zustimmungspflichtigen Rechtsgeschäften" gemacht, so Wichmann. "Diese könnten beispielsweise sein: Sitzverlegung des Unternehmens, Gründung von Tochtergesellschaften, Verkauf von wesentlichen Vermögenswerten oder Aufnahme von Fremdkapital."

Investitionsbank soll fördern und beraten

Allerdings ist der Ansatz der landeseigenen ISB ein anderer als der von privaten Venture-Capital-Gesellschaften. Da es der Investitionsbank vor allem um "Förderung von Innovationen und der Wirtschaft in Rheinland-Pfalz" gehe, sei man "weniger renditegetrieben".

Die ISB investiert nicht nur, sie vergibt ebenso Kredite und bietet zahlreiche Förderprogramme an. Dabei arbeitet sie zum einen mit dem rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium zusammen, zum anderen mit der Unternehmensbeteiligungsgesellschaft Venture-Capital Mittelrhein, die eine eigene Tochtergesellschaft ist. "Eine deutlich steigende Nachfrage verzeichnen wir derzeit bei unserer Beratungsförderung und hier insbesondere im Rahmen der Mittelstandsberatung - ein Zeichen dafür, dass Unternehmen weiter investieren."

Zwischenfinanzierungen möglich

Ein Kapitalgeber kann offen als Gesellschafter auftreten oder nicht. Bei Kaptura seien die Fonds in einer Kombination von offener und stiller Beteiligung eingestiegen, erklärt Wichmann. "Allerdings haben unsere Gesellschaften den Status eines Minderheitengesellschafters, da wir als öffentlicher Beteiligungsgeber in der Regel nicht mehr als 24,9 Prozent des Stammkapitals halten wollen."

Es muss, wie auch bei Kaptura, nicht bei einer Beteiligungsrunde bleiben. Sollen zur Erweiterung des Unternehmensportfolios beispielsweise neue Maschinen angeschafft werden, wird frisches Kapital nötig. "Wir hatten zwei sogenannte Finanzierungsrunden", sagt Michael Pauly. Während des weltweiten Lieferengpasses durch Coronakrise und Ukraine-Krieg hat Kaptura parallel zusätzlich ein Darlehen aufgenommen, "um uns die Lager voll zu machen und für die nächsten Monate lieferfähig zu bleiben", so der Geschäftsführer.

Private Beteiligungen als Alternative

Anders als die ISB wollen private Geldgeber hauptsächlich ihr Geld vermehren. Wer ein Näschen für erfolgversprechende Geschäftsideen hat, kann mit Beteiligungen viel Geld verdienen. So schwappte ab 2008 die aus den USA stammende Idee der "Business Angels" nach Deutschland. Im Grunde ist es das gleiche Prinzip wie die Beteiligung der rheinland-pfälzischen Investitions- und Strukturbank, nur privat. Erfolgversprechende Start-ups können neben staatlicher Förderung auch die Dienste der "Business Angels" in Anspruch nehmen. Das sind meist erfahrene Manager mit eigenem Vermögen.

Matthias Helfrich, "Business Angel des Jahres 2021" und Geschäftsführer der MGH Beratungs- und Beteiligungs-GmbH, erklärt das Prinzip so: "Der Business-Angel besitzt zwei Flügel." Das solle verdeutlichen, dass neben dem Kapital weitere Assets vorhanden seien. "Der zweite Flügel ist für junge Unternehmerinnen und Unternehmer besonders wichtig, da er die Basis für die praktische Zusammenarbeit bildet."

Der "Business Angel" investiert zum einen sein Geld in ein Unternehmen seiner Wahl, steht dem Gründer aber auch mit seinem Know-how in unternehmerischen Entscheidungen zur Seite beziehungsweise erkauft sich ein mehr oder weniger starkes Mitspracherecht. Beide Seiten schließen einen Vertrag, der den Umfang der Mitsprache- beziehungsweise Beratungsleistung und die Höhe des "Return of Investment" regelt.

Keine einsamen Entscheidungen mehr

"Der Unternehmer hat sich primär die Frage zu stellen, ob er sich damit zurechtfinden kann, sich bei wichtigen Entscheidungsprozessen mit dem Investor abzustimmen", sagt Helfrich. "Beide tragen das Risiko des Scheiterns in sich, wobei das höhere Risiko beim Unternehmer liegt. Als Investor verliert man seine Kapitaleinlage, was zumeist schmerzlich, aber nicht existentiell ist."

Gut mit Investorenkapital ausgestattete Unternehmen kämen besser durch Krisen als Firmen ohne Beteiligungskapital. Allerdings ist auch an diese Finanzierungsform nicht mehr so leicht heranzukommen. "Beteiligungskapital reagiert generell sehr sensibel auf wirtschaftlich unsichere Situationen." In sieben von zehn Investments verliere der "Business Angel" sein Geld, so Helfrich.

"Vision und Strategie treu bleiben"

Mit den restlichen 30 Prozent ihrer Beteiligungen müssten die rund 10.000 "Business Angels" in Deutschland also ordentlich verdienen, damit das Geschäftsmodell funktioniere. In Zeiten von steigenden Zinsen gäbe es auch für die "Engel" gute und risikoärmere Investments. Vielleicht deshalb sind sie hierzulande noch nicht so verbreitet. Zum Vergleich: In den USA schätzt man, dass es rund drei Millionen von ihnen gibt.

Unternehmer Michael Pauly versucht, mit dem ihm zur Verfügung stehenden Kapital vorausschauend drohende Durststrecken wie Lieferengpässe zu umschiffen. "Man sollte seiner Vision und seiner Strategie treu bleiben", sagt er. Aber es sei noch nie emotional anspruchsvoller gewesen, Unternehmer zu sein, als seit Beginn der Pandemie.