The Rolling Stones live in der Berliner Waldbühne. Die britische Rockband bei ihrem letzten Konzert der Europatour 2022. Im Bild: Ronnie (Ron) Wood, Mick Jagger und Keith Richards.
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Neues Album der Rolling Stones Mit "Böse-Buben"-Image an die Weltspitze

Stand: 06.09.2023 17:01 Uhr

Die Rolling Stones haben heute ihr neues Studio-Album vorgestellt. Seit den 1960er-Jahren feiert die legendäre Rockband nun schon Erfolge - auch dank einer besonderen Marketingstrategie.

Von Till Bücker, ARD-Finanzredaktion

Nach rund sieben Jahren kehren die Rolling Stones mit einem neuen Album zurück. Das 31. Studio-Album "Hackney Diamonds" wird am 20. Oktober veröffentlicht, wie die legendäre Rockband heute in London ankündigte. Zudem stellten Mick Jagger, Keith Richards und Ronnie Wood ihre neue Single "Angry" vor. Bereits zuvor hatte es zahlreiche Spekulationen über eine neue Platte der britischen Kultband gegeben.

Das letzte Studio-Album "Blue & Lonesome" erschien 2016. "Wir waren sehr faul", scherzte Frontman Jagger im Gespräch mit dem US-Talkshowmoderator Jimmy Fallon. "Vielleicht waren wir ein bisschen zu faul. Also haben wir gesagt: Komm wir setzen uns eine Frist und machen ein Album."

Fans nehmen Kinder und Enkel auf Konzerte mit

Mehr als 60 Jahre stehen die britischen Rock-Urgesteine nun schon in verschiedenen Konstellationen auf der Bühne. "Die Rolling Stones sind einfach geniale Künstler, die es durch ihr außerordentliches Talent geschafft haben, seit 1962 erfolgreich zu sein", sagt Michael Herberger, Business-Direktor und Geschäftsführer der Popakademie Baden-Württemberg, im Gespräch mit tagesschau.de. Über eine so lange Zeit trotz Höhen und Tiefen solch einen "ikonischen Helden-Status" zu erhalten, sei unglaublich.

Wegen der langen Zeitspanne habe die Band eine riesige Menge an Fans - jung und alt. "Die alten Stones-Fans aus den Sechzigern und Siebzigern kommen immer noch zu den Konzerten und bringen teilweise ihre Kinder oder Enkel mit", so Herberger. Das sei ein enormer Marketingeffekt. Eine Rolle spiele allerdings auch die Authentizität der Band und die Bewahrung ihrer Identität: "Mick Jagger und Keith Richards sind nicht für ihre Konformität bekannt, sondern für Rock'n'Roll." Das mache einen großen Teil ihrer Beliebtheit aus, meint der Fachmann.

Auch andere Beobachter sehen das Auftreten der Rolling Stones als ein Erfolgsgeheimnis - und als Marketingstrategie. "Die britische Band hatte (...) eine Reputation erworben, die ein noch größeres Skandalpotenzial entfaltete als die der Beatles. Waren die Fab Four als eine Gruppe inszeniert worden, die in gepflegten Outfits auftrat, kontroverse Texte zunächst vermied und in Konzerthäusern selbst vor der königlichen Familie spielte, so bauten die von Mick Jagger und Keith Richards gegründeten Rolling Stones bewusst ein 'Böse Buben'-Image auf", schreibt etwa der Experte für Popkultur, Bodo Mrozek, in seinem Buch "Jugend - Pop - Kultur. Eine transnationale Geschichte".

Nur James Last in deutschen Charts erfolgreicher

Ihr Manager Andrew Loog Oldham setzte Mrozek zufolge neue Marketingimpulse. "Um die von ihm promotete Band von den Beatles signifikant zu unterscheiden, hatte er frühzeitig ein Image als Gegen-Beatles aufgebaut und sie als Prototypen "rebellischer" Jugendlicher stilisiert", so der Forscher vom Institut für Zeitgeschichte. Das "Face-Lifting" habe der Band aus "aufmerksamkeitsökonomischen Erwägungen" ein Negativimage und den Slogan als "härteste Band der Welt" verschafft - mit Erfolg.

Allein in den offiziellen deutschen Charts waren die Rolling Stones bislang mit 46 Singles und 81 Alben platziert, wie die Marktforschungsinstitut GfK tagesschau.de mitteilt. Nur James Last sei mit 112 Alben in den Charts noch häufiger vertreten gewesen. Insgesamt habe die Band sieben Nummer-1-Hits und zehn Nummer-1-Alben erreicht. Zudem stellten sie laut der GfK 2020 mit dem Nummer-1-Hit "Living In A Ghost Town" zwei Rekorde auf: Sie sind nicht nur die ältesten Künstler, die jemals auf dem Thron der Single-Hitliste saßen, sondern verzeichneten auch die größte Spanne zwischen zwei Nummer-1-Hits (52 Jahre).

Das letzte Album der Rolling Stones "Blue & Lonesome" enthielt ausschließlich Blues-Coverversionen. Die letzte Platte mit eigenen Kompositionen - "A Bigger Bang" aus dem Jahr 2005 - stammt dagegen noch aus einer Zeit, als es nicht einmal Streamingdienste wie Spotify gab. Mittlerweile verdienen die Musiker auch darüber ihr Geld, im Vergleich zu den Einnahmen bei Konzerten allerdings wohl nur einen Bruchteil.

22 Millionen verkaufte Konzertkarten seit 2018

"Die Rolling Stones haben knapp 25 Millionen monatliche Hörer auf Spotify", sagt Herberger. Eine Million Streams bringe etwa 3.500 Euro für die Autoren, die Plattenfirma und Künstler. Insgesamt bedeute das Streaming über Spotify also einen monatlichen Umsatz von rund 90.000 Euro für alle Beteiligten. "Das ist mit den Einnahmen auf der Tour nicht annähernd vergleichbar", so der Experte. Das liege auch daran, dass die Ticketpreise für Konzerte von internationalen Top-Stars teils astronomisch hoch seien.

Nach Angaben des Konzertveranstalters Pollstar nahmen die Rolling Stones bei ihrer Tournee 2021 insgesamt 115,5 Millionen Dollar ein. Auf Platz zwei und drei folgen mit einem gewissen Abstand der britische Sänger Harry Styles (86,7 Millionen Dollar) und die "Hella Mega Tour" der amerikanischen Rockbands Green Day, Fall Out Boy und Weezer (67,3 Millionen Dollar). "Diese Summen durch ausverkaufte Arenen können im Streaming nicht ansatzweise erreicht werden", sagt Herberger.

Für ihre Tour vor zwei Jahren haben die Stones 516.624 Tickets verkauft. Seit 2018 summieren sich die Konzertkarten laut Pollstar auf 22 Millionen. Damit kassierte die Band der Publikation zufolge seitdem insgesamt über zwei Milliarden Dollar. Allein im vergangenen Sommer verdienten die britischen Rocker mit einer 15-Städte-Tournee durch Europa mehr als 8,5 Millionen Dollar - pro Abend. Das macht 127,5 Millionen Dollar an Einnahmen.

Bandmitglieder haben ein Vermögen angehäuft

Dazu kommen die Erlöse aus den physischen Verkäufen. Das letzte Album "Blue & Lonesome" verkaufte sich allein in der ersten Woche 106.000 Mal und debütierte auf Platz 1 der britischen Albumcharts. Außer in Großbritannien und Deutschland stand es in über einem Dutzend anderer Länder auf Platz eins der Albumcharts und wurde in mehreren Ländern mit Gold oder Platin ausgezeichnet. 

Mit ihren Erfolgen sollen Frontman Mick Jagger und Gitarrist Keith Richards, die einen Großteil der Songs geschrieben haben, jeweils ein Vermögen von rund 445 Millionen Euro angehäuft haben. Der 2021 verstorbene Drummer Charlie Watts, der noch auf zwei der zwölf neuen Songs zu hören ist, soll 221 Millionen Euro besessen haben. Mit geschätzten 177 Millionen Euro liegt Gitarrist Ronnie Wood hinter seinen Bandkollegen.

Finanziell haben die Rolling Stones ein neues Album also definitiv nicht mehr nötig. Doch seit der letzten eigenen Komposition gab es lediglich vereinzelt neue Songs, darunter die Pandemie-Single "Living In A Ghost Town". "Hackney Diamonds" ist somit schon jetzt eine Rock'n'Roll-Sensation - gerade auch angesichts des fortgeschrittenen Alters der Musiker. Gemeinsam haben Frontman Mick Jagger (80), Gitarrist Keith Richards (79) und Ronnie Wood (76) 235 Jahre auf dem Buckel.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete "Brisant" am 06. September 2023 um 17:15 Uhr.