Bundesbankpräsident Joachim Nagel

Inflation in der Eurozone Bundesbankchef hält Zinssenkungen für verfrüht

Stand: 28.11.2023 12:17 Uhr

Bundesbank-Präsident Joachim Nagel warnt davor, die Zinsen in der Eurozone zu früh zu senken. Zuletzt hatte auch die EZB-Chefin Christine Lagarde von einer anhaltenden Inflationsgefahr gesprochen.

Für Bundesbankchef Joachim Nagel käme eine Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) zum jetzigen Zeitpunkt noch zu früh. Trotz des jüngsten Rückgangs der Inflation wäre es verfrüht, die Leitzinsen bald zu senken oder über solche Schritte zu spekulieren, sagte Nagel auf einer Veranstaltung der Notenbank von Zypern in Nikosia. Die wesentlichen Auswirkungen der jüngsten geldpolitischen Straffung auf die Inflation müssen sich nach Einschätzung des EZB-Ratsmitglieds erst noch zeigen.

Die Währungshüter hatte den Leitzins im Oktober zwar nicht weiter angehoben, zuvor aber zehn Zinserhöhungen in Folge vorgenommen, um die hohe Inflation im Währungsraum in den Griff zu bekommen. Aktuell liegt der Leitzins der EZB bei 4,5 Prozent. Zuletzt war die Teuerung in der Eurozone von 4,3 Prozent im September auf 2,9 Prozent im Oktober gefallen. Den Höchstwert hatte die Inflationsrate im Oktober 2022 mit 10,6 Prozent erreicht.

"Es liegt noch eine Reise vor uns"

Bundesbankchef Nagel hatte in den vergangenen Monaten mehrfach auf die Risiken einer weiter hartnäckig hohen Inflation hingewiesen und in diesem Zusammenhang von einem "gierigen Biest" gesprochen, das noch nicht besiegt sei. "Obwohl die Inflation in den vergangenen Monaten deutlich gesunken ist, können wir nicht davon ausgehen, dass der Rückgang anhalten wird", warnte Nagel.

Der positive Effekt gesunkener Energiepreise habe sich abgeschwächt, die Inflation liege nach wie vor über dem von der EZB angestrebten Zielwert von mittelfristig zwei Prozent. Der Weg dürfte holprig werden.

Auch nach Einschätzung der EZB-Präsidentin Christine Lagarde ist die Inflationsgefahr noch nicht überwunden. Es sei nicht die Zeit, den Sieg über die Inflation zu verkünden, hatte Lagarde vergangene Woche gesagt. Die Zentralbankchefin verwies aber auch auf die steigenden Löhne und deren mögliche Auswirkungen auf die Preisentwicklung. "Es liegt noch eine Reise vor uns", so Lagarde.

Märkte zu optimistisch?

Belgiens Notenbankchef Pierre Wunsch, der auch dem EZB-Rat angehört, hatte jüngst sogar eine weitere Leitzinserhöhung durch die EZB nicht ausgeschlossen. Die Märkte nähmen eine "optimistische" Sichtweise ein, wenn sie derzeit keine weitere Anhebung mehr erwarteten und sogar auf eine erste Zinssenkung im April kommenden Jahres spekulierten, sagte Wunsch der Finanznachrichtenagentur Bloomberg.

"Vertreter der US-Notenbank und der Europäischen Zentralbank waren zuletzt bemüht, Marktteilnehmer davon zu überzeugen, dass die Geldpolitik für eine längere Zeit ausreichend restriktiv sein muss und Zinssenkungen derzeit nicht zur Debatte stehen", beobachten die Marktexperten der Helaba. Trotzdem würden erste Schritte spätestens zur Mitte nächsten Jahres erwartet. "Ob dies voreilig ist, hängt zum großen Teil davon ab, ob sich der disinflationäre Trend fortsetzt und die Währungshüter darauf verweisen können, dass sich die Inflation dem Zielwert nähert", so die Einschätzung der Helaba.