EU reagiert auf Betrug durch VW Abgaswerte 50 Prozent über Labor

Stand: 28.10.2015 19:35 Uhr

Seitdem der Abgastest-Betrug von VW aufgeflogen ist, steht auch die Politik unter Druck. Nun entschied die EU, dass insbesondere Diesel-Autos künftig auf der Straße und nicht mehr im Labor getestet werden sollen. Umweltschützer sind dennoch enttäuscht.

Anlässlich der Volkswagen-Affäre haben sich Experten der EU-Staaten auf Rahmenbedingungen für die Einführung neuer Abgastests bei Dieselfahrzeugen verständigt. Die Werte sollen künftig bei Straßentests gemessen werden. Nach Ansicht von Experten ist damit Betrug bei den Abgaswerten schwieriger machbar als im Labor. VW hatte Diesel-Fahrzeuge so manipuliert, dass sie im Labor bessere Werte als im normalen Fahrbetrieb ergaben.

Die Werte bei Dieselfahrzeugen dürfen künftig um 50 Prozent höher sein als im Labor. Damit werden die Regeln zwar strenger als bisher, aber weniger scharf als von der EU-Kommission ursprünglich geplant. Die Brüsseler Behörde wollte nur Abweichungen von weniger als 20 Prozent zwischen Straßen- und Labortests zulassen. Mit dem Votum der Experten ist die Entscheidung im Prinzip gefallen, das Europaparlament und die EU-Staaten haben aber noch Prüfrechte.

Straßentests ab 2017

Die EU-Entscheidung sieht vor, dass die Straßentests für neue Fahrzeugtypen ab dem 1. September 2017 verpflichtend sind und für alle neu zugelassenen Fahrzeuge ab dem 1. September 2019. Dann darf der gemessene Stickoxid-Ausstoß aber noch um das 2,1-fache über dem Laborwert liegen.

Die Übergangsphase endet dann am 1. Januar 2020 für neue Fahrzeugtypen und am 1. Januar 2021 bei allen neu zugelassenen Autos. Danach dürfen die Überschreitungen auf der Straße das 1,5-Fache betragen - Diplomaten zufolge gilt dies "dauerhaft".

Eine "äußerst ambitionierte" Entscheidung

Der Präsident des deutschen Branchenverbands VDA, Matthias Wissmann, bezeichnete die Entscheidung als "äußerst ambitioniert". Die vereinbarten Werte stellten Automobilhersteller und Zulieferer vor große technische und wirtschaftliche Herausforderungen. Er kritisierte, dass es bisher keine Folgenabschätzung der geplanten Maßnahmen für die Wettbewerbsfähigkeit der Automobilindustrie gegeben habe.

Harsche Kritik von Umweltschützern und Grünen

Die Umweltorganisation Transport and Environment beklagte, die Autobauer müssten nun zwar besser werden, aber die schon in der Vergangenheit festgelegten Schadstoff-Obergrenzen gelten weiterhin nur für Labortests. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms, sprach deshalb von einer zynischen Entscheidung: "Europäische Automobilhersteller werden für ihre Dreistigkeit belohnt, keine Anstrengungen zu unternehmen, die europäischen Regeln einzuhalten und ihre Fahrzeuge zu verbessern." Die Fraktion wolle rechtliche Schritte prüfen, sagte ihr Kollege Martin Häusling.

Greg Archer von Transport and Environment betonte: "Stickoxid-Verschmutzung, vor allem aus Dieselautos, verursacht frühzeitige Todesfälle, Asthma und Geburtsfehler." Es sei schockierend, "dass die Regierungen so darauf versessen sind, Autobauern zu gefallen und die gesundheitlichen Folgen dieses unsichtbaren Killers ignorieren".

Auch Greenpeace kritisierte, die Entscheidung schädige nicht nur die Umwelt, sondern gefährde auch die Gesundheit der europäischen Bürger. "Politiker schmeicheln sich weiter bei Lobbyisten ein, die klar für Herzinfarkte, Asthma und unumkehrbare Schäden am Klima verantwortlich sind", erklärte der Energieexperte der Organisation, Jiri Jerabek. Er verwies darauf, dass das EU-Parlament "den Deal noch immer zurückweisen kann". Dafür liegen die Hürden allerdings hoch.