Blick in einen Fleischverarbeitenden Betrieb

Kabinettsbeschluss Strenge Regeln und Verbote für Fleischbranche

Stand: 20.05.2020 13:58 Uhr

Die Corona-Krise zeigt: Die Arbeitsbedingungen in großen Schlachtbetrieben sind oft miserabel. Jetzt reagiert das Kabinett mit strengeren Auflagen und Verboten. Die Fleischindustrie fühlt sich diskriminiert.

Das Bundeskabinett hat nach den jüngsten Corona-Ausbrüchen in der Fleischindustrie ein Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassungen in der Branche beschlossen. Es soll vom kommenden Jahr an in Kraft treten. In der Kabinettsvorlage heißt es:

Ab dem 1.1.21 soll das Schlachten und die Verarbeitung von Fleisch in Betrieben der Fleischwirtschaft [...] nur noch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des eigenen Betriebes zulässig sein. Damit wären Werkvertragsgestaltungen und Arbeitnehmerüberlassungen nicht mehr möglich. [...] Für Betriebe des Fleischerhandwerks ist eine gesonderte Betrachtung möglich. [...]

Schärfere Kontrollen und hohe Bußgelder

Im Klartext bedeutet das, dass keine Leiharbeiter mit Werkverträgen - auch keine aus Billiglohnländern - mehr zum Einsatz kommen dürfen. Betroffen sein werden lediglich Unternehmen, deren Kerngeschäft das Schlachten und die Fleischverarbeitung sind, also vor allem Großbetriebe. Das Fleischerhandwerk mit seinen vielen kleinen Betrieben bleibt von der Neuregelung ausgeschlossen.

Damit die neuen Vorschriften in der Branche auch eingehalten werden, soll es schärfere und häufigere Kontrollen geben. Wie aus Regierungskreisen verlautete, sollen die Arbeitgeber auch zu einer digitalen Arbeitszeiterfassung verpflichtet werden. Das Bußgeld für Arbeitszeitverstöße wird laut Kabinettsentwurf auf bis zu 30.000 Euro verdoppelt.

Heil: "Keine Toleranz"

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) betonte, für ein Geschäftsmodell, das Ausbeutung und eine Ausbreitung von Pandemien in Kauf nehme, könne es in Deutschland keine Toleranz geben. Er setzte darauf, dass bisher ausgelagerte Beschäftigte nun schrittweise direkt angestellt werden.

Bundesagrarministerin Julia Klöckner unterstützt das Vorgehen. Sie sagte, in der Fleischindustrie gebe es Zustände, die "nicht haltbar" seien. Die Betriebe könnten die Verantwortung nicht einfach auslagern und "sich hinter Subunternehmen wegducken". Die CDU-Politikerin forderte Arbeitsminister Hubertus Heil von der SPD auf, ein Gesetz vorzulegen, das rechtssicher sei.

Fleischindustrie: Willkür und Diskiminierung

Die Fleischindustrie reagierte empört: "Das Verbot von Werkverträgen zur Erledigung bestimmter Tätigkeiten in Fleischbetrieben, die eine bestimmte Größenordnung überschreiten, ist eine willkürliche Diskriminierung." Es bleibe abzuwarten, wie dies in einem Gesetz umgesetzt werden solle und ob eine solche Regelung Bestand haben könne."

Der Verband habe seinerseits ein Fünf-Punkte-Programm für Verbesserungen vorgelegt. Bei einem Verbot der Anheuerung von Subunternehmen drohten gravierende wirtschaftliche Schäden, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Verbands der Fleischwirtschaft, Heike Harstick, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Große Teile der Fleischproduktion würden dann ins Ausland abwandern.

Geflügelwirtschaft: "Genauer hinschauen"

Zuvor hatte die Geflügelwirtschaft gewarnt, Werkverträge allein für die Fleischindustrie zu verbieten, sei verfassungswidrig. Solche Verträge gebe es auch in der anderen Branchen. Verbandspräsident Friedrich-Otto Ripke verwies im rbb darauf, dass solche Vertragswerke in anderen Branchen zulässig seien. Der Fleischbranche würde damit benachteiligt und diskriminiert.

In der Geflügelwirtschaft herrschten bereits gute Bedingungen herrschten, so Ripke: "Das heißt, wir haben deutsche Krankenversicherungen, auch Lohnfortzahlungen schon. Das haben sicherlich nicht alle. Da kann man ja auch genauer hinschauen." Hier sollte die Spreu vom Weizen getrennt werden. Es gelte, nur die schwarzen Schafe und nicht alle durch strengere Regeln zu treffen, so Ripke.

Corona fördert Missstände zutage

Hintergrund sind die Corona-Ausbrüche in mehreren Fleischfabriken in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein. Hier hatten sich zuletzt mehr als 600 Mitarbeiter mit dem Coronavirus infiziert. Als Ursache wurden die in der Fleischindustrie verbreiteten Sammelunterkünfte für osteuropäische Arbeiter und schlechte Hygienestandards ausgemacht. In der deutschen Fleischwirtschaft sind etwa 200.000 Mitarbeiter beschäftigt.

"Dubiose Vertragsstrukturen"

Bundesarbeitsminister Heil hatte bereits vor der Kabinettssitzung klar gemacht, strukturelle Probleme der Fleischindustrie seien trotz verschiedener Anläufe nicht behoben. Dazu gehörten Überbelegung und Wuchermieten bei Unterkünften, Verstöße gegen Corona-Hygieneregeln, den Mindestlohn und Arbeitszeitvorgaben.

Diese Missstände seien in der Corona-Krise zu einem "gefährlichen Gesundheitsrisiko" für die Beschäftigten und die gesamte Bevölkerung geworden. Eine Wurzel des Übels seien dubiose Vertragsstrukturen mit Subunternehmern, die auch Kontrollen unmöglich machten. "Da wird organisiert Verantwortung abgewälzt, so dass niemand mehr verantwortlich gemacht werden kann", erklärte Heil.