Nordrhein-Westfalen, Heinsberg: Ein Desinfektionsmittelspender hängt im Johannes-Sondermann-Haus des AWO Altenzentrums während im Hintergrund Seniorinnen spielen.

Coronavirus Jetzt geht es um den Schutz der Älteren

Stand: 14.03.2020 10:32 Uhr

Besuchsverbote in Altenheimen, weniger Bürokratie zur Entlastung der Heimmitarbeiter und Appelle, Kinder nicht von Großeltern betreuen zu lassen: Deutschland fährt die "Schutzstrategie für Risikogruppen" hoch.

Angesichts der steigenden Zahlen von Coronavirus-Infizierten in Deutschland wird der Schutz von Risikogruppen immer wichtiger. Ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen haben ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf in Folge einer Infektion. Daher gehört die "Schutzstrategie vulnerabler Gruppen" - also Risikogruppen - auch zu den Maßnahmen, die das Robert-Koch-Institut nach der Eindämmungsstrategie zur Bekämpfung der Epidemie empfiehlt.

Mehrere Bundesländer haben bereits reagiert und Besuche in Altenheimen untersagt oder zeitlich beschränkt. Dazu zählen etwa Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hessen. Einzelne Heime haben jedoch auch eigene Regulierungen. Menschen, die aus Risikogebieten zurückkehrten, wird ein Besuch vielerorts untersagt.

Pflege-TÜV wird ausgesetzt

Um das Personal in den Heimen zu entlasten, wird zudem die regelmäßige Qualitätsprüfung für den sogenannten Pflege-TÜV zunächst bis Ende Mai ausgesetzt. "Pflegebedürftige Menschen bedürfen in ganz besonderer Weise der umfassenden Betreuung und Versorgung, da müssen wir auch ungewöhnliche Wege gehen", sagte der für Pflege zuständige Vize-Chef des Kassen-Spitzenverbandes, Gernot Kiefer, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Normalerweise überprüft der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) regelmäßig vor Ort, wie die Heimbewohner versorgt werden. Aus diesen Informationen und Daten, die die Pflegeheime selbst liefern, werden umfassende Prüfberichte erstellt. Die Kontrollen binden jedoch Pflegekräfte, was nun durch die Aussetzung verhindert wird. "Alle schauen zu Recht auf die Akutversorgung im Krankenhaus und bei den Ärzten, aber wir müssen auch die ambulante und stationäre Altenpflege stabilisieren", sagte Kiefer.

Ein Aushang an der Tür eines Altenheims im Kreis Heinsberg.

In einem Aushang an der Tür appelliert ein Altenheim im Kreis Heinsberg an Angehörige, von Besuchen abzusehen.

"Weniger Bürokratie und mehr Entlastung"

Weniger Bürokratie und mehr Entlastung forderte auch der Bundesverband der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen (BKSB). "In dieser drastischen Situation müssen wir die Rahmenbedingungen lockern", sagte dessen Chef, Dieter Bien, der Nachrichtenagentur dpa. Personalvorgaben wie die Fachkraftquote solle man zurückstellen, forderte Bien. Auch die Pflegeberichte könnten aus Sicht des Verbandes abgespeckt werden. "Es ist jetzt oberstes Gebot, die Grundversorgung der alten Menschen sicherzustellen."

Schulschließungen, die wie alle anderen Menschen mit Kindern auch Mitarbeiter in Heimen betreffen, stellen diese laut Bien vor Herausforderungen. "Denn das A und O ist, dass das Personal bleibt und arbeitsfähig bleibt." Da würden nur ungewöhnliche Lösungen helfen - zum Beispiel eine Mitarbeiterin zur Betreuung der Kollegen-Kinder in einem separaten Raum des Heims einzusetzen.

Zuvor hatte auch schon Bundesfamilienministerin Franziska Giffey auf die Probleme hingewiesen, die flächendeckende Schulschließungen mit sich bringen. So würden nicht zuletzt auch in der Pflege Mitarbeiter fehlen, die ihre Kinder betreuen müssten, sagte sie der "Rhein-Neckar-Zeitung". "Häufig springen die Großeltern bei der Betreuung ein. Damit würden die Älteren gerade aber umso mehr gefährdet", warnte sie.

Caritas warnt vor Vereinsamung

Angesichts eingeschränkter Besuche und Kontakte in Pflegeheimen und im privaten Bereich warnte die Caritas von einem "Einsamkeitsrisiko". Caritas-Sprecherin Mathilde Langendorf rief gleichzeitig dazu auf, sich für Menschen in der Nachbarschaft zu engagieren. "Die verschiedenen Einrichtungen und Angebote der Caritas benötigen freiwillige Helfer mehr denn je", sagte sie. Als Vorbild nannte sie eine Reihe privater Hilfsinitiativen - so etwa diverse Gruppen in sozialen Netzwerken, in denen Menschen anderen ihre Unterstützung zum Beispiel beim Einkaufen anbieten. "Manche hängen auch einen Zettel im Treppenhaus aus", lobte Langendorf.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 14. März 2020 um 09:00 Uhr.