Lage in der Ukraine Schwere Kämpfe vor dem Krisengipfel

Stand: 10.02.2015 13:58 Uhr

Einen Tag vor dem Krisengipfel wird in der Ostukraine weiter erbittert gekämpft. Mehrere Menschen wurden getötet - unter anderem bei einem Raketenangriff in Kramatorsk. Kanzlerin Merkel und US-Präsident Obama setzen vorerst auf Diplomatie - Moskau startete ein Militärmanöver.

Das ukrainische Militär hat in der Nähe der strategisch wichtigen Stadt Mariupol nach Angaben des nationalen Sicherheitsrats eine Offensive gegen die prorussischen Rebellen begonnen. Sicherheitsratssekretär Alexander Turtschinow sei selbst in der Region, um die Truppen der Nationalgarde zu führen, teilte der Nationale Sicherheitsrat in Kiew mit. Auch das nationalistische Freiwilligenregiment Asow beteiligte sich nach eigener Darstellung an dem Vorstoß. Prorussische Kämpfer seien aus mehreren Dörfern bei Mariupol vertrieben worden.

Mariupol liegt zwischen der russischen Grenze und der von Russland annektierten Halbinsel Krim. In der Stadt waren Ende Januar bei einem Raketenangriff mehr als 30 Menschen getötet worden. Die NATO-Staaten machen dafür prorussische Separatisten verantwortlich und befürchtet, dass die Aufständischen die Stadt sturmreif schießen wollen. Dann könnte ein Landkorridor zwischen Mariupol und der Krim entstehen.

Rebellen erobern Knotenpunkt bei Debalzewe

Auch die prorussischen Rebellen verzeichneten militärische Erfolge: Rebellensprecher Eduard Bassurin sagte, die Aufständischen hätten den Eisenbahnknotenpunkt in der Stadt Debalzewe eingekreist. Debalzewe liegt zwischen Donezk und Lugansk, die beide von prorussischen Kämpfern gehalten werden. Die Stadt sei jetzt von einer wichtigen Nachschublinie abgeschnitten.

Der ukrainische Militärsprecher Wladislaw Selesnew sagte in Kiew, seit Montag seien mindestens sieben Soldaten und fünf Zivilisten getötet worden. Allein in Debalzewe seien drei Zivilisten gestorben. Aus Donezk meldeten die Rebellen zwei getötete Polizisten.

Raketenangriff in Kramatorsk

In Kramatorsk wurden nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko mehrere Raketen auf das Hauptquartier der Armee abgefeuert. Nach Polizeiangaben wurden in angrenzenden Wohngebieten mindestens sechs Menschen getötet. Kramatorsk liegt am Rande des Konfliktgebiets in der Ostukraine und steht eigentlich fest unter der Kontrolle der Regierungstruppen. Die prorussischen Separatisten erklärten der Nachrichtenagentur Ria zufolge, sie seien nicht für den Angriff verantwortlich.

Russland startet Manöver

Einen Tag vor dem Ukraine-Krisengipfel in Minsk begann zudem Russland laut der Agentur Interfax ein Militärmanöver in Südrussland. Rund 2000 Soldaten seien daran beteiligt. Auch auf der von Russland annektierten Krim hätten mehr als 600 Soldaten eine Militärübung gestartet, meldete die Nachrichtenagentur Ria unter Berufung auf die Schwarzmeerflotte. Russlands südlicher Militärbezirk grenzt an die Ukraine.

Krisengipfel in Minsk

Am morgigen Mittwoch soll in der weißrussischen Hauptstadt bei einem Gipfel mit Kanzlerin Angela Merkel und den Präsidenten Petro Poroschenko (Ukraine), Wladimir Putin (Russland) und François Hollande (Frankreich) ein neuer Waffenstillstand ausgehandelt werden. Das Treffen gilt als entscheidend für die Zukunft der Ukraine.

Dass es zustande kommt, ist noch nicht garantiert. Denn die Positionen scheinen verhärteter denn je. Unter anderem werfen die EU und die NATO Russland vor, die Separatisten militärisch zu unterstützen. Russland weist die Anschuldigungen zurück - und verschärfte noch einmal seinen Ton gegenüber den Verhandlungspartnern: Russland werde trotz des "gegenwärtig schwierigen internationalen Umfeldes" eine unabhängige Außenpolitik betreiben, schrieb Putin in einem Telegramm an Diplomaten. "Wir können garantieren, dass die Russische Föderation an einer unabhängigen Außenpolitik festhält, egal wie viel Druck auf uns ausgeübt wird." Die fundamentalen Interessen des russischen Volkes würden "entsprechend der globalen Sicherheit und Stabilität" verfolgt.

Warum Minsk?

Die weißrussische Hauptstadt Minsk ist traditionell kein Schauplatz diplomatischer Bemühungen - doch in der Ukraine-Krise haben sich von Anfang an unter Vermittlung der OSZE die Konfliktparteien dort getroffen. Minsk gilt für Russen und Ukrainer als neutrales Gebiet. Alternative Tagungsorte etwa in Westeuropa scheiden de facto auch deshalb aus, weil führende Vertreter der prorussischen Aufständischen mit Reiseverboten belegt sind.

Der wegen gravierender Menschenrechtsverstöße kritisierte, autoritär regierende weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko hat einen guten Draht zu Kremlchef Wladimir Putin und zum ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. Im Ukraine-Konflikt hat er sich früh als Vermittler angeboten. Von seinem Engagement erhofft er sich laut Beobachtern internationale Aufmerksamkeit, die der mit Sanktionen aus EU und USA belegte Staat sonst wohl nicht bekommen würde.

Merkel und Obama setzen auf Diplomatie - vorerst

Am Montag hatte US-Präsident Barack Obama erklärt, die internationale Isolierung Russlands könne noch zunehmen, sollte Putin seinen Kurs in der Ukraine-Krise nicht ändern. Merkel sagte auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Obama, falls die diplomatischen Anstrengungen scheitern sollten, würden die USA und die Europäische Union Konsequenzen prüfen.