Blick auf Plymouth

Labour-Wahlkampf Klinkenputzen in Plymouth

Stand: 11.12.2019 18:44 Uhr

Viele traditionelle Wähler haben sich in den vergangenen Jahren von Labour abgewendet. In der Stadt Plymouth zeigen sich die Gründe. Mit Wahlkämpfer Bradshaw auf Tour.

In Großbritannien wird Wahlkampf direkt an der Haustür gemacht, und eigentlich liebt es Ben Bradshaw, mit den Wählern direkt ins Gespräch zu kommen. Aber die Jahreszeit drückt hörbar auf die Stimmung.  

Kälte, Nässe, Dunkelheit - den Wahlkampfteams verlangt das viel ab. Immerhin: Es sei ein echtes Fitnessprogramm, meint Bradshaw, der bei seinen Rundgängen von Tür zu Tür rund 20 Kilometer pro Tag zurücklegt. Bradshaws eigener Wahlkreis ist Exeter - den hat er aber so gut wie sicher, während es für seinen Kollegen Luke Pollard im Wahlkreis Plymouth, Sutton and Devonport eng werden könnte. Deshalb ist Bradshaw jetzt in Plymouth unterwegs.

Vorbehalte gegen Parteichef Corbyn

Viele traditionelle Labour-Wähler wenden sich ab, weil sie Vorbehalte gegen Parteichef Jeremy Corbyn haben. Corbyn tue zu wenig gegen die antisemitische Strömung in der Partei, heißt es. Er sei zu radikal und setze sich zu wenig für die Belange der Streitkräfte ein.

Letzteres ist gerade in Plymouth ein Thema, denn zur Stadt gehört die Marinebasis Devonport, ein Flottenstützpunkt der Royal Navy. Bradshaw argumentiert in solchen Fällen nicht. Er verweist nur darauf, dass sein Kollege Luke Pollard gute Arbeit gemacht habe. Dann geht er weiter zur nächsten Haustür. Auffallend viele Häuser haben keine Klingel. Man muss entweder klopfen oder aber - wie Bradshaw - mit der Klappe vom Briefkastenschlitz Lärm machen.

Mehrheitlich für EU-Austritt gestimmt

In diesem Stadtteil mit sozialem Wohnungsbau stehen in manchen Straßen von Anfang bis Ende die gleichen tristen Reihenhäuser. Eigentlich eine Gegend, in der Labour punkten müsste. Aber nicht nur der umstrittene Parteichef ist eine Bürde für die Wahlkämpfer, sondern auch der Brexit. Die Bevölkerung in Plymouth hat 2016 mehrheitlich für den EU-Austritt gestimmt.

Der 76-jährige Barry, der sich vor seinem Haus mit einem Nachbarn unterhält, findet da klare Worte: "Es gab eine einmalige Wahl und das Ergebnis war, die EU zu verlassen - egal, was die Leute jetzt denken", sagt er. "Du hast keine Demokratie, wenn du nicht das befolgst, was die Bevölkerung dir aufgetragen hat zu tun." Barry will kein zweites Referendum, wie es Labour verspricht. Er will den Brexit. Er hat seine Stimme schon per Briefwahl abgegeben und Boris gewählt, wie er sagt, also die Konservativen.

Nicht überall lohnt sich das Werben

An die Tür von Barry wird Bradshaw nicht klopfen. Er weiß aus umfangreichen Befragungen, wo sich Werbung für Labour lohnt und wo nicht.

Imke Köhler, Imke Köhler, ARD London, 11.12.2019 17:36 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtet ein "Weltspiegel extra" um 22:45 Uhr im Ersten.