Flüchtlingspolitik Österreichs Faymanns Wandlungen

Stand: 03.03.2016 19:17 Uhr

Ausdrücklicher Dank an die Kanzlerin - so äußerte sich Österreichs Kanzler Faymann noch im September in Berlin. Von dieser Haltung ist nichts geblieben. Inzwischen zählt Faymann zu den schärfsten Kritikern von Merkels Flüchtlingspolitik.

Es ist noch gar nicht so lange her, da schien in der Flüchtlingspolitik kaum ein Blatt zu passen zwischen Angela Merkel und Werner Faymann. Genau wie die Unionskanzlerin aus Deutschland sprach sich auch der SPÖ-Kanzler aus Österreich vehement gegen Zäune an Europas Grenzen aus: "Zäune lösen das Problem nicht. Wer das vorspielt, streut den Menschen Sand in die Augen."

Und Obergrenzen für Flüchtlinge? Nein, sagte Faymann noch im Dezember: Die seien praktisch doch überhaupt nicht durchzusetzen. Wenn man einen "kleinen Maxistrich bei der Zahl 7834" mache, was sage man dann dem Flüchtling Nummer 7835? Er solle doch vor der Grenze sitzen bleiben? "Eine andere Art von Obergrenze als die durch ganz konkrete politische Maßnahmen", so Faymann, "kann es ja gar nicht geben".

Umdenken innerhalb weniger Wochen

Kann es doch, meint derselbe Faymann wenige Wochen später. Ende Januar legt die Regierungskoalition in Wien nämlich genau das fest: eine Obergrenze von 37.500 Flüchtlingen. Mehr will Österreich in diesem Jahr auf keinen Fall aufnehmen.

Man müsse bei der Frage, wie viele Flüchtlinge das Land aufnehmen, folgende Aspekte berücksichtigen: "Wir brauchen für die Gemeinden und Städte für unser Land ausreichend Wohnraum. Wir brauchen ausreichend Möglichkeiten, Ausbildungsqualifikationen, letztendlich Arbeit."

Der Schwenk ist damit vollzogen: Außer diesem Jahreslimit beschließt Österreich auch scharfe Kontrollen entlang der gesamten Südgrenze und will dort auch nur noch maximal 80 Asylanträge pro Tag annehmen.

Europäische oder österreichische Interessen

Faymann gibt offen zu, dass sein Kurswechsel in Deutschland auf wenig Gegenliebe stößt. "Es ist sicher keine Freude, aber ich habe unseren Standpunkt erklärt, und dazu bin ich da. Ein österreichischer Bundeskanzler muss sowohl die europäische Lösung im Auge haben, das ist eine faire Verteilung, als auch die österreichischen Interessen und die heißt, wir können das nicht alleine tragen."

Dass Faymann diese "österreichische Interessen" nun so stark betont, liegt am Druck von vielen Seiten: Die Skepsis in der Bevölkerung wächst, da Österreich in der Tat mehr Flüchtlinge pro Kopf aufgenommen hat als die meisten anderen Staaten in Europa.

Der Koalitionspartner will eine härtere Gangart

Zugleich drängt Faymanns konservativer Koalitionspartner ÖVP schon lange auf eine härtere Gangart. Und beide Regierungsparteien spüren die rechtspopulistische FPÖ im Nacken, die nicht zuletzt wegen des Flüchtlingsthemas inzwischen stärkste Partei in den Umfragen ist und auf mehr als 30 Prozent kommt.

Außerdem betont Faymann immer wieder eine Sorge: dass nämlich irgendwann auch Deutschland seine noch weitgehend offenen Grenzen schließen könnte und Flüchtlinge dann in Österreich festsitzen. "Wenn aber eine halbe Million Menschen nach Österreich kommt, weil sie glauben, sie können nach Deutschland weiter, dann ist Österreich ein Wartezimmer in der Doppelmühle, durchgewunken auf der einen Seite, gestoppt auf der anderen."

Christoph Peerenboom, C. Peerenboom, ARD Wien, 03.03.2016 17:43 Uhr

Konferenz ohne Griechen

Vergangene Woche lädt die österreichische Regierung schließlich neun Balkan-Staaten zu einer Konferenz nach Wien ein. Beschlossen wird, den Andrang von Flüchtlingen auf der so genannten Balkanroute deutlich zu verringern.

Dass aus Athen niemand mit am Tisch sitzt, hat wohl einen Grund. Denn als kurz darauf Mazedonien, nicht zuletzt auf österreichischen Druck hin, seine Grenze weitgehend dicht macht, wird tatsächlich Griechenland zum Haupt-Leidtragenden des Rückstaus.

An den dramatischen Zuständen dort will Österreich allerdings nicht mit Schuld sein. Auf entsprechende Kritik aus Berlin reagiert Faymann mit einem Gegenangriff: Deutschland könne Flüchtlinge ja auch direkt aus Griechenland herausholen, so lautet seine jüngste Forderung.

Faymann scheint Gefallen gefunden zu haben an seiner Rolle als harter Kanzler in der Flüchtlingspolitik. Und so wird er der deutschen Kanzlerin wohl noch öfter widersprechen und deren Motto einfach umdrehen: "Nein, das schaffen wir nicht "

Dieses Thema im Programm: Dieser Beitrag lief am 03. März 2016 um 05:13 Uhr im Deutschlandfunk.