Einsatz einer französischen Caesar-Haubitze in der Ukraine (Archivbild)

Frankreichs Militärhilfe für die Ukraine Die geizige Großmacht

Stand: 09.12.2023 17:06 Uhr

Frankreich ist einer der größten Geldgeber für die europäischen Ukraine-Hilfen. Bei den Hilfen für das Militär hält sich das Land jedoch zurück - obwohl es sich als Europas erste Militärmacht sieht.

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat seine Position oft wiederholt: "Russland kann und darf den Krieg nicht gewinnen. Solange es angreift, müssen wir die militärische Unterstützung aufrechterhalten, die für die Zukunft der Ukraine notwendig ist." 

Allerdings liefert sein Land bisher deutlich weniger militärisches Material als viele andere. So gab es zum Beispiel bislang keine "Leclerc"-Kampfpanzer für die Ukraine. Macron hatte sich im Januar zu dieser Frage geäußert: "Was die Lieferung von 'Leclerc'-Panzern angeht: Nichts ist ausgeschlossen."

Dafür gebe es jedoch drei Voraussetzungen, so Macron. "Diese Lieferungen dürfen erstens nicht zu einer Eskalation beitragen und müssen zweitens eine reelle und effektive Hilfe für die Ukraine sein. Bei dieser Frage ist auch entscheidend, wie aufwendig die in der Wartung sind und wie lange es dauert, die ukrainische Armee daran auszubilden. Und drittens dürfen Lieferungen nicht unsere eigene Verteidigungsfähigkeit gefährden."

Kaum noch funktionierende Waffen übrig

Und genau hier liegt das Problem: Von den insgesamt gut 400 "Leclercs" der französischen Armee sind nur rund die Hälfte einsatzbereit, schätzen Militärexperten. Die andere Hälfte dient als Ersatzteillager. Frankreich hat einfach nicht allzu viel übrig, das es abgeben könnte.

Das liege auch daran, wie Frankreich in den letzten Jahren seine Bestände verwaltet habe, erklärt Militärexperte Léo Péria-Peigné im Magazin Médiapart: "Nach der Finanzkrise 2008/2009 gab es eine Reihe von Gesetzen, die das Militärbudget eingefroren oder sogar reduziert haben. Deshalb musste man aus Kostengründen alles loswerden, was nicht direkt und sofort nützlich war. Was vorher gelagert wurde, um auch für einen intensiven Krieg gerüstet zu sein, galt als nicht direkt brauchbar. Also ist das alles rausgeflogen."

Trotzdem hat Frankreich Waffen und militärisches Material an die Ukraine geliefert, unter anderem "Caesar"-Artillerie, Flugabwehr-Systeme des Typs "Crotale" und AMX-Spähpanzer. Laut Militärexperten sind die Engpässe in gewissen Bereichen mittlerweile aber so gravierend, dass Frankreich nicht mehr abgeben kann.

Ukraine soll französische Waffen kaufen

Das Land fährt eine neue Strategie, so wie andere europäische Staaten auch: nämlich Industriepartnerschaften mit der Ukraine. Bei einem Besuch in Kiew Ende September sagte Verteidigungsminister Sébastien Lecornu: "Wenn wir die Unterstützung für die Ukraine langfristig durchhalten wollen, dann müssen wir Frankreichs Industrie sozusagen direkt mit der ukrainischen Armee koppeln können."

Das könne auch in Zukunft von Interesse sein, so der Minister, denn "wenn der Krieg schnell vorbei ist, was ich hoffe, dann wird die Ukraine trotzdem in der Lage sein müssen, sich zu verteidigen. Und das sind auch Chancen für die französische Industrie. Sorry, das so direkt zu sagen - aber wir müssen dazu stehen." 

Soll heißen: Frankreich produziert neues Material - das Kiew dann kauft. Als Anschubfinanzierung stellt die französische Regierung dafür 200 Millionen Euro extra über ihren Ukraine-Hilfsfonds bereit. Außerdem setzt Präsident Macron auch in Sachen Ukraine auf den großen, diplomatischen Auftritt. Vergangenes Jahr hatte er eine Hilfskonferenz organisiert.

Wenig Militärhilfe von "erster Militärmacht Europas"

Dabei kam mehr als eine Milliarde Euro an Spenden für Energie- und Wasserversorgung, Medizin und Nahrungsmittel zusammen. Die militärische Hilfe bleibe vergleichsweise gering, sagt Experte Péria-Peigné - und fügt hinzu: Den Titel "erste Militärmacht Europas" habe Frankreich bisher womöglich nur gehabt, weil niemand sonst ihn für sich beansprucht habe.

 

Carolin Dylla, ARD Paris, tagesschau, 09.12.2023 16:18 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 09. Dezember 2023 um 17:05 Uhr.