Marija Gabriel und Nikolaj Denkow

Ende der Regierungskrise Bulgarien bekommt prowestliche Regierung

Stand: 22.05.2023 19:29 Uhr

In Bulgarien haben sich die beiden größten Parteien aus gegensätzlichen Lagern auf eine Regierungskoalition geeinigt. Bei der Lösung soll das Amt des Ministerpräsidenten zur Halbzeit wechseln.

Die Lösung für Bulgarien ist ziemlich ungewöhnlich: Nachdem die stärkste Fraktion, die konservative GERB, mit einer Regierungsbildung im Parlament gescheitert war, überlässt sie nun fast alle Ministerposten der zweitstärksten Fraktion - den Reformern des Antikorruptionsbündnisse aus "Wir setzen den Wandel fort" und "Demokratisches Bulgarien".

Als Gegenleistung darf die GERB-Fraktion mitregieren. Sie besetzt einen Posten im Regierungskabinett, durch GERB-Premierministerkandidatin Mariya Gabriel. Sie war bisher in Brüssel EU-Kommissarin für Bildung, Forschung und Kultur und soll nun zunächst bulgarische Vizepremier- und Außenministerin werden. Nach neun Monaten soll sie dann aufsteigen zur Regierungschefin - für weitere neun Monate.

Lösung nur für eineinhalb Jahre

Aufseiten des Reformbündnisses soll Nikolaj Denkow Regierungschef werden und dann in der zweiten Halbzeit Vizepremier. Diese Lösung ist für eineinhalb Jahre angedacht, weil Bulgarien dann voraussichtlich der Eurozone beitritt und die Karten vielleicht noch einmal neu gemischt werden.

Der bisherige Spitzenmann der Reformer, Ex-Premier Kiril Petkow, verzichtet auf das Amt des Regierungschefs. Er setzt Denkow ein, den dritten Mann seiner Partei "Wir setzen den Wandel fort". Denkow ist ein weltweit renommierter Physikochemiker. Er war Bildungsminister im früheren Kabinett Petkow und in drei Übergangsregierungen.

Festgefahrene politische Lage

Diese ungewöhnliche Lösung entstand vor dem Hintergrund einer festgefahrenen politischen Situation: In Bulgarien herrschte auch nach den fünften Parlamentswahlen in zwei Jahren wieder eine Pattsituation. Das Antikorruptionsbündnis aus "Wir setzen den Wandel fort" und "Demokratisches Bulgarien" musste nach den Wahlen Anfang April wieder einmal feststellen, dass es nicht möglich ist, eine Regierung ohne GERB zu bilden.

Das Problem: Die Reformer werfen GERB vor, aus Bulgarien einen korrupten Mafiastaat gemacht zu haben. Vor allem Ex-Langzeitherrscher Bojko Borissow sollte aus Sicht des Antikorruptionsbündnisses nicht zurück an die Macht. Nun gibt es für eineinhalb Jahre eine Art Machtteilung, bei der Borissow einfacher Parlamentsabgeordneter bleibt. Seine Kritiker werfen ihm vor, dass es ihm vor allem darum geht, sich vor Strafverfolgung zu schützen. 

Oliver Soos, ARD Wien, tagesschau, 22.05.2023 19:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 17. Mai 2023 um 09:10 Uhr.