In Teheran (Iran) zündet ein Gegner Israels eine israelische Flagge an

Iran und Israel Erzfeinde heute - das war nicht immer so

Stand: 21.10.2023 11:44 Uhr

Der Iran finanziert und rüstet seit Jahren die Hisbollah-Miliz und die Hamas aus und steht damit hinter vielen Terrorangriffen auf Israel. Dabei pflegten beide Staaten einst enge Beziehungen.

Hass und Feindschaft gegenüber Israel gehören zur politischen DNA der Islamischen Republik Iran. So vergeht fast keine offizielle Demonstration im Land ohne den Schlachtruf "Marg bar Israil" ("Tod für Israel"). Zudem zelebriert der Gottesstaat jeden letzten Freitag im islamischen Fastenmonat Ramadan den "Al-Kuds-Tag" (Jerusalem-Tag).

Dann rufen die Mullahs zur Auslöschung des "kleinen Satans" Israel (parallel zum "Großen Satan" USA) auf und sprechen ihm sein Existenzrecht ab. Denn das "zionistische Regime", schmäht Revolutionsführer Ali Khamenei, sei ein Krebsgeschwür, das aus dem Nahen Osten herausgeschnitten werden müsse.

Formal eine geschützte religiöse Minderheit

Die Feindschaft der Islamischen Republik gegenüber dem jüdischen Staat geht zurück auf Ayatollah Khomeini. Der schiitische Geistliche bezeichnete schon in den frühen 1960er-Jahren, als er noch in Iran lebte, den damaligen Schah Reza Pahlavi als einen "verkappten Juden" und "Befehlsempfänger Israels". Der Monarch pflegte nämlich enge und freundschaftliche Beziehungen zur Regierung in Jerusalem.

Während seines Exils im irakischen Nadschaf attackierte er wiederholt den Staat Israel. Hierbei sprach er oft pauschal von den Juden. Diese verbalen Angriffe sowie die Ermordung von Habib Elghanian, dem Vorsteher der jüdischen Gemeinde von Teheran, im Mai 1979 unmittelbar nach der Revolution, veranlassten immer mehr iranische Juden, das Land zu verlassen.

Ihre Zahl sank von etwa 65.000 im Jahr 1979 auf heute unter 10.000. Dabei gelten die Juden laut Artikel 13 der iranischen Verfassung als geschützte religiöse Minderheit, die sogar einen Abgeordneten im Teheraner Parlament haben.

Die Islamische Republik, so heißt es von offizieller Seite, sei zwar antizionistisch, nicht aber antisemitisch. Dass diese Redewendung im Grunde selber ein antisemitisches Stereotyp ist, wurde spätestens im Dezember 2006 bei der Teheraner "Holocaust-Konferenz" klar. Denn Ex-Präsident Mahmud Ahmadinejad hatte zu dem Treffen fast ausschließlich Leugner der Shoa geladen - darunter auch etliche aus Deutschland.

Ayatollah Khomeini kehrt im Februar 1979 aus dem Exil in Frankreich in den Iran zurück und wird bei seiner Ankunft auf dem Flughafen von Teheran gestützt, als er die Gangway hinunter schreitet

Mit der Rückkehr von Ayatollah Khomeini in den Iran im Februar 1979 änderte sich alles im Land - auch die Beziehungen zu Israel.

Geld und Waffen für antiisraelische Milizen

Dass Teheran und Jerusalem auch politische Rivalen sind, zeigte sich, als Israel 1982 in den Libanon einmarschierte. Da nämlich schickte der Iran mehrere hundert Revolutionsgardisten ins Zedernland, um die dortigen Schiiten zu schützen. Gleichzeitig wurde in der iranischen Botschaft in Damaskus die Hisbollah gegründet. Schlüsselfigur war der damalige Botschafter Ali Akbar Mohtaschemi, ein schiitischer Theologe und Parteigänger Khomeinis.

Die militärische Ausbildung nebst Waffen bekam die libanesische Schiitenmiliz über die iranischen Kuds-Brigaden, einer Eliteeinheit der Revolutionsgarden speziell für Auslandseinsätze. Mittlerweile verfügt die Hisbollah über geschätzte 140.000 Raketen, die vom Südlibanon auf Israel gerichtet sind.

Neben der Hisbollah wird auch die Hamas, der palästinensische Arm der Muslimbrüder, aus Teheran für den Kampf gegen Israel finanziell und militärisch ausgestattet. Ihre Führer sind in Teheran willkommene Gäste.

Der Feind meines Feindes

Zwar verfügen beiden Länder über die größten militärischen Kapazitäten im Nahen Osten und rivalisieren um die politische Vorherrschaft in der Region. Doch wenn es um das Bekämpfen eines gemeinsamen Feindes ging, arbeitete man auch zusammen.

So beschaffte sich Teheran im Iran-Irak-Krieg (1980-1988) immer wieder Waffen aus Israel. Denn beide Staaten wollten den irakischen Diktator Saddam Hussein ausschalten.

Auch bei der Iran-Contra-Affäre Mitte der 1980er-Jahre, als die USA undercover Waffen an die Islamische Republik lieferten, um mit den Einnahmen den Guerillakampf gegen die linksgerichtete Sandinisten-Regierung in Nicaragua zu finanzieren, soll Israel seine Finger mit im Spiel gehabt haben.

Militärparade in Teheran zur Erinnerung an den Beginn des Krieges gegen den Irak im Jahr 1980.

An den Beginn des Krieges gegen den Irak erinnert der Iran alljährlich mit einer Militärparade im September.

Es geht auch anders

Die Zeit vor der Islamischen Revolution hat gezeigt, dass man auch ganz anders miteinander kann. Damals zählte Iran zu den ersten Staaten, die Israels Existenzrecht sowie seine Unabhängigkeit 1948 anerkannten.

Israel betrachtete im Nahostkonflikt Iran als Alliierten gegenüber den arabischen Staaten, bezog reichlich Erdöl von Teheran, und beide Staaten pflegten Freundschaft zu den USA. Zudem soll Iran in sehr frühem Stadium seines Atomprogramms israelische Unterstützung erhalten haben.

Drohungen gegen Irans Atomprogramm

Doch das ist lange her. Genährt wird die gegenseitige Feindschaft heute auch durch das iranische Atomprogramm. Denn Teheran strebt - trotz anderslautender Bekenntnisse - mutmaßlich den Besitz von Kernwaffen an. Israel, das selber Nuklearmacht ist, fürchtet wegen Irans antisemitischer Hetze zum Ziel dieser Waffen zu werden und droht mit der Vernichtung der Atomanlagen.

Der Iran seinerseits hat seit 2009 einen Teil von ihnen unter die Erde verlegt, wo sie besser vor Angriffen geschützt sind. Offensichtlich rechnet man damit, dass Israel seine Drohungen wahr macht. Immerhin hat es bereits zweimal oberirdische Atomanlagen im Ausland zerstört: 1981 im Irak und 2007 in Syrien.

Zudem wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehr als ein halbes Dutzend Iraner umgebracht, die an wichtigen Positionen des Atomprogramms arbeiteten. Dass hinter diesen Morden Israels Auslandsgeheimdienst Mossad steckt, wie Gerüchte besagen, wurde von Jerusalem weder bestätigt noch dementiert.

Wäre es nach Ministerpräsident Benjamin Netanyahu gegangen, hätte es bereits einen Schlag auf Irans Anlagen gegeben. Doch 2010 stellten sich Yuval Diskin, der ehemalige Leiter des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet sowie Ex-Mossad-Chef Meir Dagan gegen den israelischen Regierungschef und verhinderten die militärische Konfrontation.

Da Netanyahu aber das iranische Atomprogramm zur Chefsache erklärt hat und Teheran seine Kapazitäten weiter ausbaut, bleibt die Lage um die Urananreicherung der Mullahs brenzlig.

Sorge vor einem Zwei-Fronten-Krieg

Doch nicht nur dort. Beobachter schauen nun mit großen Sorgen auf die Eskalation in Israel und im Gazastreifen. Nach den Terrorangriffen der Hamas könnte es nicht nur zu einer Bodenoffensive Israels kommen, sondern auch zu einem großflächigen Angriff durch die Hisbollah-Miliz im Südlibanon. Dann würde Iran definitiv zur grauen Eminenz im Hintergrund eines Zwei-Fronten-Krieges werden, dessen Folgen für die gesamte Region unabsehbar wären.

Immerhin formulierte der iranische Außenminister Anfang der Woche bei einem Treffen mit Hamas-Chef Ismail Hanija in Katar, dem Patron der Muslimbrüder, Drohungen in Richtung Jerusalem: Sollte Israel seine "Angriffe auf die wehrlose Bevölkerung des Gazastreifens fortsetzen", so Hossein Amir-Abdollahian, könne niemand garantieren, dass sich der Konflikt nicht ausweite.

In einer früheren Version war im Zusammenhang mit der Contra-Affäre von der Sandinisten-Regierung in Venezuela die Rede. Richtig ist die Sandinisten-Regierung in Nicaragua. Der Text wurde korrigiert.

Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 09. Oktober 2023 um 07:20 Uhr.