Ali Khamenei
analyse

Lage im Iran Das Dilemma des Ayatollah Khamenei

Stand: 15.04.2024 06:38 Uhr

Irans Oberstem Führer Ayatollah Khamenei geht es vor allem um eines: die Existenz der im Land unpopulären Islamischen Republik. Der Angriff auf Israel könnte sein Lebenswerk gefährden.

Der Iran hat Israel angegriffen. Doch wichtiger als ein Krieg gegen den Erzrivalen ist Teheran die Rettung der Islamischen Republik. Das weiß auch Israel.

Ayatollah Ali Khamenei ist seit fast 35 Jahren im Amt. Der iranische Theologe ist 84 Jahre alt, gilt als gesundheitlich angeschlagen und möchte, dass sein Lebenswerk - die Islamische Republik - in guten Händen ist, wenn er stirbt. Als aussichtsreichster Erbe hierfür gilt sein eigener Sohn Mojtaba.

Ob der Wunsch des sogenannten Revolutionsführers in Erfüllung gehen wird, ist alles andere als sicher. Denn spätestens seit dem Herbst 2022 - als die schweren landesweiten Proteste infolge des Todes der Kurdin Mahsa Amini begannen - ist unübersehbar, dass die Mächtigen in Teheran mit Gewalt gegen die Mehrheit der eigenen Bevölkerung regieren, die sich ein Ende der Islamischen Republik herbeisehnt.

Irans Bevölkerung ist gegen Krieg

Diese innenpolitische Stimmung dürfte ein wichtiger Grund sein, warum sich Teheran bislang nicht in die Kampfhandlungen des Nahostkrieges einmischte. Denn ein Waffengang - das weiß auch Ayatollah Khamenei - dürfte keine Zustimmung in der iranischen Bevölkerung finden und würde zudem die Islamische Republik von innen destabilisieren. Kein Wunder, dass der iranische "Revolutionsführer" stets eine aktive Teilnahme des Irans an kriegerischen Handlungen vermieden hat und die Hisbollah ihrem größten Geld- und Waffengeber zusicherte, auch alleine gegen Israel zu kämpfen.

Angriffe erzeugten Zugzwang

Mit dem 1. April und dem gezielten Angriff Israels auf die iranische Botschaft in Damaskus aber geriet Teheran unter Zugzwang. Denn an dem Ort, wo 1982 infolge des libanesischen Bürgerkrieges die Hisbollah gegründet wurde, starben sieben Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden - darunter zwei Brigadegeneräle. Da seit dem 7. Oktober mittlerweile 18 Mitglieder der Revolutionsgarden bei mutmaßlich israelischen Angriffen umgekommen sind, sah sich Ayatollah Khamenei gezwungen, doch zu den Waffen zu greifen - quasi gegen seine eigenen Bestrebungen.

Dass der Angriff Irans auf Israel am Sonntag nicht aus voller Überzeugung Khameneis geschehen sein dürfte, sondern eher eine Aktion war, um das eigene Gesicht als Führer einer starken Regionalmacht zu wahren, machen auch die Verlautbarungen deutlich, die die Islamischen Republik kurz danach machte. Noch während der Nacht hieß es, die Sache könne "als abgeschlossen betrachtet werden." Kaum ein Wort war zu hören, inwieweit die Aktion auch erfolgreich war.

Militärischer Gegenschlag befürchtet

Dass Khamenei nun wieder Ruhe findet und sich anderen Fragen widmen kann, darf bezweifelt werden. Denn er muss damit rechnen, dass Israel jetzt seinerseits einen militärischen Schlag auf Iran erwägt. Wie schon nach dem Hamas-Angriff am 7. Oktober dürfte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu dabei argumentieren, dass sein Land angegriffen worden sei und das Recht habe, sich zu verteidigen.

Sollte Israel einen Gegenschlag ausführen, kann man damit rechnen, dass dieser sehr präzise ausfallen wird. Ziele könnten Einrichtung der Revolutionsgarden ebenso sein wie Anlagen des Atomprogramms. Man wird hingegen versuchen, Schäden für die Zivilbevölkerung so klein wie möglich zu halten.

Denn seit Langem argumentiert Israel bereits, sein Ziel sei nicht die Zerstörung des Iran, sondern das Ende der Islamischen Republik - womit man sich neben die Mehrheit der iranischen Bevölkerung zu stellen versucht. Für Ayatollah Khamenei und sein Lebenswerk ist das mehr als eine Herausforderung.