Mitglieder der Organisation Mother Nature Cambodia.

Alternativer Nobelpreis Riskanter Kampf für Kambodschas Umwelt

Stand: 28.09.2023 17:30 Uhr

Der alternative Nobelpreis geht dieses Jahr auch an die Organisation Mother Nature Cambodia. Trotz Drohungen und Verhaftungen setzen sich die jungen Aktivisten für Umweltschutz, Menschenrechte und Demokratie ein.

Eine Gruppe junger Aktivisten streckt ihre grün angemalten Arme in die Luft. Sie halten Transparente in der Hand, rufen ihre Forderungen dezent durch ein Megafon. Es ist ein friedlicher Protest in einem Land, in dem Forderungen aus der Zivilgesellschaft direkt als Angriff auf die Regierung verstanden und geahndet werden.

Die Umweltschutzorganisation Mother Nature Cambodia hat sich 2012 gegründet. Sie gibt Dorfgemeinschaften, Fischern, Landwirten oder Indigenen Kambodschas eine Stimme, setzt sich für Umweltschutz, Demokratie und Menschenrechte ein. Dieses Jahr erhält sie den Right Livelihood Award, auch Alternativer Nobelpreis genannt.

Illegalen Sandabbau gestoppt

Angefangen hat alles mit einer Protestaktion gegen einen chinesischen Staudamm in Kambodscha. Mehrere Universitätsstudenten und weitere junge Menschen protestierten gegen die Abholzung von Wäldern, illegale Goldminen und Landenteignung. Sie schafften es, den Bau eines Wasserkraftwerks zu stoppen, der die Lebensgrundlage von Indigenen bedroht hätte.

Der bekannteste Fall drehte sich um den illegalen Sandabbau in Kambodschas Küstenregionen. Der Kleinstaat Singapur hat laut der Organisation zwischen 2008 und 2016 rund 75 Millionen Tonnen Sand aus Kambodscha importiert, um seine Inseln so durch Aufschüttung und Landgewinnung zu vergrößern. Laut kambodschanischer Regierung wurden offiziell jedoch nur rund drei Millionen Tonnen Sand exportiert.

Nachdem Mother Nature Cambodia auf die illegalen Geschäfte und Korruption aufmerksam gemacht hatte, wurde der Sandexport 2016 von der Regierung gestoppt. Singapur importiert seitdem aus anderen Ländern Sand.

"Zivilgesellschaft nachhaltig verändert"

Mehrere der Aktivisten jedoch landeten im Gefängnis. Konnte die Umweltschutzorganisation in den Anfangsjahren noch ungestört protestieren und auf Missstände aufmerksam machen, sehen sie sich nach eigenen Angaben seit 2015 zunehmend Bedrohungen, Angriffen und Verhaftungen ausgesetzt.

"Mother Nature Cambodia ist eine Gruppe junger, furchtloser Aktivisten, die für Umweltschutz und Demokratie kämpfen", sagte Ole von Uexküll, Geschäftsführer des Right Livelihood Awards zur Begründung für die Verleihung der Auszeichnung an die Organisation.

"Es ist eine bemerkenswerte Leistung, in einem solchen Umfeld Bedenken zu äußern, in dem es Unterdrückung durch die Regierung gibt." Die Gruppe habe es mit kreativen und viralen Videos geschafft, auf Missstände hinzuweisen und zukünftige Generationen für den Umweltschutz zu begeistern. Sie habe die Zivilgesellschaft nachhaltig verändert und mit ihrem innovativen, jungen Ansatz mehr Raum für Engagement geschaffen.

"Recht, unser Land zu schützen"

Einige ihrer Videos wurden millionenfach geklickt und im Land geteilt. Sie hatten sich entschieden, selbst Videos von ihren Aktionen zu drehen, weil lokale Medien die Themen nicht aufgriffen oder nicht frei berichten konnten. Unabhängige, kritische Medien wurden nach und nach in Kambodscha verboten.

"Dieser Preis gehört nicht nur dem Team, sondern allen Menschen in Kambodscha, die uns unterstützen", sagte Sun Ratha, die Finanzchefin von Mother Nature Cambodia, die 2021 für ihren Aktivismus fünf Monate im Gefängnis saß.

"Der Diktator will, dass wir uns von der Politik fernhalten, von der Demokratie fernhalten und keine Kritik an der Regierung äußern", sagte Ly Chandaravuth, der ebenfalls fünf Monate hinter Gittern verbrachte. "Dieser Preis ist ein Beweis dafür, dass wir das Recht haben, Aktivismus zu betreiben, dass wir das Recht haben, unser eigenes Land zu schützen, und dass es unsere Pflicht ist, dies zu tun", ergänzte er.

Als Diktator bezeichnet Ly Chandaravuth den ehemaligen Regierungschef Hun Sen, der das Land fast vier Jahrzehnten mit harter Hand führte und sein Amt erst im August an seinen Sohn Hun Manet übergab. Trotz seines Rücktritts hat Hun Sen weiter wichtige politische Ämter inne.

Umweltschutz gleich Majestätsbeleidigung

Beide Aktivisten warten auf ihren Prozess wegen Verschwörung gegen die Regierung und Majestätsbeleidigung, die mit einer Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren geahndet werden kann. Sie hatten auf die Verschmutzung eines Flusses in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh aufmerksam gemacht.

Die Umweltschutzorganisation ist der erste Preisträger des Alternativen Nobelpreises aus Kambodscha. Der Right Livelihood Award wird seit über 40 Jahren vergeben. Bis heute haben 194 Preisträger aus 76 Ländern den Preis erhalten.

Jennifer Johnston, ARD Singapur, tagesschau, 28.09.2023 11:00 Uhr