Ein chinesischer Kellner in einem chinesischen Restaurant im kambodschanischen Sihanoukville
Reportage

Reportage aus Sihanoukville Alles chinesisch - in Kambodscha

Stand: 19.10.2019 17:30 Uhr

Sihanoukville liegt Hunderte Kilometer südlich von China - in Kambodscha. Trotzdem ist in der Stadt immer mehr chinesisch: Restaurants, Supermärkte, Arbeitskräfte. Der Regierung gefällt's, den Einwohnern gar nicht.

Der Lärm Dutzender Baustellen vereint sich zu einem mörderischen Crescendo. Dröhnende Bagger, ratternde Presslufthämmer, hallende Stahlträger. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche - auch Sihanoukville ist eine Stadt, die niemals schläft.

Nachts mischt sich das Flutlicht der Hochhaus-Skelette mit den blinkenden Leuchtreklamen der Clubs und Spielcasinos. Gelber Staub hängt in der Luft, Autos Mopeds und und Tuktuks quälen sich hupend über matschige Wege. Über den Glasfronten nagelneuer Geschäfte prangen chinesische Schriftzeichen.

"Chinesen kaufen nicht bei mir"

Die wenigen verbliebenen kambodschanischen Läden kämpfen ums Überleben. "Ich habe jetzt kaum noch Kunden", erzählt eine Laden-Inhaberin. "Früher haben viele Touristen aus dem Westen bei mir eingekauft, aber seit die Chinesen da sind, bleiben die weg. Sie hören ja, wie unerträglich es geworden ist, eine einzige Baustelle. Und die Chinesen? Die kaufen nichts bei mir, die haben ihre eigenen Läden eröffnet."

Neubau von Häusern in Sihanoukville

Es wird viel gebaut im einst verschlafenen Küstenort Sihanoukville - vor allem von chinesischen Investoren.

"Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer"

Der einstmals verschlafene Küstenort am Golf von Thailand ist kaum noch wiederzuerkennen. Hochhäuser prägen die Skyline von Sihanoukville. 11,5 Milliarden US-Dollar haben chinesische Unternehmer in den vergangenen zehn Jahren investiert. Durch den Bauboom haben sich die Löhne verdreifacht, doch davon haben die Einheimischen kaum etwas.

Denn um attraktiv für die chinesischen Investoren zu sein, hat die Regierung in Pnom Penh zugleich die Einwanderungsgesetze gelockert. Die Folgen seien dramatisch, erklärt Menschenrechtlerin Cheap Sotheary:

Wenn Sie auf die Website der Stadtverwaltung schauen, dann verkünden die voller Stolz, dass die Investitionen aus China in Sihanoukville um 90, 95 Prozent gewachsen sind. Der Punkt ist: Die Reichen werden dadurch reicher, die Armen immer ärmer. Die Chinesen schaffen hier keine Jobs, die bringen ihre eigenen Leute mit. Sogar in ihren Restaurants arbeitet nur chinesisches Personal - und die Kambodschaner haben das Nachsehen.

Kein Zutritt für Kambodschaner

Karaoke-Bars, Tabledance, Nachtclubs, Supermärkte, Massage-Salons, Apotheken -- alles chinesisch. Fast 100 Spielcasinos sind in Sihanoukville entstanden, mehr als im chinesischen Spielerparadies Macao. Kambodschanern ist der Zutritt verboten.

Theoretisch könnten sie in den Kasinos  arbeiten, doch die chinesischen Besitzer erwarten, dass die Angestellten fließend Mandarin sprechen. So entstehen trotz Milliardeninvestionen so gut wie keine neuen Jobs für Einheimische. Selbst die Tuk-Tuk-Fahrer haben Konkurrenz bekommen durch chinesische Unternehmen. Gleichzeitig sind für fast alles die Preise explodiert.

"Es fühlt sich an wie eine feindliche Besatzung"

"Früher habe ich 30 Dollar Miete im Monat gezahlt. Da waren Strom und Wasser schon mit drin", erzählt einer der Tuk-Tuk-Fahrer. "Inzwischen sind es 150 Dollar, aber selbst wenn ich die zahlen könnte, wäre es egal. Der Vermieter hat mit gekündigt, weil er an Chinesen vermietet hat."

Explodierende Mieten und Ladenpreise haben viele Kambodschaner aus ihrer Stadt vertrieben - in die Slums am Rande Sihanoukvilles. Sogar die Garküchen auf den Straßen haben Chinesen übernommen. "Es ist beängstigend, beunruhigend", sagt die Menschenrechtlerin Cheap Sotheary. "Für uns Kambodschaner wirken sie nicht wie Investoren, es fühlt sich eher an wie eine feindliche Besatzung."

Der chinesische Bevölkerungsanteil in Sihanoukville liegt inzwischen bei 20 Prozent. Jahr für Jahr kommen zudem 1,2 Millionen chinesische Touristen in die kambodschanische Küstenstadt, die zumeist unter sich bleiben. Mit ihnen kamen chinesische Mafiabanden: Prostitution, Menschenhandel, Drogen. Die Kriminaitätsrate hat sich vervielfacht. 

"The Golden Peal Slot" - eines von vielen chinesischen Kasinos in Sihanoukville

"The Golden Peal Slot" - eines von vielen chinesischen Kasinos in Sihanoukville

Bei den Kambodschanern geradezu verhasst

Bei den meisten Kambodschanern sind die Chinesen geradezu verhasst. Sie träten auf wie Herrenmenschen, sagt Oppositionspolitiker Pan Sokha: "Natürlich gibt es auch unter den Chinesen gute Leute. Aber eine Menge von den Chinesen hier benehmen sich wirklich schlecht. In meiner Nachbarschaft machen die nachts immer einen Mordslärm - singen, schreien und fluchen. Und wenn ich höflich um etwas mehr Ruhe bitte, dann drohen sie."

Wie sollten sie auch Respekt vor fremden Kulturen haben?, fragt bissig die Menschenrechtlerin Cheap Sotheari. Wo die Regierung in Peking selbst die eigenen Leute schlecht behandele.

China ist ein kommunistischer Staat. Sie wollen die Macht. Sie kommen ja nicht nur nach Kambodscha, sondern nach Laos, nach Myanmar, nach Afrika. Sie nennen sich Investoren, aber in Wahrheit kommen sie als Besatzer in die armen Länder. Und irgendwann bestimmen sie die Regeln. Unsere Regierung in Kambodscha ist so versessen auf die chinesischen Investitionen, dass sie keinerlei Bedingungen stellen - was Menschenrechte betrifft etwa oder Demokratie.

"Die Regierung will das chinesische Geld"

Und da sieht die kambodschanische Menschenrechtlerin durchaus auch die westlichen Demokratien in der Pflicht. Wenn selbst deutsche Unternehmer aus Angst um lukrative Geschäfte zu Menschenrechtsverletzungen schwiegen, wer solle dann die chinesische Expansion noch bändigen? Kambodschas Einparteiendiktatur sicher nicht.

Kritik an den Chinesen sei in Kambodscha  unerwünscht, sagt Oppositionspolitiker Cheap Sotheari. Ebenso die Frage, wer eigentlich profitiere von den chinesischen Milliarden: "Die Regierung will das chinesische Geld. Sie ist so glücklich, wenn die Chinesen kommen. Aber das Volk ist es nicht."

 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 20. Oktober 2019 um 13:30 Uhr.