Wattenmeer

Klimakrise und Übernutzung Wie das Wattenmeer geschützt werden soll

Stand: 29.11.2022 16:42 Uhr

Klimawandel, Tourismus, Schifffahrt: Das Ökosystem Wattenmeer in der Nordsee ist unter Druck. Anrainerstaaten wollen das Weltnaturerbe künftig besser schützen. Die Herausforderungen sind groß.

Von Claudia Plaß, ARD Berlin

Millionen Zugvögel kommen jedes Jahr ins Wattenmeer, darunter Austernfischer, Küstenseeschwalben, Ringelgänse. Die meisten bleiben einige Wochen. Sie nutzen das Watt als Rast- und Futterplatz, um sich im Frühjahr auf ihren Flug in die arktischen Brutgebiete vorzubereiten. Im Herbst machen sie Zwischenstation auf dem Weg in südliche Küstengebiete.

Das Wattenmeer bietet Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Um das Weltnaturerbe zu schützen, arbeiten die Anrainerstaaten Deutschland, Dänemark und die Niederlande seit mehr als 40 Jahren zusammen.

Abkommen für mehr Nachhaltigkeit

Bei der Wattenmeerkonferenz in Wilhelmshaven haben nun 39 Organisationen aus Naturschutz, Wirtschaft, Schifffahrt und lokalen Behörden in Dänemark, Deutschland und den Niederlanden eine weitreichende Erklärung für ein nachhaltiges Management im Wattenmeer unterzeichnet, wie der Umweltverband BUND mitteilte. Sie verpflichten sich, die Auswirkungen der Schifffahrts- und Hafentätigkeiten auf die natürliche Umwelt zu minimieren und schnellstmöglich auf einen klimaneutralen Betrieb hinzuarbeiten.

Bis Mittwoch beraten die mehr als 200 Expertinnen und Experten zusammen mit Ministerinnen und Ministern aus den drei Anrainerstaaten und den Bundesländern an der Küste, wie die trilaterale Zusammenarbeit zum Schutz des Wattenmeeres verbessert werden kann. Im Fokus steht die Bewahrung des Weltnaturerbes vor den Auswirkungen des Klimawandels und zunehmenden Nutzungen.

Schon viel erreicht

Sebastian Unger ist Meeresbeauftragter der Bundesregierung, angesiedelt beim Umweltministerium. Er ist überzeugt: Schon vor der Konferenz wurde für den Naturschutz viel erreicht. Beispielsweise sind die Seehundbestände in den vergangenen Jahren gewachsen.

Zugleich aber wachse auch der Druck auf das sensible Ökosystem, sagt Unger. Der Klimawandel führe dazu, dass "die Meere zu hoch werden, zu warm und zu sauer". Steigenden Druck sieht Unger auch durch Verschmutzung, etwa durch Nährstoffeinträge vom Land, aber auch durch Plastik. "Und wir übernutzen die Meere stark, durch Fischerei, durch Schifffahrt, durch den Tourismus", sagte er dem ARD-Hauptstadtstudio.

Vorrang für Meeresschutz

Die Herausforderungen für den Naturschutz sind groß, auch durch Industrieanlagen im oder am Wattenmeer: Neue Terminals für Flüssigerdgas, die geplante Erdgasförderung in der Nordsee vor der Insel Borkum und zusätzliche Öl-Förderung im schleswig-holsteinischen Wattenmeer. "Die Förderung von Öl und Gas hat meiner Ansicht nach im Nationalpark nichts zu suchen" kritisiert Unger.

Er fordert, keine neuen fossilen Energiequellen in den Meeren zu erschließen. Sollte sich das im Einzelfall aber wegen der Energiekrise nicht verhindern lassen, dann "muss aber auch absolut sichergestellt werden, dass der Meeresschutz Vorrang hat".

Größte Herausforderung: Steigender Meeresspiegel

Hans-Ulrich Rösner leitet das Wattenmeer-Büro der Umweltorganisation WWF. Rösner sieht ebenso wie der Meeresbeauftragte Unger große Herausforderungen. Dazu gehört auch der Ausbau von Offshore-Windanlagen. Zwar brauche man die Erneuerbaren Energien, betont Rösner. Er hält den naturverträglichen Ausbau für möglich, aber nur, wenn "man sich Mühe gibt", sagt er. Das bedeutet: Ausbau nur außerhalb der Schutzgebiete, zudem müssten Kabel "so rücksichtsvoll wie nur möglich verlegt werden", für die Eingriffe in die Natur müssten notwendige Ausgleiche geschaffen werden.

Die größte Herausforderung aber sieht Rösner vom WWF im steigenden Meeresspiegel durch den Klimawandel. Viele Wattflächen könnten in Zukunft dauerhaft überflutet werden ebenso die Salzwiesen, die Strände und Dünen. Die drohenden Folgen: "Mit all dem verschwindet auch der Lebensraum für jene, immerhin rund 10 Millionen Küstenvögel, die auf das Wattenmeer während des Vogel-Zuges völlig angewiesen sind."

Weltnaturkonferenz in Montreal

Umweltschützer wie Rösner fordern neben einem naturverträglichen Ausbau erneuerbarer Energien unter anderem den Ausstieg aus den fossilen Energien im Wattenmeer bis 2030. Der Meeresbeauftragte Unger setzt auf gemeinsame Schutzmaßnahmen mit den Anrainern.

In einer Woche findet schon die nächste wichtige Konferenz statt: Die Weltnaturkonferenz in Montreal, wo es um Artenvielfalt gehen soll. Ein bedeutendes Treffen, findet der Meeresbeauftragte, denn es gehe darum, den Verlust der Artenvielfalt zu stoppen. Bei dem Treffen "soll so eine Art Paris-Übereinkommen für die Biodiversität verhandelt werden", sagt Unger. Das Beispiel Wattenmeer könne zeigen, dass Schutz und nachhaltige Nutzung funktionieren können.

Claudia Plaß, Claudia Plaß, ARD Berlin, 29.11.2022 16:57 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 29. November 2022 um 10:27 Uhr.