Ein C-Falter auf der Blüte eines Sommerflieders.
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Biodiversität Artenschutz im eigenen Garten

Stand: 02.07.2023 08:18 Uhr

Wer im eigenen Garten Insekten, Vögel oder Kleinsäuger beobachten will, muss genau hinsehen. Denn in Deutschland sind viele von ihnen bedroht. Doch schon kleine Maßnahmen können den Tieren helfen.

Von Aniko Schusterius, NDR

Artenvielfalt im eigenen Garten ist ein Zeichen für ein gut funktionierendes Ökosystem. Damit es gurrt, summt und zwitschert, muss der Vorgarten für die verschiedenen Tierarten allerdings ein buntes Angebot an Pflanzen und Verstecken bieten. Dieses nehmen sie dankbar an, denn ihr Lebensraum in der freien Natur gerät immer stärker unter Druck.

Weniger Falter und Vögel

So ist etwa die Zahl der Insekten stark rückläufig. Ein Beispiel: Laut der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein gibt es im Norden Deutschlands immer weniger Schmetterlinge. Von den 92 Tag- und Dickkopffalter-Arten, die in Schleswig-Holstein beobachtet wurden, stehen 65 Prozent auf der Roten Liste. Ähnliches gilt für einige Vogelarten: Bei der diesjährigen Zählaktion "Die Stunde der Gartenvögel" des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), wurde in den deutschen Gärten die Mehlschwalbe zu 26 Prozent weniger gesehen, der Mauersegler sogar zu 37 Prozent weniger als in den Vorjahren.

Und auch Säugetiere sind bedroht: Der Gartenschläfer, das Wildtier des Jahres 2023, droht auszusterben. Europaweit ging der Bestand des Kleinsäugers in den letzten 30 Jahren um rund 50 Prozent zurück. Grund dafür sind vor allem Insektizide und Rattengifte, die die Tiere durch ihre Umwelt aufnehmen.

Igel durch Mähroboter gefährdet

Auch der Bestand an Igeln ist rückläufig, unter anderem durch den Verlust von Lebensraum. In den vergangenen Jahren kam noch eine weitere Gefahr hinzu: Mähroboter. Fahren diese unbeaufsichtigt über den Rasen, können sie die Tiere verletzten und sogar töten. Denn Igel flüchten nicht bei Gefahr, sondern rollen sich zusammen. Mähroboter nehmen diese kleine Hindernisse nicht immer wahr und können sie verstümmeln oder sogar töten.

Der hessische Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) forderte daher ein Nachtfahrverbot für Mähroboter, um das Gefahrenpotenzial zu verringern.

Lebensfeindliche Monokulturen

Heimische Gärten, wie der Schrebergarten oder der Grünstreifen direkt vor dem Haus, müssten immer im Zusammenhang mit anderen Flächen betrachtet werden, sagt Thomas Schmitt, Biologe und Direktor des Deutschen Entomologischen Instituts der Senckenberg Gesellschaft. Mehr als die Hälfte der gesamten Landesfläche in Deutschland wird landwirtschaftlich genutzt. Wälder und Gehölze nehmen rund 30 Prozent ein. Sie seien der Lebensraum von zahlreichen Lebewesen; werde dieser zerstört, kommen die Tiere gar nicht erst im heimischen Garten an, so Schmitt.

Vor allem die Landwirtschaft habe einen großen Einfluss auf die Artenvielfalt. "Ein riesiges Problem, das wir haben, liegt auf dem Acker", meint Schmitt. Monokulturen auf den Feldern, wo über Jahre hinweg nur eine einzige Nutzpflanze angebaut werde, laugten den Boden aus. Tiere fänden dort keinen Lebensraum mehr. Die auf den Feldern oft eingesetzten Pflanzenschutzmittel seien für sie giftig.

Einsatz von Chemie vermeiden

Dagegen können Gärten kleine Inseln der Artenvielfalt sein. Denn Insekten aber auch Amphibien und kleine Säugetiere fühlen sich in unseren Gärten und Schrebergärten sehr wohl, so Schmitt. "Gerade in einem Schrebergarten, der als ökologischer Nutzgarten dient, kann man noch einiges an Arten finden", so Schmitt. Etwa eine Mischung verschiedenster Pflanzen wie Blumen, Wiesenkräuter, Obst- und Gemüsepflanzen.

Allerdings sei auch im eigenen Garten einiges zu beachten: Gestutzter Rasen sei nicht so attraktiv wie wilde Blumenwiesen oder naturnahe Hecken. Auf Pflanzenschutzmittel sollte gänzlich verzichtet werden, so der Biologe. Denn die Chemikalien werden von Tieren über die Nahrung aufgenommen.

Melanie Konrad, Gartenexpertin vom NABU, sieht bei den Chemikalien noch ein weiteres Problem: Sie können in den Boden gelangen und das Grundwasser verunreinigen. Vermieden werden sollten daher zum Beispiel Schneckenkorn oder Pilzmittel, sagt Konrad.

Wie sieht ein Garten für mehr Biodiversität aus?

"Tiere mögen Unordnung", betont die Gartenexpertin. Den idealen Garten beschreibt Konrad darum als strukturreich mit heimischen Pflanzen und naturbelassenen Ecken. Dazu zählt sie herumliegendes Totholz, Laub- und Steinhaufen. Sie bieten natürliche Versteck- und Überwinterungsplätze für Tiere. Mit Vogelhäusern und Insektenhotels könne nachgeholfen werden.

Pflanzen wie Brennnesseln oder Gräser würden oft als Unkräuter betrachtet und daher abgemäht, sagt Konrad. Ließe man sie stehen, seien sie jedoch die ideale Nahrung etwa für Raupen.

Licht aus im Garten

Brechen im heimischen Garten die Abendstunden an, sollte zudem die Beleuchtung auf das Nötigste reduziert werden, rät Konrad. Denn Insekten wie Nachtfalter orientieren sich am natürlichen Licht des Mondscheins und werden von unnatürlichen Lichtquellen abgelenkt.

Welchen Einfluss Lichtverschmutzung haben kann, zeigt auch eine Studie, die im April im Journal of Applied Ecology erschienen ist. Dafür untersuchten Wissenschaftler den Einfluss von künstlichem Licht auf Gitterspanner-Larven. Diese entwickelten sich bei dauerhafter leichter Lichteinstrahlung schneller zum Falter, als in komplett abgedunkelten Ruhepausen. Eine schnellere Entwicklung kann dazu führen, dass die Falter von zu kalten Temperaturen überrascht werden und sterben.

Licht stört Glühwürmchen und Fledermäuse

Forschende der britischen University of Sussex fanden außerdem heraus, dass Lichtverschmutzung auch die Population der Glühwürmchen bedrohen könnte. Denn grelle Nachtbeleuchtung etwa einer Straßenlaterne überstrahlt die Leuchtkraft der weiblichen Leuchtkäfer. Die männlichen können sie dann nicht mehr zur Fortpflanzung finden.

Auch Fledermäuse verlieren die Orientierung. Bestimmte Arten wie die Teichfledermaus verändern durch starkes Kunstlicht ihre Flugrouten. Gleichzeitig gehen die Tiere später auf Nahrungssuche, wenn es draußen noch lange hell ist. Ihre Jagdzeit bis zum Morgengrauen verkürzt sich dadurch. Sie können weniger Nahrung aufnehmen.

Schottergärten: Ein zugeschütteter Lebensraum

Besonders schlimm im Sinne der Biodiversität sind laut Entomologe Schmitt die sogenannten Schottergärten. Die großflächig mit Steinen und Kies zugeschütteten Vorgärten sind in einigen Teilen Deutschlands bereits verboten.

Hier geht nicht nur Lebensraum für Tiere verloren, die Kiesgärten verstärken im Sommer auch das Aufheizen der Stadt. Die Steine speichern die Wärme der Sommerhitze bis in die Abendstunden. Starkregen kann durch die versiegelten Böden schlechter abfließen.

Weniger ist mehr

"Wenn man mehr Tiere in seinen Garten einladen möchte, sollte man sich in Gelassenheit üben", sagt NABU-Gartenexpertin Konrad abschließend. Weniger stutzen und mähen und viel mehr der Natur überlassen. Wer weniger im Garten arbeiten muss, hat dann auch mehr Zeit zum Beobachten der tierischen Mitbewohner.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 30. Juni 2023 um 16:47 Uhr.