Ein junges Paar küsst sich auf einem Feld mit Blumen.

Studie zu Bindungstypen Dem Geheimnis stabiler Beziehungen auf der Spur

Stand: 15.05.2024 10:29 Uhr

Stabile Beziehungen sind wichtig für unser Wohlergehen, können uns aber auch so einiges abverlangen. Warum sind manche Beziehungen komplizierter als andere? Dieser Frage sind Forschende nun ein Stück nähergekommen.

Von Laura Strätling, SWR

Bindungsangst ist heutzutage ein fast inflationär verwendetes Wort. Aber was genau bedeutet das eigentlich, wenn wir Bindungsangst haben? Bindungsangst kann unsere Beziehungen grundlegend beeinflussen, haben US-Forschende jetzt herausgefunden. Und nicht nur das: Vor allem sollen die Wechselwirkungen der Bindungstypen beider Partner für den Erfolg einer Beziehung entscheidend sein.

Die Bindungsangst ist einer von insgesamt drei Bindungstypen. Zusätzlich wird in der Psychologie noch von der Bindungssicherheit und der Bindungsvermeidung gesprochen.

Bindungsvermeidung und Bindungsangst gehören zu den sogenannten Bindungsunsicherheiten.

  • Die Bindungsangst äußert sich in Beziehungen vor allem durch Verlustängste, starkes Klammern und ein großes Bedürfnis nach Nähe.
  • Bindungsvermeidende Menschen reagieren in Beziehungen genau gegensätzlich: Sie wollen unabhängig bleiben, können mit Nähe häufig schlecht umgehen und bleiben auf Distanz.
  • Bindungssichere Menschen machen sich meist keine Sorgen darüber, verlassen zu werden oder dass ihnen jemand zunahekommt. Sie pflegen ein gesundes Verhältnis zu Nähe und Distanz in einer Partnerschaft.

Auch Mischformen der verschiedenen Stile sind möglich.

Der Ursprung unserer Bindungstypen liegt in der frühen Kindheit

Wo kommen diese verschiedenen Bindungsstile eigentlich her? Wie so oft liegt die Antwort in unserer frühen Kindheit: "Bindungsstile sind unbewusste Strategien, die jeder von uns in den ersten wichtigen Beziehungen seines Lebens entwickelt hat", erklärt Sonja Bröning im SWR. Sie ist Professorin für Entwicklungspsychologie, Paar- und Sexualtherapeutin und lehrt an der Medical School Hamburg.

Das bedeutet: Aus unserer frühesten Beziehung zu unseren Eltern entwickeln wir Reaktionsmuster auf Bindungssituationen. "Der Bindungsstil bestimmt, wie wir uns in bindungsrelevanten Situationen verhalten: Öffne ich mich meinem Gegenüber, ziehe ich mich zurück, vertraue ich darauf, dass er oder sie meine Sorgen ernst nimmt?", führt Bröning weiter aus.

Studie berücksichtigt erstmals Bindungstypen beider Partner

Wie sich diese Bindungsstile auf langfristige romantische Beziehungen auswirken, haben US-Forschende der Florida State University untersucht. Hierfür kombinierten sie Daten von fünf unabhängigen Längsstudien mit insgesamt 539 frisch verheirateten Paaren. Der Beobachtungszeitraum betrug dabei drei Jahre. In Abständen von vier bis sechs Monaten füllten die teilnehmenden Paare Fragebögen aus, um Angaben zur Ehezufriedenheit und zum eigenen Bindungsstil zu machen. "Die Studie ist gut, weil sie erstmals beide Partner-Perspektiven über so einen langen Zeitraum mit so vielen Teilnehmenden berücksichtigt", sagt Sonja Bröning.

Und auch die Ergebnisse lassen sich sehen: Die Studie zeigt, dass der Partner oder die Partnerin mit geringerer Bindungsunsicherheit den Partner mit höherer Unsicherheit "abpuffert". Das bedeutet: Beim weniger sicheren Teil der Beziehung werden die Unsicherheiten aufgefangen. Auch die Scheidungswahrscheinlichkeit sinkt, sobald einer der beiden bindungssicherer ist. Die höchste anfängliche Ehe-Zufriedenheit konnte bei Paaren beobachtet werden, bei denen beide Partner eine nur geringe Bindungsangst aufwiesen. Diese Paare wiesen auch die geringste Scheidungswahrscheinlichkeit auf. Hohe Bindungsangst bei beiden wies dagegen auf eine geringe Zufriedenheit und eine hohe Scheidungswahrscheinlichkeit hin.

Vermeidende Menschen geraten in einer Beziehung nicht so leicht aneinander

Wenn zwei bindungsvermeidende Personen miteinander verheiratet waren, ergaben die Untersuchungen keine Zusammenhänge mit der Ehezufriedenheit. Ein Nicht-Befund also. Sonja Bröning erklärt, warum sie das als Paartherapeutin nicht überrascht: "Menschen, die unsicher vermeidend sind, brauchen häufig länger, um in einer Beziehung überhaupt aneinander zu geraten. Am Anfang ist es gut, weil beide nicht so viel Nähe brauchen. Es besteht aber die Gefahr, dass es sich dann langsam und unbemerkt auseinanderlebt, weil keiner von beiden die Nähe und Konfrontation sucht."

Bindungsorientiere Psychotherapie wird wichtiger

Als Faustregel kann man sich also merken: Eine bindungssichere Person oder eine mit weniger Bindungsangst oder -vermeidung in der Beziehung zu haben, erscheint vorteilhaft. Sie puffert die weniger sichere Person in ihren Unsicherheiten ab. Eine Verallgemeinerung darüber, welche Bindungstypen zusammenpassen, kann man aber schwer treffen. Denn auch äußere Umstände wie Lebenskrisen spielen immer eine Rolle, wenn es um den Erhalt einer Beziehung geht.

Auch Sonja Bröning sieht das so: "Die Studienlage in der Bindungsforschung legt nahe, dass bindungsorientierte Paartherapie sehr wertvoll sein kann." Vor allem für Paare mit hoher Bindungsangst oder -vermeidung kann das hilfreich sein. Denn es ist auch möglich, am eigenen Bindungsstil zu arbeiten und sicherer zu werden. "Viele Menschen haben tatsächlich schon ein intuitives Gespür dafür, zu welchem Bindungstyp sie sich zuordnen würden. Aber es kommt gar nicht so sehr drauf an, wie wir einzeln sind. Es geht eher um die Chemie in einer Beziehung", sagt Paartherapeutin Bröning.

Hinter vielen Alltagsstreitigkeiten verstecken sich Bindungsthemen

Eine hohe Bindungsangst oder -vermeidung ist also noch lange kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken und sich selbst als beziehungsunfähig zu betrachten. Wichtig ist vor allem, auf beiden Seiten der Partnerschaft ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie man sein Gegenüber unterstützen kann. "Hinter so vielen Alltagsthemen verstecken sich Bindungsthemen. In einer bindungsorientierten Paartherapie geht es vor allem darum, den Menschen aufzuzeigen, welche unterbewussten Prozesse sich da gerade eigentlich abspielen", sagt Paartherapeutin Bröning. Oft stelle man dann fest, dass es um Wertschätzung und Unterstützung geht und nicht darum, wer die Spülmaschine ausräumt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete SWR am 13. Mai 2024 um 14:45 Uhr.