Dang Duong Bach
hintergrund

Bürgergeld-Reform Leistungsempfänger sollen zu Fachkräften werden

Stand: 30.06.2023 11:56 Uhr

Millionen Menschen leben von staatlicher Unterstützung - gleichzeitig fehlen unzählige Fachkräfte. Das neue Bürgergeld soll mehr Anreize setzen für Aus- und Weiterbildung.

Von Gisela Staiger, BR

Dang Duong Bach, seine Partnerin und die drei gemeinsamen Kinder leben in Nürnberg und bekommen Bürgergeld. Der Familienvater aus Vietnam hat jahrzehntelang Helferjobs ausgeübt, die er über Zeitarbeitsfirmen bekommen hat. An eine Weiterbildung hat der 43-Jährige nie gedacht. Er habe immer gearbeitet, um Geld für seine Familie zu verdienen, sagt er. Natürlich habe er gewusst, dass er ohne Ausbildung weniger verdient, habe aber irgendwie versucht, zurechtzukommen.

Zuletzt habe er eine gut bezahlte Stelle gehabt, erzählt Bach. Ein Anlagen- und Automobilzulieferer habe ihn als Werker in der Montage eingestellt. Die Arbeit habe ihm Spaß gemacht. Doch dann kam Corona. Wegen der wirtschaftlichen Folgen musste die Firma Mitarbeiter entlassen, er war dabei. Bach und seine Familie rutschten im August 2020 in den Hartz-IV-Bezug.

Pandemie-Erfahrung als Wendepunkt

Für Bach war die pandemiebedingte Arbeitslosigkeit ein Wendepunkt. Mit Unterstützung des Jobcenters machte er das Beste daraus. Er besuchte einen Deutschkurs und begann im Januar 2022 eine zweijährige Ausbildung zum Industriemechaniker beim Euro-Bildungswerk in Nürnberg. Hier gibt es Theorie und Praxis aus einer Hand. Die Teilnehmer müssen keine Berufsschule besuchen.

Weiterer Vorteil: der Ausbildungsdienstleister hat 120 Firmen im Portfolio, bei denen die Umschüler Praktika absolvieren und ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen können. Ausbilder Roland Weglehner vom Euro-Bildungswerk ist sicher, dass Bach schnell einen festen Arbeitsplatz bekommen wird. Aufgrund der aktuellen Marktlage, so Weglehner, seien Fachkräfte auf jeden Fall gesucht. Auch der Praktikumsbetrieb sei mit Bach sehr zufrieden. Er bringe sich sehr gut ein, sagt der Ausbilder.

Zahl der Arbeistlosen steigt im Juni auf 2,5 Millionen

Gisela Staiger, BR
Roland Weglehner und Dang Duong Bach

Mit Ausbildung gegen den Fachkräftemangel - Ausbilder Roland Weglehner und Dang Duong Bach.

Mehr Geld für Weiterbildung

Ab Juli kann der 43-jährige Familienvater Bach spürbar von den Neuregelungen des Bürgergelds profitieren. Denn die Qualifizierung arbeitsloser Menschen stehe dabei im Fokus, sagt Valentina Milutinovic-Hauck, die beim Jobcenter Nürnberg-Stadt die Abteilung Markt und Integration leitet. Die deutliche Verbesserung, so Milutinovic-Hauck, sei das Weiterbildungsgeld, das drei Jahre lang bezahlt würde. Jeder Leistungsempfänger, der eine Ausbildung beginne oder eine Qualifizierung, die zu einem Berufsabschluss führt, bekomme monatlich 150 Euro - zusätzlich zum Bürgergeld.

Für jede erfolgreiche Zwischenprüfung gebe es 1000 Euro, für eine erfolgreiche Abschlussprüfung 1500 Euro obendrauf, so Milutinovic-Hauck. Weiterbildungen ohne konkreten Abschluss, die aber der Integration dienen, würden vom Jobcenter mit einem Bürgergeldbonus in Höhe von 75 Euro monatlich bezuschusst. Dazu gehören zum Beispiel der Erwerb von Computergrundlagen, mathematischen Kenntnissen oder die Vorbereitung auf eine Umschulung.

Bach und seine Partnerin können erstmals spürbar vom Bürgergeld profitieren. Gemeinsam haben sie dann sogar 300 Euro mehr im Monat, denn auch sie macht gerade eine Ausbildung zur Kinderpflegerin.

Nachhaltige Integration als Ziel

Die Stufe zwei des Bürgergelds setzt auf Qualifizierung. Aus Leistungsempfängern sollen Fachkräfte werden, die der Markt braucht. So könne eine dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt gelingen, heißt es im Jobcenter. Und darum geht es. Die Leistungsempfänger sollen sich - ohne finanzielle Probleme - auf ihren Berufsabschluss vorbereiten können.

Wer sich unsicher fühle und Unterstützung brauche, könne ein individuelles Coaching bekommen, so Integrationsleiterin Valentina Milutinovic-Hauck vom Jobcenter Nürnberg-Stadt. Es diene der Heranführung an eine Ausbildung, könne aber auch während der Ausbildung oder sogar nach dem Berufseinstieg fortgeführt werden. Sogenannte "Aufstocker", die zwar arbeiten, von ihrem Verdienst aber nicht leben können und deshalb Bürgergeld beziehen, dürfen ab Juli mehr von ihrem Einkommen behalten.

Wer zwischen 520 Euro und 1000 Euro verdient, hat jetzt einen Freibetrag von dreißig statt zwanzig Prozent, der nicht auf das Bürgergeld angerechnet wird. Auszubildende unter 25 Jahren und Schülerinnen und Schüler können bis zu 520 Euro verdienen, ohne dass der Bürgergeldbezug sich verringert.

Gute Chancen auf einen festen Job

Dang Duong Bach und seine Lebenspartnerin hoffen, nächstes Jahr aus dem Leistungsbezug herauszukommen. Im Februar hat der 43-Jährige seine Abschlussprüfung. Besteht er sie, kann er sich als Industriemechaniker bewerben und hat beste Chancen, einen festen Arbeitsplatz zu bekommen.

Sichtlich gerührt sagt Bach, er wolle sich bei der Stadt dafür bedanken, "dass sie uns, während wir Ausbildung und Umschulung machen, unterstützt".

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 30. Juni 2023 um 12:00 Uhr.