Zigarettenwerbung

Umgehung des Werbeverbots Im Dunstkreis der Tabaklobby

Stand: 22.11.2021 08:16 Uhr

Schrittweise wird Tabakwerbung weiter eingeschränkt. Nichtraucherverbänden gehen die Gesetze nicht weit genug. Die Branche sucht nach neuen Marketing-Möglichkeiten.

Jung, cool, frei und mit Kippe in der Hand - aber niemals eingehüllt in blauen Dunst: Tabakwerbung hat lange den Blick vernebelt mit gutaussehenden, abenteuerlustigen oder offensichtlich beim anderen Geschlecht besonders erfolgreichen Charaktertypen. Damit soll jetzt endgültig Schluss sein. Obwohl: So ganz endgültig wahrscheinlich doch nicht. Denn die Zigarettenlobby ist mächtig - und ein paar Hintertürchen werden deshalb offenbleiben, um doch noch ein bisschen Werbung zu machen für ein Produkt, das eines ganz sicher macht: krank. "Rund 121.000 Todesfälle pro Jahr in Deutschland sind unmittelbar auf das Rauchen zurückzuführen. Rauchen verursacht knapp 100 Milliarden Euro Kosten durch Arbeitsausfälle und Krankheiten." So steht es im Drogen- und Suchtbericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung. Und die Regierung hat reagiert.

Was ist noch erlaubt, was ist schon verboten?

Bereits seit 1975 gibt es keine Zigarettenwerbung mehr im Fernsehen und im Radio. Sponsoring von Fernsehsendungen endete 1999. Drei Jahre später verbannte der Gesetzgeber die romantischen Raucherclips rund um den Marlboro Man und die strubbelig-lasziven Gauloises-Mädchen auch aus den Kinos, zumindest aus Vorführungen vor 18 Uhr. Nach EU-Gesetzgebung darf Werbung für Tabak seit 2007 nicht mehr in Printerzeugnissen erscheinen.

Initiativen zum weiteren Verschärfen des Werbeverbots scheiterten im Bundestag zuerst 2014 und dann nochmal 2016 am Widerstand der CDU. Erst 2020 nahm der Bundestag das Thema wieder auf und erlaubte von 2021 an Tabakwerbung nur noch vor Kinofilmen, die ab 18 Jahren freigegeben sind. Die Verteilung kostenloser Zigaretten-Gratisproben außerhalb des Fachhandels wurde damals verboten.

Freiwillig verpflichteten sich mehrere Unternehmen in ihrer Werbung, auf Models zu verzichten, die jünger als 30 Jahre alt sind oder so wirken. Damit soll verhindert werden, dass junge Menschen sich von der Werbung angesprochen fühlen. Dennoch liegt Deutschland im sogenannten "Tabakkontrollindex" für Werbung und Sponsoring der europäischen Krebsligen immer noch auf einem der hinteren Plätze.

Das Gesetz aus diesem Jahr sieht weitere schrittweise Verschärfungen für Tabakwerbung vor. Von Januar 2022 an wird es keine Außenwerbung mehr an Haltestellen oder auf Plakatwänden geben, das gilt im Jahr darauf auch für Tabakerhitzer und von 2024 an für E-Zigaretten.

"Großzügige Ausnahmen und Übergangsfristen"

Das geht dem Nichtraucherschutzverband Deutschland nicht weit genug: "Die gesetzlichen Regelungen stellen kein absolutes Werbeverbot dar, so wie es wünschenswert wäre, sondern nur eine Werbebeschränkung", kritisiert Vorstand Sören Becker. Nach wie vor dürfe am Verkaufsort für Tabakprodukte geworben werden; auch Sonnenschirme in der Gastronomie trügen weiterhin Zigarettenwerbung; und Kinder und Jugendliche seien gefährdet, wenn in Supermärkten und Tankstellen Tabakwerbung direkt neben Süßigkeiten prange. Für die Außenwerbung gälten zu lange Übergangsfristen, bis sich tatsächlich etwas tue, kritisiert der Verbandssprecher.

"Die Tabakindustrie ist ein Wirtschaftszweig, der seit 70 Jahren systematisch täuscht und betrügt", klagt Becker an und wirft den Konzernen "illegale Machenschaften" vor. "Das fängt bei Tricksereien wie dem bewussten Verdecken von Warnhinweisen auf Werbeplakaten an und reicht bis zu klar rechtswidrigen Werbeaktivitäten." Als Beispiele nennt er die Darstellung von Zigaretten als naturreines Produkt oder in einem anderen Fall das gezielte Ansprechen von Jugendlichen in der Werbung eines Tabakerhitzers.

Schlupflöcher bleiben der Tabakwerbung

Als großes Problem sehen die Gegner der Tabakwerbung die "Umgehung des Tabakwerbeverbots im Internet" an. Der Nichtraucherschutzbund weist auf "versteckte Werbung in sozialen Netzwerken" hin und führt weiter aus: "Es gibt auch Hinweise darauf, dass Tabakkonzerne gezielt Influencer*innen für die positive Darstellung von Tabak- und Nikotinprodukten bezahlen".

Auch die Deutsche Krebshilfe spricht sich für ein Verbot von Werbung, Promotion und Sponsoring für Tabakprodukte und E-Zigaretten in jeder Form aus. "Rauchen ist bundesweit nach wie vor der wichtigste vermeidbare Krebsrisikofaktor." Eine Fürsorgepflicht sieht Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe, vor allem gegenüber Minderjährigen: "Technische Jugendschutzvorrichtungen zur Altersprüfung an Zigarettenautomaten sind unzureichend. Zigarettenpackungen können von der Tabakindustrie immer noch als eine wichtige Werbefläche genutzt werden. Und nicht zuletzt hat auch das Rauchen in Film und Fernsehen durchaus Einfluss auf das Rauchverhalten. Es wird als ein kausaler Faktor für die Initiierung des Rauchens im Kindes- und Jugendalter angesehen".

Werbeausgaben unverändert

Jan Mücke, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Tabakindustrie und neuartiger Erzeugnisse, widerspricht. Tabakwerbung führe nicht dazu, dass mehr Menschen mit dem Rauchen beginnen oder weniger Konsumenten das Rauchen aufgeben. "So hat sich bei stabilen Marketingausgaben der Hersteller die Raucherquote unter Erwachsenen in Deutschland in den vergangenen Jahren um etwa 30 Prozent verringert. Unter Kindern und Jugendlichen ist die Raucherprävalenz (Anzahl der wegen des Rauchens erkrankter Menschen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung, Anm. d. Red.) noch deutlicher zurückgegangen".

Die Tabakindustrie kritisiert die beschlossene schrittweise Verschärfung der Verbote als Wettbewerbsverzerrung: "Das bestehende faktisch vollständige Werbeverbot für ein an Erwachsene frei verkäufliches Produkt ist ein bislang unbekannter Eingriff in die unternehmerische Freiheit, den es in der freien Marktwirtschaft nicht geben darf", sagt Mücke. Das gehe insbesondere zu Lasten innovativer, kleiner oder neuer Marktteilnehmer. Bestehende Marktanteile würden eingefroren und Konsumenten nicht mehr ausreichend über Produktinnovationen und neuartige Produkte informiert. Vor diesem Hintergrund sei "eine unterschiedliche Handhabung von Werbeverboten bei Tabak, Alkohol und Zucker nicht nachvollziehbar."

Das Geld der Tabakindustrie hilft Kommunen

Möglicherweise wollen Kommunen auch nicht ganz auf Tabakwerbung verzichten, helfen die beleuchteten Reklamen doch bei Aufbau und Unterhalt von Haltestellen der Verkehrsbetriebe. Der Fachverband Außenwerbung stellt fest, dass das Verbot der Tabakaußenwerbung zu einem Umsatzverlust von bis zu 20 Prozent führen würde.

All das dürfe kein Argument sein, Werbung für ein Produkt zu machen, an dem weltweit mehr als acht Millionen Menschen im Jahr sterben, hält der Nichtraucherschutzverband dagegen: "Da praktisch niemand mehr nach dem 25. Lebensjahr mit dem Rauchen beginnt, muss sich die Tabakwerbung zwangsläufig an Jugendliche richten. Ein Tabakwerbeverbot bedeutet also in erster Linie Jugendschutz."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 02. Januar 2021 um 09:05 Uhr.