Ein Mehrfamilienhaus des Immobilienkonzerns Vonovia in Bochum

Immobilienkrise Wohnungsfirmen unter Druck

Stand: 08.08.2023 13:45 Uhr

Jahrelang haben Wohnungsgesellschaften glänzend verdient. Doch seit Inflation und Zinsen steigen und die Politik Druck macht, werden viele Bestandsimmobilien zur Last. Leidtragende sind Mieter.

"Das Dach brennt lichterloh": Mit einem Brandbrief wandten sich die kommunalen Wohnungsunternehmen in Sachsen-Anhalt kürzlich an die Politik, nachdem es dort zu einer spektakulären Insolvenz eines Anbieters in der Nähe von Magdeburg gekommen war. Nicht die einzige Schieflage in der Branche - denn auf dem Markt für Bestandswohnungen spitzen sich die Probleme zu. Viele Wohnungen und Häuser sind älteren Baujahrs und müssen dringend saniert werden.

Doch angesichts explodierender Material- und Baupreise bei gleichzeitig steigenden Zinsen haben immer mehr Wohnungsgesellschaften große Schwierigkeiten, die finanziellen Herausforderungen zu stemmen. Dies umso mehr, weil die gestiegenen Mieten viele Mieter bereits stark belasten, gleichzeitig aber auch nicht einfach unbegrenzt erhöht werden können.

Aber es seien nicht nur die widrigen ökonomischen Umstände, die den Anbietern zu schaffen machen, sagt Michael Voigtländer vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln: "Gleichzeitig steigen die politischen Forderungen, man muss mehr sanieren. Es droht teilweise auch ein Vermietungsverbot, wenn man bestimmte Standards irgendwann nicht erreicht. Insofern sind jetzt viele Wohnungsgesellschaften tatsächlich in der Bredouille." Mit ausgelöst hat das auch die Ampel-Koalition mit ihrem umstrittenen Heizungsgesetz. Das verursacht auch bei den Wohnungsgesellschaften nicht nur hohe Kosten, sondern starke Verunsicherung - Gift in einer Branche, die langfristig planen muss.

Fatales Signal für die Branche

Die Probleme erschüttern auch Deutschlands größte Wohnungsgesellschaft Vonovia. Sie unterhält zusammen mit ihrer Tochter Deutsche Wohnen hierzulande fast 400.000 Wohnungen. Erst kürzlich zog das im DAX notierte Unternehmen die Reißleine: Es will einen Teil seiner Bestandsimmobilien verkaufen, um Schulden abzutragen. Außerdem streicht es komplett den Bau neuer Wohnungen.

Ein fatales Signal für die gesamte Branche: Es dürfte dazu führen, dass sich die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt weiter verschärft. Vorstandschef Rolf Buch sieht das Problem nicht nur in der hohen Inflation und den gestiegenen Zinsen, sondern vor allem bei den Verantwortlichen in der Politik und in der fehlenden Koordination im Kabinett:

Wir haben eine Bauministerin, die sich anstrengt und wirklich gut arbeitet, die aber abhängig ist von den Landesbauministern und den Kommunen. Wir haben eine Umweltministerin, die sagt, wir dürfen keine Flächen verbrauchen, aber Bauen ohne Fläche ist schwierig. Wir haben einen Wirtschaftsminister, der die Standards nach oben treibt, weil er sagt - auch berechtigt -, die Gebäude müssen Klimaschutz-Anforderungen genügen. Wir haben einen Finanzminister, der sagt, ich habe keine Fördermittel. Und wir haben einen Justizminister, der aufgerufen ist, die Mietgesetzgebung weiter zu verschärfen. Das hilft jetzt aber auch nicht bei neuen Investitionen.

"Der Staat macht im Markt viel zu viel"

Nach Angaben von Vonovia sind rund 40 Prozent der hohen Kosten politisch bedingt. Das Unternehmen fordert deshalb ein Entgegenkommen bei Mehrwert- und Grunderwerbsteuer. Kritiker halten das für Jammern auf hohem Niveau und verweisen auf die glänzenden Gewinne, die Vonovia und Co. während der langen Phase niedriger Inflation und Zinsen gemacht haben.

Einige von ihnen fordern daher die Enteignung und Verstaatlichung der Gesellschaften. In Berlin stimmten in einem Volksentscheid 59 Prozent der Wähler für diesen Schritt, eine Expertenkommission sieht das rechtlich auch als möglich an. Führende Ökonomen bezweifeln, dass dies die Lage verbessern würde. "Ich bin der Meinung, der Staat sollte sich aus dem Markt sogar zurückziehen", sagt Steffen Sebastian von der Universität Regensburg: "Der Staat macht im Markt viel zu viel, und viele dieser Eingriffe widersprechen sich. Der Staat sollte sich auf das konzentrieren, was seine Aufgabe ist: zu regulieren, was zwingend zu regulieren ist, vor allem für sozialen Ausgleich zu sorgen und den Gesellschaften die Möglichkeiten zu geben, tatsächlich zu arbeiten."

Widrige wirtschaftliche Umstände, hohe Unsicherheit und politisches Gezänk: Dieser Cocktail verschärft das Problem bei den Bestandsimmobilien, denn er macht notwendige schnelle Lösungen unmöglich. Einige Experten fürchten deshalb das Schlimmste: weitere Insolvenzen von Wohnungsgesellschaften wie in Sachsen-Anhalt.

Klaus-Rainer Jackisch, HR, tagesschau, 08.08.2023 10:47 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 04. August 2023 um 17:24 Uhr.