Eine Arbeiterin näht Kleidung in einer Textilfabrik in Myanmar

Textilindustrie Warum sich Modekonzerne aus Myanmar zurückziehen

Stand: 16.08.2023 12:12 Uhr

Die Arbeitsbedingungen in Myanmars Textilfabriken verschlechtern sich. Einige Modekonzerne wollen nicht mehr vor Ort produzieren. Nun will sich ein weiteres Schwergewicht der Branche aus Myanmar zurückziehen.

Der schwedische Modekonzern H&M geht mutmaßlichen Fällen von Arbeitsmissbrauch in Textilfabriken in Myanmar nach. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, untersucht der Moderiese 20 Fälle, die die in Großbritannien ansässige Menschenrechtsorganisation Business and Human Rights Resource Centre (BHRRC) im Zusammenhang mit Produktionen von Kleidung für H&M gemeldet hat.

Im ganzen Land habe BHRRC zwischen Februar 2022 und Februar 2023 156 Fälle von mutmaßlichen Misshandlungen von Arbeitern in Bekleidungsfabriken in Myanmar aufgedeckt. Damit stieg die Zahl der von schlechten Arbeitsbedingungen betroffenen Näherinnen und Nähern in Myanmar seit dem Militärputsch 2021 rasant an. Den Informationen der NGO zufolge sind die Arbeiter vor allem von Lohnkürzungen und Lohndiebstahl betroffen, aber auch von ungerechtfertigter Entlassung, unmenschlichen Arbeitsbedingungen und erzwungenen Überstunden.

"Zutiefst besorgt über die Entwicklungen"

H&M will sich deshalb nun offenbar aus Myanmar zurückziehen. "Alle Fälle, die in dem Bericht von BHRRC angesprochen werden, werden von unserem lokalen Team vor Ort und in enger Zusammenarbeit mit den relevanten Interessengruppen weiterverfolgt und bei Bedarf behoben", so H&M in einer Erklärung.

Man sei "zutiefst besorgt über die jüngsten Entwicklungen in Myanmar". Zudem fühle man sich verpflichtet, die "Geschäftstätigkeit nach unseren Standards und Anforderungen zu führen" - in Myanmar sei das "zunehmend eine Herausforderung", so der schwedische Konzern.

Zara-Mutter hat Rückzug angekündigt

Gut zwei Jahre nach dem Militärputsch in Myanmar hatte bereits der spanische Modekonzern Inditex seinen Rückzug aus dem südostasiatischen Land angekündigt, ebenso wie der Textil-Discounter Primark und der britische Einzelhandelskonzern Marks & Spencer. Inditex, der Mutterkonzern der Marken Zara, Massimo Dutti, Bershka und Pull & Bear, begründete den Rückzug aus Myanmar mit "dem Aufruf von IndustriALL".

Die globale Gewerkschaft IndustriALL setzt sich weltweit für faire Arbeitsbedingungen ein und kämpft nach eigenen Angaben "für ein anderes Modell der Globalisierung und ein neues Wirtschafts- und Sozialmodell". Nach dem Militärputsch in Myanmar hätten sich die Arbeitsbedingungen in den Fabriken so verschlechtert, dass IndustriALL Unternehmen nun davon überzeugen will, nicht länger in das Land zu investieren.

Auch die Zulieferfabriken von Inditex scheinen zudem von den Missbrauchsfällen betroffen zu sein. Wie Reuters berichtet, habe BHRRC in den zwei Jahren seit der Machtübernahme des Militärs 21 Fälle von mutmaßlichen Missbräuchen im Zusammenhang mit Inditex-Lieferanten aufgedeckt. Inditex lehnte es ab, den Bericht zu kommentieren.

Mehr Präsenz vor Ort

Seit die Militärjunta in Myanmar die Macht übernommen und das Land in eine politische und humanitäre Krise gestürzt hat, verfolgt die BHRRC Vorwürfe von Verstößen gegen Arbeitnehmerrechte in Bekleidungsfabriken. Nach eigenen Angaben nutzt Die Organisation zur Aufdeckung der Fälle Quellen wie Gewerkschaftsführer, internationale und lokale Medien wie die "Myanmar Labour News" und versuche, Berichte zu überprüfen, indem sie sich bei Marken erkundigt und Beschäftigte befragt.

Wann genau sich die Modekonzerne ganz aus Myanmar zurückziehen, ist unklar. Primark geht davon aus, dass seine letzten Bestellungen von Lieferanten aus Myanmar noch in diesem Jahr ausgeliefert werden. "Während wir auf unseren Ausstieg hinarbeiten, haben wir die Größe unseres Ethical Trade-Teams vor Ort verdoppelt, was es uns ermöglicht, die Fabriken, mit denen wir noch zusammenarbeiten, regelmäßiger zu besuchen und uns eine größere Sichtbarkeit zu verschaffen", so Primark gegenüber Reuters.

Auch andere Marken, die ihre Bekleidung in Myanmar produzieren lassen, wollen die Überwachung der Lieferanten verstärken und dafür vor allem die eigenen Außenstellen im Land mit mehr Personal ausstatten. Das dänische Modeunternehmen Bestseller hat seit dem Putsch seine Mitarbeiterzahl vor Ort von drei auf elf erhöht, wie das BHRRC in einer Umfrage unter Marken herausfand.

Wichtiger Arbeitgeber in Myanmar

H&M und Bestseller gehören zu den 18 Marken, die Teil des von der Europäischen Union finanzierten Projekts MADE sind, das darauf abzielt, die Arbeitsbedingungen in Myanmars Bekleidungsfabriken zu verbessern. Die EU ist der Ansicht, dass Unternehmen weiterhin Kleidungsstücke aus Myanmar beziehen sollten. Denn die Branche mit mehr als 500 Fabriken, die Kleidung und Schuhe für große Marken herstellen, ist in Myanmar ein wichtiger Arbeitgeber.

"Wenn Sie sich als Unternehmen an Gesprächen mit lokalen Arbeitsrechtsgruppen und Gewerkschaften über Löhne und Arbeitsbedingungen beteiligen, können Sie Einfluss nehmen", sagte Karina Ufert, Geschäftsführerin der Europäischen Handelskammer in Myanmar: "Wenn man das Land verlässt, ist es schwer zu erkennen, wie man Einfluss auf die lokalen Verhältnisse nehmen kann."