Kündigung

Vorgehen von Banken Kündigungen für Negativzins-Verweigerer

Stand: 09.04.2022 12:47 Uhr

Wer Negativzinsen bei hohen Einlagen nicht zustimmt, dem droht die Konto-Kündigung der Bank. Mehrere Geldhäuser haben bereits vermögende Kunden rausgeworfen. Die große Welle könnte aber noch kommen - bei Kleinsparern.

Von Notker Blechner, tagesschau.de

Jetzt greifen mehrere Banken durch: Ein Jahr nach der Stadtsparkasse Düsseldorf haben auch andere Geldinstitute vermögenden Kunden gekündigt, die Negativzinsen nicht akzeptieren wollten, die sogenannten Verwahrentgelte für Guthaben auf ihren Konten. So hat die Postbank mit mehreren Kunden, die Guthaben von mehr als 50.000 Euro hatten, die Geschäftsbeziehung beendet.

Laut einem Deutsche-Bank-Sprecher handelt es sich um wenige Einzelfälle. "Die Bankverbindung mit den wenigen Kunden, die nach Abschluss eines mehrstufigen Anspracheprozesses mit uns weder eine passende Anlagealternative noch ein Verwahrentgelt vereinbaren wollten, müssen wir zu unserem Bedauern beenden", sagte er tagesschau.de. Eine genaue Anzahl der betroffenen Kunden wollte er nicht nennen. Mit den meisten Kunden konnte bislang jedoch eine einvernehmliche Lösung gefunden werden.

Postbank und Dortmunder Sparkasse kündigen einzelnen Kunden

Auch die Sparkasse Dortmund hat über einem Dutzend Kunden wegen der Verwahrentgelte gekündigt. Das "Handelsblatt" berichtet von 15 Fällen. Bereits vor einem Jahr hatte die Stadtsparkasse Düsseldorf zwei Dutzend vermögender Kunden hinausgeworfen, die Strafzinsen auf Giro- und Tagesgeld-Konten nicht hinnehmen wollten.

Weitere Institute drohen ihren Kunden mit Kündigung. Die ING zum Beispiel erwägt in den nächsten Wochen solche Maßnahmen bei Kunden, die die neuen Geschäftsbedingungen zu den Verwahrentgelten nicht akzeptieren. "Bei einer niedrigen vierstelligen Anzahl von Kunden, die auch nach mehrfacher Erinnerung nicht zugestimmt haben, werden wir diesen Schritt nun gehen und ihnen im April mit einer angemessenen Frist kündigen", erklärte ein Sprecher der Direkt-Bank auf Anfrage von tagesschau.de. Andere Geldhäuser wie die Commerzbank oder die Berliner Sparkasse warten noch ab und setzen auf einvernehmliche Lösungen.

Verbraucherschützer warnen vor unrentablen Alternativen

Die Verbraucherschützer warnen vor "teuren und riskanteren Alternativen, damit kein Verwahrentgelt fällig wird". Die angebotenen Produkte seien oft nicht bedarfsgerecht, sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. "Meist sind sie wegen hoher Kosten zu teuer, so dass sie im aktuellen Zinsumfeld kaum positive Renditen erwarten lassen." Nauhauser: "Die Geldinstitute nutzen die Drohkulisse Verwahrentgelt und jüngst auch die hohe Inflationsrate, um den Ratsuchenden Anlageprodukte wie zum Beispiel Mischfonds, standardisierte Vermögensverwaltungen und private Rentenversicherungen zu verkaufen, für die sie hohe Provisionen erhalten." Wer Negativzinsen ausweichen möchte, lande so schnell in der Provisionsfalle der Banken.

Immer mehr Banken und Sparkassen verlangen von ihren Kunden Verwahrentgelte. 449 von rund 1300 Instituten erheben einer aktuellen Auswertung zufolge inzwischen Negativzinsen ab bestimmten Summen auf einem Tagesgeld- oder Girokonto. Verbraucherschützer halten die Verwahrentgelte für unzulässig. Zwei Gerichte haben ihnen Recht gegeben. Das Landgericht Berlin und auch das Landgericht Düsseldorf erklärten Verwahrentgelte unter bestimmten Bedingungen für unzulässig. Die Landgerichte in Leipzig und Tübingen haben dagegen keine Bedenken gegen Verwahrentgelte. Die Rechtslage ist also immer noch ungeklärt.

Bald keine Verwahrentgelte mehr?

Die mögliche Zinswende könnte freilich die Diskussion bald überflüssig machen. Mehrere Institute haben angekündigt, ihre Verwahrentgelte abzuschaffen, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Strafzinsen für Banken einstellt. "Sobald die EZB ihre Negativzinspolitik beendet, werden wir das Verwahrentgelt für unsere Privatkunden zurücknehmen.", verspricht die ING. Das sei auch nicht schwer, meint Verbraucherschützer Nauhauser. In vielen Verwahrverträgen sei eine Bindung des Verwahrentgelts an den Zinssatz der EZB vereinbart. "Steigt der EZB-Zins auf null, entfällt das Verwahrentgelt automatisch."

"Bei Verwahrentgelten könnte sich die Lage bald entspannen", glaubt auch Bank-Experte Hans-Peter Burghof von der Uni Stuttgart-Hohenheim. Dagegen dürfte es weiter eine Vielzahl von Kündigungen von Kunden geben, die nach dem letztjährigen Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Rückerstattung von Gebühren die neuen Geschäftsbedingungen (AGB) der Banken nicht akzeptieren. "Die Banken werden nicht für ihre Verwahrentgelte kämpfen, dafür um so mehr für ihre AGB", sagte Burghof tagesschau.de.

Vielen Kleinsparen droht jetzt die Kündigung

Momentan haben bei vielen Banken erst rund 70 Prozent der Kunden den neuen Geschäftsbedingungen zugestimmt. Nun arbeiten sie die restlichen 30 Prozent ab. Die Banken werden Kündigungen dann aussprechen, wenn eine Zustimmungsquote von 85 bis 95 Prozent erreicht ist, meint Oliver Mihm, Chef der Bankberatungsfirma Investors Marketing. Er rechnet mit zunehmenden Kündigungen von Kündigungen. Es werde aber keine ganz große brutale Kündigungswelle werden, wiegelt er ab.

Noch warten einige Institute ab. Die Postbank lässt zum Beispiel ihren GiroPlus-Kunden, die noch nicht den AGB zugestimmt haben, noch bis Juni Zeit. Eine mittlere fünfstellige Zahl an Postbank-Kunden mit Giro-plus-Konto habe ein neues Produktangebot erhalten, das bei gleicher Leistung, Kontonummer und IBAN "nicht teurer ist als unsere bisherigen Produktangebote", erklärte ein Sprecher der Deutschen Bank auf tagesschau.de-Anfrage. Bis jetzt hätten über 90 Prozent der Postbank-, Deutsche-Bank- und Norisbank-Kunden den neuen Geschäftsbedingungen zugestimmt, betonte der Sprecher.

Insgesamt aber dürfte es in den nächsten Monat viel Bewegung im deutschen Privatkunden-Geschäft geben. "Viele Kunden werden die Bank wechseln", prophezeit Bank-Experte Burghof.