Fragen und Antworten So funktioniert ein Kredithebel

Stand: 21.10.2011 16:45 Uhr

Zur Lösung der Schuldenkrise ist eine Stärkung des Euro-Rettungsschirms EFSF im Gespräch. Seine Wirkung könnte durch einen Kredithebel vervielfacht werden. Dann könnte mehr Geld in die Bekämpfung der Schuldenkrise fließen. Doch wie geht das? tagesschau.de beantwortet Fragen zur Hebelwirkung.

Was ist ein Kredithebel?

Allgemein bedeutet ein Kredithebel, dass mit Hilfe fremden Kapitals die Wirkung des eigenen Geldes erhöht wird. Ein Beispiel: Wer 200 Euro eigenes Geld anlegt und nach einem Jahr 220 Euro zurückbekommt, kann sich über eine Rendite von zehn Prozent freuen. Anders sieht es aus, wenn man nur 100 Euro hat und sich weitere 100 Euro zu einem Zinssatz von fünf Prozent leiht. Die Gesamtinvestition von 200 Euro erbringt nach einem Jahr ebenfalls 220 Euro. Wenn man das geliehene Geld und die Zinsen zurückgezahlt hat, bleibt unter dem Strich noch ein Gewinn von 15 Euro. Das bedeutet, dass die Rendite für die 100 Euro Eigenkapital bei 15 Prozent liegt. Mit Hilfe dieser Hebelwirkung (englisch "leverage") lassen sich also höhere Renditen erzielen.

Allerdings werden auch die Verlustrisiken vervielfacht. Wenn man beim genannten Beispiel von den 200 Euro, die man investiert hat, nach einem Jahr nur noch 180 Euro zurückbekommt - etwa infolge des Kursverlustes einer gekauften Aktie - dann wird dies deutlich: Falls die 200 Euro aus Eigenkapital stammen, steht am Ende ein Verlust von zehn Prozent. Wenn man sich die Hälfte des angelegten Geldes geliehen hat, summiert sich das eigene Minus am Ende auf 25 Prozent des Eigenkapitals.

Beispielrechnungen für Kredithebel
Variante Gewinn Variante Gewinn (mit Hebel) Variante Verlust Variante Verlust (mit Hebel)
Eigenkapital 200 Euro 100 Euro 200 Euro 100 Euro
Kredit (Zinssatz 5%) 0 100 Euro 0 100 Euro
Investiertes Kapital 200 Euro 200 Euro 200 Euro 200 Euro
Zu zahlende Zinsen 0 5 Euro 0 5 Euro
Gewinn/Verlust vor Zinsen 20 Euro 20 Euro -20 Euro -20 Euro
Gewinn/Verlust nach Zinsen 20 Euro 15 Euro -20 Euro -25 Euro
Eigenkapitalrendite 10% 15% -10% -25%

Was ist beim Rettungsschirm mit Kredithebel gemeint?

Die stabilisierende Wirkung der Hilfen des Euro-Rettungsschirms EFSF soll durch die Hebelwirkung vervielfacht werden. Dafür müssen die bislang verfügbaren 440 Milliarden Euro, für die die Euro-Staaten mit ihren Garantien bürgen, nicht aufgestockt werden. Vielmehr soll das Geld so genutzt werden, dass andere Investoren ihrerseits möglichst viele Geld für die Unterstützung von Krisenstaaten bereitstellen. Auf diese Weise werden die EFSF-Mittel also gehebelt, um einen großen Effekt zugunsten der hoch verschuldeten Euro-Staaten zu erzielen. Wie das genau aussehen könnte, ist noch nicht festgelegt. Ursprünglich waren mehrere Varianten im Gespräch. Als klarer Favorit gilt inzwischen die Variante, bei der die Hebelwirkung dadurch erreicht werden soll, dass der EFSF das Ausfallrisiko beim Kauf von Staatsanleihen durch andere Investoren teilweise absichert.

Wie soll die Hebelwirkung beim EFSF funktionieren?

Vieles deutet darauf hin, dass die Hebelwirkung durch eine Art Versicherungsmodell zustande kommen soll, das ähnlich wie eine Teilkaskoversicherung funktioniert. Der Rettungsschirm wäre quasi das Versicherungsunternehmen. Die Versicherten wären private Investoren. Der Schadensfall, bei dem der Rettungsschirm Geld bezahlen müsste, wäre dann gegeben, wenn ein Staat das geliehene Geld an die privaten Investoren nicht zurückzahlen könnte.

Dieses Modell käme nach den bisherigen Überlegungen zum Einsatz, wenn hoch verschuldete Staaten neue Anleihen ausgeben, um sich frisches Geld zu besorgen. Der Rettungsschirm EFSF kann zwar laut der gerade beschlossenen Reform solche Staatsanleihen selbst aufkaufen. Beim nun diskutierten Kredithebel soll der EFSF aber darauf verzichten. Stattdessen sollen andere Investoren die Schuldscheine kaufen. Um genügend Interessenten anzulocken, könnte der EFSF mit seinem Garantiestock bis zu einer gewissen Grenze das Risiko absichern, dass ein Staat das geliehene Geld nicht zurückzahlen kann. Das restliche Verlustrisiko müssten die Investoren selbst tragen. Die Grenze der Absicherung könnte zwischen 20 und 30 Prozent liegen und von Fall zu Fall neu festgelegt werden. Wenn am Markt etwa das Ausfallrisiko für italienische Staatsanleihen mit 20 Prozent bewertet würde, könnten 100 Milliarden Euro des EFSF den Kauf von Staatsanleihen im Wert von 500 Milliarden Euro durch private Investoren absichern. Die EFSF-Mittel könnten in diesem Beispiel auf das Fünffache gehebelt werden.

Welche Alternative steht zur Debatte?

Frankreich favorisiert eine andere Variante, um die Finanzmittel des Rettungsschirms zu hebeln und deutlich mehr Geld als als die 440 Milliarden Euro des EFSF in die Lösung der Schuldenkrise zu lenken. Bei diesem Modell erhielte der Rettungsschirm eine Banklizenz. Der EFSF könnte sich dann wie andere Banken bei der Europäischen Zentralbank (EZB) Geld leihen. In der Praxis sähe das so aus: Der EFSF kauft mit seinem vorhandenen Geld Staatsanleihen hoch verschuldeter Euro-Länder. Diese Staatsanleihen hinterlegt er bei der EZB als Sicherheit, um sich dort frisches Geld zu leihen. Dieses Geld investiert der Rettungsschirm in weitere Staatsanleihen. Diese kann er wiederum als Sicherheiten bei der EZB hinterlegen, um weitere Kredite zu bekommen. Durch diesen Kreislauf könnte sich der EFSF bei der Zentralbank praktisch unbegrenzt Geld besorgen und damit seine ursprünglich vorhandenen Mittel vervielfachen. Faktisch müsste die EZB aber dabei die Notenpresse anwerfen und verlöre weitgehend ihre politische Unabhängigkeit, weil sie sich durch die Hintertür an Rettungsaktionen der Regierungen beteiligen müsste. Die EZB ist daher gegen dieses Modell.

Welche Vorteile haben Kredithebel in der Schuldenkrise?

Der wichtigste Vorteil besteht darin, dass weitaus mehr Geld zur Rettung hoch verschuldeter Staaten eingesetzt werden kann - und zwar ohne das Kapital des EFSF aufzustocken und ohne den Euro-Staaten höhere Haftungsrisiken aufzubürden. Denn die entscheidende Rolle beim Kredithebel sollen private Investoren und andere Geldgeber wie Staatsfonds aus Asien oder arabischen Ländern spielen. Mit deren Unterstützung könnten die Finanzhilfen zur Lösung der Schuldenkrise vervielfacht werden. Aus einem Euro des Rettungsfonds könnten faktisch fünf Euro oder noch mehr werden, die in die Stabilisierung der Eurozone fließen. Die Hebelwirkung wird vor allem deswegen als Möglichkeit diskutiert, weil die Sorge besteht, dass auch der aufgestockte EFSF nicht genug Mittel hat, um die Schuldenkrise nachhaltig zu lösen. Gleichzeitig gilt es als schwierig, die Bevölkerung in den Staaten der Eurozone von noch höheren Garantien zu überzeugen.

Welche Nachteile haben Kredithebel in der Schuldenkrise?

Gegner argumentieren vor allem, dass durch die Hebelwirkung auch die Risiken vervielfacht werden. Letztlich steige damit das Haftungsrisiko für die Steuerzahler deutlich an, falls ein Staat doch pleite gehen sollte. Denn egal, ob der Rettungsschirm EFSF oder die Europäische Zentralbank am Ende Verluste verbucht: Letztlich müssen die Steuerzahler der Euro-Staaten dafür zahlen. Unklar ist, ob durch das Versicherungsmodell die Risiken des Kredithebels minimiert werden können.

Zusammengestellt von David Rose, tagesschau.de