Menschen gehen am Mittwoch in London durch das Einkaufsviertel an der Oxford Street in London.

Düstere Prognosen Großbritannien droht die Stagflation

Stand: 20.05.2022 11:27 Uhr

Eine der höchsten Inflationsraten unter den Industriestaaten lässt britische Familien in die Armut rutschen. Die Regierung baut auf Wirtschaftswachstum, doch die ökonomischen Aussichten sind schlecht.

Für Rishi Sunak geht es um alles. Der britische Finanzminister steht unter Druck. Die Inflation im Vereinigten Königreich ist hoch - gleichzeitig sind die Aussichten für das Wirtschaftswachstum eher mäßig.

Die ökonomische Lage sei ernst, betonte Sunak in einer Rede vor Mitgliedern des britischen Industrieverbandes CBI. Ein globaler Sturm, der die Lieferketten unterbricht, treffe die Wirtschaft. Ukraine-Krieg, Corona, Lieferengpässe in China - der Finanzminister wollte deutlich machen: Für vieles könne die Regierung nichts.

Zu wenig Investitionen?

Stimmt das? Beim Industrieverband gab es Gegenrede. Britische Unternehmen investierten deutlich weniger als Firmen in anderen Ländern, sagte Tony Danker, Generaldirektor des Industrieverbandes. In Großbritannien herrsche ein schlechtes Investitionsklima. Das habe der Finanzminister auch anerkannt und deswegen angekündigt, die Steuern zu senken.

Doch die Pläne sind sehr vage. Und eigentlich hatte die Regierung Steuererhöhungen geplant. Unternehmer sind verunsichert. "Da gibt es viel, was die Regierung tun könnte, um die Produktivität und das Wachstum anzukurbeln", so Danker. "Projekte im Bereich grüne Energien, Infrasturkturprojekte, Medizintechnik - bestätigen, finanzieren, an den Start bringen. Das wird das Wirtschaftswachstum anschieben, das wir brauchen."  

Notenbank in Sorge

Und das Vereinigte Königreich braucht einen Schub. Viele Kerndaten weisen auf eine schlechte Entwicklung hin. Der Internationale Währungsfonds hat berechnet, dass das Vereinigte Königreich 2023 das niedrigste Wachstum aller G7-Staaten verzeichnen könnte. Und die Inflation könnte schon bald über zehn Prozent liegen, sagte Notenbankchef Andrew Bailey in dieser Woche. Er habe große Bedenken. Das habe niemand vorhersehen können. 

Bailey argumentierte, die Inflation steige weltweit und entschuldigte sich, dass er in seinen Ausführungen so apokalyptisch sei. Doch Kritiker argumentieren: In Großbritannien ist die Inflation viel höher als in anderen Ländern, beispielsweise der Eurozone.  

Forderung nach Steuersenkungen

"Die Inflation in Großbritannien ist eine der höchsten in der Welt. Wegen der miesen Regierungspolitik", kritisierte etwa Ed Davey, der Vorsitzende der Liberal-Demokraten. "Das Schlimmste ist: Diese Politik lässt Familien und Pensionäre außen vor, die von den hohen Preisen getroffen sind. Wir fordern eine Steuersenkung, zum Beispiel bei der Mehrwertsteuer. Das würde einer durchschnittlichen Familie 600 Pfund bringen, das wäre ein gutes Signal."

Solche Maßnahmen für Haushalte lehnt die Regierung bislang ab. Die Argumentation: Es sollte kein Behandeln der Symptome, sondern der Ursachen geben. Will heißen: Das Wirtschaftswachstum soll angekurbelt werden. Doch das - so sieht es derzeit aus - gelingt der Regierung genauso wenig.

Christoph Prössl, Christoph Prössl, ARD London, 20.05.2022 10:47 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten das ARD-Mittagsmagazin am 18. Mai 2022 ab 13:00 Uhr.