Reaktion auf ChatGPT Google-Suche bald mit Künstlicher Intelligenz
Bei der Websuche hat Google Nachholbedarf: Während ChatGPT schon präzise Antworten auf Fragen gibt, spuckt Google vor allem Links aus. Doch jetzt plant der Tech-Riese eine neue KI-Websuche.
Weltweit ringen Techkonzerne um die führende Position im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Gerade bei der Websuche lockt ein Milliardenmarkt, der derzeit von Google dominiert wird. Diese Position will der Konzern halten und hat gestern auf der Entwicklerkonferenz Google I/O in den USA viele Neuerungen rund um seine Suchmaschine bekanntgegeben.
Die neue Devise bei der Websuche lautet: "Wir erledigen das Googeln für sie", sagte die zuständige Top-Managerin Liz Reid. So bessert die Alphabet-Tochter die Suchmaschine und andere Dienste mit Künstlicher Intelligenz auf. Man könne nun in einer Suchanfrage nun mehrere Fragen stellen - zum Beispiel nicht nur, wo sich Pilates-Studios in Boston befänden, sondern auch, wie man dort hinkommt und ein Zeitfenster bucht.
Google setzt im Wettbewerb mit dem populären Chatbot ChatGPT und anderer Software mit Künstlicher Intelligenz auf das hauseigene KI-Modell Gemini. Die von KI erzeugte Übersichten zu Suchergebnissen sollen bald für alle Nutzer in den USA verfügbar sein. Und weitere Länder sollen folgen, so Konzernchef Sundar Pichai.
Konkurrenz ist Gefahr für Googles Geschäftsmodell
Mehrere KI-Start-ups versuchen aktuell, Google stärker Konkurrenz bei der Internetsuche zu machen. Sie setzen dabei darauf, den Nutzern schneller konkrete Antworten statt nur Weblinks zu liefern. Wenn sich ein solches Suchverhalten einbürgert, könnte das Googles bisheriges Geschäftsmodell stark gefährden: Der Mutterkonzern Alphabet hat im Jahr 2023 einen Umsatz von 307,4 Milliarden Dollar gemacht, wobei er den Großteil der Einnahmen mit Links von Werbekunden erzielt hat, die neben den Suchergebnissen platziert werden. "Dies ist ein Moment des Wachstums und der Möglichkeiten", antwortete Pichai Reportern auf die Frage, ob die KI-Updates das profitable Geschäft von Google gefährden könnten.
Bisher konnten die KI-Wettbewerber wie Perplexity AI die Dominanz des Internet-Riesen in dem Geschäft aber nicht ernsthaft infrage stellen. Google selbst führte derweil bereits unter anderem eine Funktion ein, bei der es für eine Internetsuche reicht, ein Objekt auf einem Foto oder Worte auf dem Smartphone-Display einzukreisen. Mit den neuen Funktionen geht der Konzern selbst stärker über das Konzept der nützlichen Links hinaus.
Reparaturhilfe mit KI-Video?
Ein weiteres Beispiel war, dass es reichen soll, die Suche mit dem Bild von einem defekten Plattenspieler zu füttern, damit die KI-Software Lösungen für den Defekt findet. Die neue KI-gestützte Suche wird zunächst in den USA auf Englisch eingeführt. Sie soll aber "in absehbarer Zeit" nach Europa und Deutschland kommen. Google-Managerin Reid kündigte an, dass AI Overviews, die KI-Google-Suche, bis Ende des Jahres über eine Milliarde Menschen erreichen werde.
"Wir investieren seit mehr als einem Jahrzehnt in KI", betonte Pichai. Und doch sei man bei der Technologie erst am Anfang. Google arbeitet unter anderem daran, das sogenannte "Kontext-Fenster" zu erweitern - das ist die Menge an Informationen, die ein KI-Modell gleichzeitig auswerten kann. Aktuell könne die KI-Software in der Abo-Version ein bis zu 1.500 Seiten langes PDF-Dokument oder ein einstündiges Video auf einmal erfassen und Fragen dazu beantworten. Kein anderer Chatbot sei dazu in der Lage, betonte Google-Managerin Sissie Hsiao. Zum Jahresende wolle man die Werte verdoppeln.
Eigenständig Retouren übernehmen und ummelden
Google setzt auch auf "KI-Agenten" - Assistenten, die eigenständig Aufgaben mit mehreren Schritten erfüllen können. Sie könnten sich etwa komplett um Retouren kümmern oder bei einem Umzug die nötigen Ummeldungen erledigen und nützliche Adressen in der neuen Nachbarschaft heraussuchen.
Pichai demonstrierte unter anderem, wie die Software jetzt aus der Sammlung persönlicher Fotos auf Wunsch alle Bilder heraussuchen kann, bei denen es zum Beispiel um die Schwimm-Fortschritte eines Kindes geht. Zum Schluss ließ der Google-Chef Gemini nachzählen, wie oft der Begriff KI in der knapp zweistündigen Präsentation fiel: Es war danach mehr als 120 Mal.
Ein weiterer Bereich, in dem Google zeigte, wie es sich gegen seine Konkurrenten behauptet, war die Videogenerierung. Das Unternehmen stellte Veo vor, ein KI-Modell, das Videos mit einer Auflösung von 1080 Pixeln und einer Dauer von mehr als einer Minute erstellen kann und für zugelassene Urheber auf Vorschaubasis verfügbar ist, darunter der Filmemacher Donald Glover. OpenAI hat unter Hollywood-Führungskräften für seine eigene Software zur Filmerstellung geworben und damit die Kreativbranche sowohl begeistert als auch beunruhigt.
Video-Assistent von Google: "Project Astra"
Der Erfolgs- und Konkurrenzdruck für Alphabet ist derzeit groß. Analyst Jacob Bourne von eMarketer sagte, dass der Start von AI Overviews in dieser Woche ein Indikator dafür sein werde, wie gut Google sein Suchprodukt an die Anforderungen der generativen KI-Ära anpassen kann. Am Vortag hatte der ChatGPT-Entwickler OpenAI die Latte für die Google-Ankündigungen hochgelegt. OpenAI präsentierte eine ChatGPT-Version, die sich fließend mit Menschen unterhalten und auch deren Gemütszustand erkennen kann. Google experimentierte schon seit Jahren mit KI-Software, der Chatbot ChatGPT überholte dann aber Software des Internet-Riesen beim Markteintritt.
Google demonstrierte zunächst in einem Video eine Version seiner KI mit dem Namen "Project Astra", mit der man sich ohne Verzögerungen unterhalten und Fragen zu Objekten stellen kann, die sie über die Smartphone-Kamera sieht. Dabei wirkt es wie in einem Video-Call, in dem Fragen live beantwortet werden können. In einem Demo-Video, das gezeigt wurde, identifizierte ein Nutzer damit etwa einen Lautsprecher und fand seine Brille, die er in einem anderen Teil des Raums vergessen hatte.
Nur einen Tag nach der Vorstellung des neuen KI-Modells verlässt einer der wichtigsten KI-Experten von OpenAI das Unternehmen. "Nach fast einem Jahrzehnt habe ich die Entscheidung getroffen, OpenAI zu verlassen", teilte Ilya Sutskever auf dem Kurznachrichtendienst X mit. "OpenAI wäre ohne ihn nicht das, was es ist", sagte Sam Altman, CEO des von Microsoft unterstützten Unternehmens, über Sutskever. Sutskever war im vergangenen Jahr am Rauswurf von Altman beteiligt. Sutskever änderte seine Meinung und schrieb, er bedauere seinen Vorstoß. Der "New York Times" zufolge blieb Sutskever danach zwar weiterhin ein Beschäftigter von OpenAI, kehrte aber nicht zum Arbeiten zurück.