Händlerin an der New Yorker Börse
marktbericht

Wall Street schnauft durch KI-Rally verliert an Schwung

Stand: 23.02.2024 22:25 Uhr

Die Rally an der Wall Street hat sich im Verlauf verlangsamt, nachdem es zum Handelsstart noch neue Rekorde gegeben hatte. Im Fokus stand erneut die Nvidia-Aktie, die den KI-Hype derzeit anführt.

Die vom Chiphersteller Nvidia entfachte Rally an den US-Börsen hat heute im Handelsverlauf zunehmend an Schwung verloren. Anfänglich neue Rekordhochs konnten die großen Aktienindizes der Wall Street nicht behaupten. Sie beendeten eine allerdings spektakuläre Börsenwoche mit zahlreichen neuen Rekordständen letztlich wenig verändert.

Beim Index der Technologiebörse Nasdaq ging es heute in der Spitze bis auf 16.134 Punkte bergauf, der Auswahlindex Nasdaq 100 stieg bis auf seine neue Bestmarke bei 18.091 Punkten. Am Ende standen beide Indizes aber leicht rund 0,3 Prozent im Minus. Anleger machten bei Titeln von Marktschwergewichten wie Apple, Alphabet und Tesla Kasse.

Der Dow-Jones-Index der Standardwerte markierte im frühen Geschäft bei 39.282 Zählern ein frisches Rekordhoch. Am Ende schloss der Dow bei 39.131 Punkten um 0,16 Prozent leicht höher. Der breiter gefasste S&P 500 stieg bis auf 5.111 Zähler und ging letztlich bei 5.088 Punkten um 0,1 Prozent ebenfalls nur leicht höher aus dem Handel.

Star an der Wall Street blieb auch heute die Nvidia-Aktie. Der Grafikkarten- und Prozessoranbieter hatte am Donnerstag Bedenken hinsichtlich eines womöglich nachlassenden KI-Nachfrageschwungs mit seinem Geschäftsausblick beiseite gewischt und erreicht nun als erstes Halbleiterunternehmen eine Bewertung von zwei Billionen US-Dollar.

Im frühen Handel wurden in der Spitze 823,94 Dollar bezahlt, am Ende stand das Papier dann nur noch bei 788,17 Dollar, ein Tagesplus von 0,36 Prozent. Die Schwelle von zwei Billionen Dollar war bei etwa 800 Dollar erreicht. Das Papier verdrängte damit die Aktie der Google-Mutter Alphabet von Platz drei der wertvollsten Börsenunternehmen der Welt. Nur noch Apple und Microsoft haben einen höheren Börsenwert - der Abstand ist allerdings sehr groß.

Nvidia-Papiere sind im Höhenflug, seitdem der am Mittwochabend vorgelegte Quartalsbericht des Chipdesigners und KI-Vorreiters die hohen Erwartungen der Wall Street getoppt hatte. Allein am Donnerstag war der Börsenwert um 277 Milliarden US-Dollar gewachsen - der größte Tagesgewinn in der Geschichte der Wall Street.

Im Ausblick für die Aktie scheiden sich bei den Experten aber die Geister. "Ich vermute, dass dem Aufschwung irgendwann die Kraft ausgeht. Übermäßige Überschwänglichkeit am Markt wird wahrscheinlich zu einem spürbaren Rückgang führen", sagte Peter Cardillo, Chefökonom bei Spartan Capital Securities.

Art Hogan, Marktstratege bei B Riley Wealth, sieht hingegen noch Luft nach oben. "Wir sehen, dass künstliche Intelligenz an den Aktienmärkten für große Aufregung sorgen wird. Nvidia haben eindeutig noch mehr Potenzial vor sich."

Der DAX hat am Nachmittag nach zunächst verhaltenem Handelsverlauf noch Fahrt aufgenommen und in der Spitze bei 17.443 Punkten ein neues Allzeithoch markiert. Das alte Rekordhoch, das der Index erst am Vortrag markiert hatte, war damit schon wieder Geschichte. Der Schlussstand lag bei 17.419 Punkten, ein Tagesgewinn von 0,28 Prozent.

Insgesamt waren die Schwankungen nach einer aufregenden Börsenwoche aber überschaubar, das Tagestief lag bei 16.354 Punkten. Auf Wochensicht erreichte der DAX auf einen Gewinn von rund 1,7 Prozent. Der MDAX der mittelgroßen Werte grenzte seine Verluste im Verlauf auf 0,38 Prozent ein auf 25.999 Punkte.

Die Anleger waren auch heute noch dabei, den durch den US-Chipkonzern Nvidia neu losgetretenen Hype um Künstliche Intelligenz (KI) und Technologie zu verarbeiten, der diese gestern in einen regelrechten Kaufrausch versetzt hatte. Die KI-Euphorie schwappt damit mehr und mehr auch auf den deutschen Markt über, die Bullen (Käufer) bleiben am Drücker. "Die Hausse nährt die Hausse", so lautet ein altes Börsensprichwort, das einen "Bullenmarkt" beschreibt.

"Plötzlich sind hohe Bewertungen und Finanzierungsprobleme wegen hoher Zinsen kein Problem mehr, der KI-Hype stellt alles andere in den Schatten", erklärte Jürgen Molnar, Kapitalmarkstratege beim Broker RoboMarkets.

Analysten rechnen damit, dass der DAX seinen Höhenflug fortsetzen dürfte. "Die Rally scheint im Moment Flügel zu haben", sagte Portfoliomanager Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners. Der Index nähere sich in größeren Schritten als von vielen gedacht der 18.000er-Marke.

Update Wirtschaft vom 23.02.2024

Melanie Böff, HR, tagesschau24, 23.02.2024 09:00 Uhr

Die hohen DAX-Kurse waren umso bemerkenswerter, als dass mit den Aktien der Deutschen Telekom und Allianz zwei DAX-Schwergewichte nach ihren Geschäftsausweisen im Minus standen. Zwar waren deren Ergebnisse gewohnt solide ausgefallen, so mancher Anleger hätte sich aber wohl noch mehr erwartet und machte vor dem Wochenende Kasse.

An der DAX-Spitze hingegen herrschte ein fast schon gewohntes Bild mit Rheinmetall an der Indexspitze. Zu den Gewinnern gehörten neben der Deutschen Börse auch Siemens, die bei 175,30 Euro so hoch schlossen wie noch nie. Auch die Autoaktien setzen ihren guten Lauf nach den gestrigen Mercedes-Zahlen fort.

Aus der deutschen Wirtschaft kommen derweil weiterhin bestenfalls neutrale Signale. So hat sich die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft im Februar wie erwartet leicht aufgehellt. Das ifo-Geschäftsklima stieg auf 85,5 Punkte von 85,2 Zählern im Vormonat, wie das Münchner Institut zu seiner Umfrage unter rund 9.000 Führungskräften mitteilte. Anlass zu Euphorie ist das aber Experten zufolge nicht. "Die Konjunktur stabilisiert sich auf niedrigem Niveau", sagte ifo-Präsident Clemens Fuest.

"Offensichtlich leiden die Unternehmen in Deutschland massiv unter vielen strukturellen Belastungen wie Bürokratie, lange Genehmigungsverfahren, hohe Energiepreise und Steuern, ohne dass die Regierung entschlossen umsteuert", betonte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Das weiterhin niedrige Niveau des ifo-Geschäftsklimas stützt unsere Prognose, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal erneut schrumpfen wird."

Der Euro gab am späten Nachmittag leicht nach und wurde zuletzt im US-Handel ebenfalls wenig verändert bei 1,0819 Dollar gehandelt. Die Kursschwankungen waren insgesamt überschaubar. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0834 (Donnerstag: 1,0844) Dollar fest.

Konjunkturdaten aus Deutschland fielen positiv aus, konnten dem Euro aber keinen Rückenwind verschaffen. Das ifo-Geschäftsklima hellte sich im Februar leicht auf. "Die Konjunktur stabilisiert sich auf niedrigem Niveau", sagte ifo-Präsident Clemens Fuest.

Die Ölpreise haben zum Wochenschluss merklich nachgegeben. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung kostete zuletzt 80,94 Dollar, rund drei Prozent weniger als gestern. Der Preis für ein Fass der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) fiel um 2,1 Prozent auf 76,67 Dollar.

Die zuletzt deutlich gestiegenen US-Rohölexporte lasteten auf den Ölpreisen, sagten Händler. Laut dem Analysehaus Kepler sind die Rohölexporte mit 4,81 Millionen Barrel auf einen Rekordstand gestiegen. Dies wäre knapp eine Million Barrel pro Tag mehr als im Januar. Dies dürfte es dem Ölverbund Opec+ erschweren, mit ihren Förderbegrenzungen die Ölpreise zu stützen.

Als starke Einflussfaktoren gelten derzeit am Ölmarkt der Gaza-Krieg und die angespannte geopolitische Lage im ölreichen Nahen Osten. Beides sorgt am Erdölmarkt für erhöhte Risikoaufschläge. Auf der Nachfrageseite bereiten im Gegenzug die vielerorts schwächelnde Nachfrage und verhaltene Konjunkturaussichten Sorge, insbesondere in China.

Trotz höherer Dividende wendeten sich die Anleger von der Allianz ab. Die Aktien des Versicherungsriesen waren mit einem Abschlag von 3,3 Prozent größter Verlierer im DAX. Einem Händler zufolge sorgte der Ausblick für 2024 für etwas Enttäuschung und ließ die Anleger angesichts der jüngsten Kursgewinne Kasse machen. Für das laufende Jahr peilt die Allianz ein operatives Ergebnis von 13,8 bis 15,8 Milliarden Euro an. Auch eine deutliche Dividendenerhöhung auf 13,80 Euro half nicht.

Der Chemiekonzern BASF legt aufgrund der schwachen Nachfrage in Europa ein weiteres Kosteneinsparprogramm auf. Es sollen zusätzlich am Standort Ludwigshafen jährlich Kosten in Höhe von einer Milliarde Euro bis 2026 eingespart werden, teilte der DAX-Konzern bei Vorlage der endgültigen Jahreszahlen 2023 mit. Auch ein weiterer Stellenabbau ist damit verbunden, an den Details werde derzeit gearbeitet.

Gestützt auf ein robustes Kundenwachstum hat die Deutsche Telekom ihre Gesamtjahresziele erreicht. Das bereinigte operative Ergebnis legte um vier Prozent auf 40,5 Milliarden Euro und der Free Cash Flow um mehr als 40 Prozent auf 16,1 Milliarden Euro zu. Auf dieser Basis stellte das Unternehmen für 2024 einen Anstieg des Betriebsergebnisses um sechs Prozent auf 42,9 Milliarden Euro und des Cash Flow um 16 Prozent auf 18,9 Milliarden Euro in Aussicht. Analysten äußerten sich überwiegend zufrieden mit dem Ergebnis.

Papiere von Hensoldt reagierten mit einem Abschlag von über sieben Prozent auf die Jahreszahlen und den Ausblick des Herstellers von Rüstungselektronik. Der MDAX-Konzern peilt angesichts der zunehmenden Kriege und Konflikte in der Welt im laufenden Jahr beim Umsatz circa zwei Milliarden Euro an. Analysten hatten sich im Schnitt aber etwas mehr erhofft.

Die Lufthansa-Aktie fiel um rund 1,6 Prozent, grenzte aber höhere Verluste im Verlauf ein. Bei der Fluggesellschaft scheiden nach Konzernangaben gleich vier von sechs Vorständen aus, darunter auch Finanzchef Remco Steenbergen. Der Vorstand wird insgesamt von sechs auf fünf Posten verkleinert. Der Abgang des Finanzchef komme bei den Anlegern gar nicht gut an, sagt ein Händler.

Vor einer mit Spannung erwarteten Entscheidung der EU-Kommission über ein hohes Bußgeld gegen Apple hat ein Vertreter des Unternehmens den Vorwurf zurückgewiesen, dass Apple den Wettbewerb auf dem digitalen Musikmarkt in irgendeiner Weise beeinträchtigt habe. Die Financial Times hatte jüngst berichtet, Apple stehe vor einer Strafe von rund 500 Millionen Euro wegen Verstößen gegen das EU-Wettbewerbsrecht. Die genaue Höhe wolle die EU-Kommission im März bekannt gegeben.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 23. Februar 2024 um 09:00 Uhr.