Händler an der New Yorker Börse
Marktbericht

US-Inflation zu hoch Zinssorgen kapern die Wall Street

Stand: 24.02.2023 22:13 Uhr

Die Wall Street zeigte sich heute von der turbulenten Seite: Frische US-Inflationsdaten verschärften die Sorgen vor einer strafferen Geldpolitik. Sowohl DAX als auch Dow Jones schließen die Woche mit Verlusten ab.

Die Furcht vor weiteren deutlichen Zinsschritten der US-Notenbank Fed hat die Investoren an der Wall Street verschreckt. Der Dow Jones sackte um 1,02 Prozent auf 32.816,92 Punkte. Auf Wochensicht beträgt das Minus rund drei Prozent. Der breit gefasste S&P 500 verliert 1,05 Prozent auf 3970 Punkte.

Das Minus beim Technologieindex Nasdaq 100 betrug 1,7 Prozent auf 11.969,65 Punkte. Damit fiel er erstmals seit Februar unter die Marke von 12.000 Punkten. Technologiewerte reagieren auf den Zinskurs der Notenbank für gewöhnlich noch stärker als sogenannte Standardwerte.

Aktuelle US-Inflationsdaten waren für die Investoren das Signal zum Verkauf. Das von der US-Notenbank Federal Reserve besonders beachtete Inflationsmaß PCE stieg im Januar auf Jahressicht um 5,4 Prozent. Das war nicht nur deutlicher als im Vormonat, sondern lag auch über den Markterwartungen. Der Kernindex ohne Energie und Lebensmittel stieg ebenfalls stärker als im Vormonat um 4,7 Prozent.

Die Investoren fürchten nun, dass die Fed angesichts der anhaltend hohen Inflation ihren geldpolitischen Kurs weiter straffen könnte, um die Inflation in den Griff zu kriegen. Analyst Phil Blancato von Ladenburg Thalmann Asset Management ist der Ansicht, dass eine Anhebung des Leitzinses um 0,50 Prozentpunkte im März jetzt wahrscheinlich sei. Anfang Februar hatten die Notenbanker den Schlüsselsatz lediglich um 0,25 Prozentpunkte erhöht.

Darauf deutet auch eine Aussage der US-Notenbankerin Loretta Mester hin. Die Daten "sind ein weiterer Hinweis, dass der Inflation-Impuls und der Preisdruck uns weiter begleiten", sagte die Chefin des Fed-Ablegers von Cleveland. Die US-Notenbank werde mehr unternehmen müssen, um die Inflation auf einen nachhaltigen Weg zur Zielmarke von zwei Prozent zu bringen.

Die Kennzahl sende das klare Signal an die Fed, das jüngst gedrosselte Tempo ihrer Zinserhöhungen noch einmal zu überdenken, analysiert auch Konstantin Oldenburger, Experte bei CMC Markets. "Man kann das Blatt drehen und wenden, wie man will, die Inflation bleibt hoch und damit der wohl härteste Gegner derzeit für den Aktienmarkt", so Oldenburger weiter.

Inflation und Zinspolitik seien in den vergangenen Wochen von den Marktteilnehmer massiv unterschätzt worden, stellt Marktbeobachter Andreas Lipkow fest.

Update Wirtschaft vom 24.02.2023

Klaus-Rainer Jackisch, HR, tagesschau24

Der DAX hatte zuvor mit einem Abschlag von 1,7 Prozent bei 15.209,74 Punkten geschlossen. Damit büßte er in dieser Börsenwoche knapp 1,8 Prozent ein. Zunächst hatte es danach ausgesehen, als gelänge dem deutschen Leitindex ein versöhnlicher Wochenschluss, er markierte ein Tageshoch bei 15.530 Punkte Zählern. Aber die frischen US-Inflationsdaten vertrieben die Anleger dann aus dem Aktienmarkt.

Zuvor hatte ein überraschend deutlicher Rückgang der Wirtschaftsleistung die Anleger bereits beunruhigt. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte im vierten Quartal 2022 gegenüber dem Vorquartal um 0,4 Prozent. "Alles in allem zeigen die Zahlen, dass der starke Anstieg der Energiepreise die Wirtschaft trotz der umfangreichen Hilfsmaßnahmen des Staates spürbar gebremst hat", schrieb Analyst Ralph Solveen von der Commerzbank.

Nach einem volatilen Handel notierten die Ölpreise zuletzt wieder im Plus. Nach Einschätzung von Rohstoffexperten der Commerzbank wird das jüngste Auf und Ab am Ölmarkt neben der Dollarstärke durch zwei weitere Themen bestimmt: die Erholung der chinesischen Ölnachfrage und das Angebot Russlands. Aus Russland habe es zuletzt Hinweise gegeben, dass die Angebotsausfälle begrenzt seien, heißt es in einer Analyse der Commerzbank.

Der schwedische Netzwerkausrüster Ericsson will voraussichtlich weltweit 8500 Stellen streichen. Der Stellenabbau ist Teil des Sparprogramms, das der Konzern im vergangenen Dezember angekündigt hatte, wie eine Unternehmenssprecherin der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Ericsson will seine Kosten bis Ende des Jahres um umgerechnet rund 814 Millionen Euro senken. Die meisten Entlassungen will das Unternehmen im ersten Halbjahr 2023 vornehmen. Ericsson beschäftigt nach eigenen Angaben rund 105.000 Mitarbeiter weltweit.

Die BASF-Aktie ist der größte Verlierer im DAX. Der Chemieriese will mit harten Einschnitten auf hohe Energiepreise und maue Geschäftsaussichten antworten. Dem Sparkurs fallen weltweit 2600 Stellen zum Opfer, knapp zwei Drittel davon in Deutschland. Mehrere energieintensive Anlagen in Ludwigshafen sollen geschlossen werden, darunter eine der beiden Ammoniak-Anlagen sowie die damit verbundenen Düngemittelanlagen.

Audi plant den Bau einer Elektroauto-Fabrik in den USA. "Mit dem Inflation Reduction Act der amerikanischen Regierung ist der Bau eines US-Werks für Elektroautos natürlich hochattraktiv geworden", sagte Audi-Chef Marcus Duesmann der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" laut Vorabbericht. Offen sei, ob Audi ein eigenes Werk baue oder im Konzernverbund von Volkswagen. Beides sei möglich, ein gemeinsames Werk mit VW wahrscheinlich.

Das Detmolder Landgericht hat die Klimaklage eines Biobauern gegen den Volkswagen-Konzern abgewiesen. Die Klage sei insgesamt unbegründet, teilte das Gericht mit. Der von der Umweltschutzorganisation Greenpeace unterstützte Landwirt Ulf Allhoff-Cramer wollte erzwingen, dass VW die Produktion von Autos und leichten Nutzfahrzeugen mit Verbrennungsmotoren in den kommenden Jahren stark einschränkt und 2030 komplett einstellt.

Nach einem kritischen Magazinbericht und wachsendem Druck von Hedgefonds haben Anleger bei Nagarro Reißaus genommen. Die Aktien des Münchner Software-Entwicklers brachen um bis zu 17 Prozent ein. Nach Pflichtveröffentlichungen im Bundesanzeiger hat der Hedgefonds SIH Partners seine Wetten auf einen Kursverfall ausgeweitet; er hält nun Leerverkaufspositionen von 2,64 Prozent der Anteile. Auch der Vermögensverwalter Kairos hat seine sogenannten Short-Positionen jüngst ausgebaut. Insgesamt wetten vier Hedgefonds in größerem Maßstab auf einen Kursverfall.

Die "Wirtschaftswoche" wies in einem Bericht unter anderem auf den im Vergleich zur Konkurrenz geringen Umsatz pro Beschäftigten hin. Außerdem wachse der Umsatz, während die Mittelzuflüsse zurückgingen. Im Gegenzug wüchsen die Forderungen an Kunden, die noch nicht bezahlt oder noch keine Rechnung erhalten hätten.

Die Papiere der Mobilfunktochter von United Internet, 1&1, verloren heute kräftig. Börsianer begründen den schwachen Handel mit dem Streit mit dem Konkurrenten Vodafone. 1&1 sieht sich beim Ausbau seines 5G-Mobilfunknetzes durch Vodafone behindert und will deshalb Beschwerde beim Bundeskartellamt einreichen.

Saint-Gobain erfreut die Anleger mit Rekordumsätzen und einem starken Wachstum in allen Regionen. Die Aktien des Baustoff-Konzerns steigen in Paris um bis zu 5,9 Prozent auf 56,49 Euro. Damit erreichen sie den höchsten Stand seit knapp neun Monaten. Der Umsatz wuchs im vergangenen Jahr um knapp 16 Prozent auf 51,2 Milliarden Euro und damit stärker als von Analysten erwartet.

Die Aktionäre gehen bei der Insolvenz der britischen Kinokette Cineworld voraussichtlich leer aus. Eine Reihe möglicher Käufer habe zwar Interesse an Teilen des operativen Geschäfts oder auch an allen Kinos signalisiert, Cineworld selbst wolle aber niemand übernehmen, teilte die weltweite Nummer zwei hinter der US-amerikanischen AMC Entertainment mit.

Der US-Flugzeugbauer Boeing hat erneut die Auslieferung seiner Langstreckenflieger 787 Dreamliner stoppen müssen. Grund dafür seien Probleme an einem Teil des Flugzeugrumpfes, teilte gestern die US-Flugaufsichtsbehörde FAA mit. Der Konzern müsse nun "zusätzliche Analysen" für dieses Teil vornehmen. Die Auslieferung der Dreamliner dürfe erst wieder beginnen, wenn das Problem nach Ansicht der FAA "zufriedenstellend" gelöst sei.

Der Luftverkehrskonzern IAG übernimmt die spanische Fluggesellschaft Air Europa komplett. Mit dem Besitzer von Air Europa, dem spanischen Konzern Grupo Globalia, habe man eine Vereinbarung zur Übernahme der restlichen 80 Prozent des Kapitals der Airline für 400 Millionen Euro vereinbart, teilte der Mutterkonzern der Fluggesellschaften British Airways, Iberia, Vueling, Aer Lingus und Level am Abend in Madrid mit.

Der Schweizer Zementkonzern Holcim bekommt einen neuen Chef. Konzernchef Jan Jenisch soll bei der Generalversammlung im Mai zum Verwaltungsratspräsidenten gewählt werden. Das vergangene Jahr schloss der Weltmarktführer mit Rekordwerten bei Umsatz und operativem Ergebnis ab. Unter dem Strich legte der Nettogewinn um 44 Prozent auf 3,31 Milliarden Franken zu.