Euroschein und -münzen

Höchster Stand seit einem Monat Wie der Euro von steigenden Zinsen profitiert

Stand: 16.06.2023 14:57 Uhr

Nach der jüngsten Zinserhöhung der EZB ist der Euro auf den höchsten Stand seit gut einem Monat gestiegen. Wie sich die Währung in den kommenden Monaten weiter entwickeln könnte - und was das für die Wirtschaft bedeutet.

Von Till Bücker, ARD-Finanzredaktion

Der Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) hat den Euro auf den höchsten Stand seit über einem Monat gehievt. Die europäische Gemeinschaftswährung kletterte gestern im späten Handel auf 1,0949 Dollar. Auch heute verharrt sie über der Marke von 1,09 Dollar.

Ende September war der Euro noch auf ein 20-Jahres-Tief von 0,9538 Dollar abgerutscht. Doch seitdem erlebt er eine Renaissance. Allein bis Ende des vergangenen Jahres stieg die Währung um mehr als zwölf Prozent und Anfang Mai schließlich mit 1,1068 Dollar auf das höchste Niveau seit März 2022. Was sind die Gründe? Und welche Kräfte wirken generell auf die Entwicklung einer Devise?

Konjunktur, Geldpolitik und Inflation entscheidend

"Ganz grundsätzlich ist die Währung eines Wirtschaftsraums, dem es gut geht, stärker", erklärt Sonja Marten, Devisenexpertin bei der DZ Bank, im Gespräch mit tagesschau.de. Das sei wie bei einer Aktie: Titel eines Unternehmens, das viel Geld verdient, laufen erfolgreich. "Wenn Geld ins Land kommt und Investitionen getätigt werden, steigt die Nachfrage nach der jeweiligen Währung." Daher spiele vor allem die Erwartungshaltung über die Konjunktur eine zentrale Rolle.

Im Herbst hatten die Sorgen über die Energieversorgung im Winter den Euro Marten zufolge überproportional belastet. Als sich herausstellte, dass die Lage doch nicht so schlimm werde wie befürchtet, habe sich sowohl der wirtschaftliche Ausblick etwas aufgehellt als auch der Eurokurs stabilisiert. Im Frühjahr sei er schließlich wieder schwächer gewesen, da die konjunkturellen Daten aus der Eurozone negativ überrascht hatten, so Marten.

Weitere Faktoren für die Kursentwicklung von Währungen sind die Inflation und die Geldpolitik von Zentralbanken. "Wenn ich höhere Zinsen auf eine Anlage bekomme, erhalte ich dafür mehr Geld und sie wird lohnenswerter", erläutert Commerzbank-Analystin Esther Reichelt gegenüber tagesschau.de. Für Investitionen in Europa seien internationale Anleger auf Euros angewiesen, wodurch die Nachfrage nach der Währung steigt.

Wechselkurs ist entscheidend

Die EZB schraubte den Leitzins gestern um 0,25 Prozentpunkte nach oben - die achte Erhöhung in Folge. Zudem signalisierten die Währungshüter der Eurozone weitere Anhebungen. "Wir sind noch nicht am Ziel", sagte EZB-Chefin Christine Lagarde und verwies auf die weiterhin hohe Inflation. Steigt der Eurokurs also weiter? "Ob Zinserhöhungen positiv oder negativ auf den Euro wirken, hängt davon ab, ob sie den Wertverlust der Inflation ausgleichen", betont Devisenexpertin Reichelt. Eine hohe Preissteigerung sorge nämlich dafür, dass die Währung an Wert verliert und die Investitionen dementsprechend unattraktiver wird.

Darüber hinaus ist der Kurs immer vom Vergleich mit einer anderen Devise und damit vom Wechselkurs beeinflusst. Wenn der Dollarkurs sinkt, notiert der Euro höher und andersherum. Das sei ebenfalls ein wichtiger Aspekt für den Aufschwung des Euro, so Reichelt. "Seit Herbst kamen zunehmend Spekulationen auf, dass die amerikanische Notenbank ihren Zinserhöhungszyklus bald beendet". Die Währungshüter der EZB hätten sich zu dem Zeitpunkt dagegen entschlossener gezeigt, mithilfe von Zinsschritten die Inflation zu bekämpfen.

In der Regel profitiere der Euro von steigenden Zinsen, sagt auch Marten. "Wenn die Inflation allerdings hartnäckig bleibt und die EZB gezwungen ist, die Zinsschraube auf Kosten der Wirtschaft immer weiter anzuziehen, kann es irgendwann auch in die andere Richtung laufen". Das komme zwar nicht häufig vor, doch es gebe durchaus einen "Kipppunkt", an dem höhere Zinsen negativ auf Devisen wirken können.

Wie geht es weiter?

"Wir haben für den Euro zum Jahresende eine Prognose von 1,12 Dollar", berichtet Marten. Nachdem Europas Wirtschaft zuletzt eher enttäuschte und die US-Konjunktur positiv überraschte, rechnen die Volkswirte der DZ Bank bald mit einer Umkehr: "Sie gehen davon aus, dass die USA aufgrund der aggressiven Zinserhöhungen in eine Rezession rutschen wird." Die Fed müsse den überhitzten Arbeitsmarkt abkühlen und nehme dafür einen Abschwung in Kauf. Das schwäche den Dollar und stärke wiederum den Euro. Das 12-Monats-Ziel in der Prognose liege bei 1,15 Dollar.

"Unsere Volkswirte erwarten, dass die EZB und die Fed bald ihren Zinserhöhungszyklus im Gleichschritt beenden", sagt Commerzbank-Analystin Reichelt. Daher ergäben sich vorerst keine neuen Impulse aus der Geldpolitik - ob nach oben oder nach unten. Mittelfristig sehe das Bild aber anders aus. "Weil die US-Notenbank nicht nur ein Inflationsziel, sondern auch Vollbeschäftigung erreichen soll, erscheint es schneller wieder gerechtfertigt, bei einer Abkühlung der Wirtschaft die Zinsen auch wieder zu senken", so die Expertin. Im Euroraum gehe das vermutlich nicht so schnell, da die EZB ausschließlich ihr Inflationsziel von zwei Prozent erreichen will.

Sobald der Markt auf diese Divergenz der Notenbanken setze und sie einpreise, wird er den Euro nach Einschätzung von Reichelt mutmaßlich stärker handeln. Wann das eintrete, sei schwierig zu sagen. "Da der Markt aber meistens in etwa ein halbes Jahr vorausschaut, sehen wir bereits langsam die Aufwertung des Euros." Die Commerzbank prognostiziert das Niveau des Euros zum Jahresende bei rund 1,14 Dollar.

Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft

Die Folgen von Kursveränderungen einer Währung auf die Realwirtschaft sind derweil vielfältig. Eine Devise als stark oder schwach zu kategorisieren, sei nicht immer eindeutig, sagt Marten. "Beides hat Vor- und Nachteile - etwa in der Wettbewerbsfähigkeit."

So kann ein schwacher Euro zur sogenannten importierten Inflation beitragen, da Unternehmen für Waren aus dem europäischen Ausland hohe Preise bezahlen müssen und diese an die Verbraucher weitergeben. Gleichzeitig kann die am Export hängende deutsche Wirtschaft profitieren, weil die Produkte im Ausland billiger werden und dementsprechend die Nachfrage steigt.

Auf der anderen Seite kann ein starker Euro durch günstige Importe und sinkende Inflation für wachsenden Wohlstand sorgen. Eine zu starke Gemeinschaftswährung belastet allerdings die Wettbewerbsfähigkeit, da er Produkte im internationalen Vergleich teurer macht.