Die Bullen-Skulptur auf dem Börsenplatz in Frankfurt

Erster deutscher SPAC seit 2008 Das Geschäft mit leeren Börsenmänteln

Stand: 22.02.2021 18:59 Uhr

Mit leeren Unternehmensmänteln gehen Investoren derzeit an die Börse. Mit der Zeit sollen echte Firmen in die Mäntel schlüpfen. In den USA boomen diese Börsenvehikel. Nun kommen sie nach Deutschland.

Von Notker Blechner, tagesschau.de

Sie heißen Special Purpose Akquisition Company, kurz SPAC, und sind der letzte Schrei in den USA. Von Januar bis Mitte Februar gab es bereits schon halb so viel SPACs wie im gesamten letzten Jahr. 2020 fanden 250 IPOs mit diesen Börsenvehikeln statt. Sie haben inzwischen einen Wert von fast 80 Milliarden Dollar.

Lakestar startet erfolgreich an der Frankfurter Börse

Nun schwappt die Welle auch nach Deutschland über. Am Montag ging das erste deutsche SPAC seit zehn Jahren an die Frankfurter Börse: der Lakestar SPAC I, der von Startup-Investor Klaus Hommels gegründet wurde. Der erste Kurs wurde mit 11,15 Euro festgestellt - und lag somit mehr als elf Prozent über dem Zuteilungspreis. Lakestar SPAC I hatte 27,5 Millionen Einheiten (Units) zum Standardpreis von zehn Euro zugeteilt. Die Units waren laut Finanzinsidern etwa acht Mal überzeichnet.

Anleger, die in einen solchen SPAC investieren, kaufen sozusagen "die Katze im Sack". Sie wissen beim Börsengang nur, nach welchen Kriterien das zu kaufende Unternehmen ausgesucht wird, also aus welcher Branche es stammt oder welchem Trend es folgen soll - zum Beispiel Digitalisierung, Nachhaltigkeit oder E-Mobilität. Die SPAC-Anleger geben den Initiatoren des Börsenvehikels somit einen "Blankoscheck", weshalb SPACs auch "Blankoscheck-Firmen" genannt werden.

Lakestar-Gründer Klaus Hommels

Lakestar-Gründer Klaus Hommels platziert den ersten SPAC seit 2008 an der Frankfurter Börse.

"Blankoscheck" für eine Übernahme in zwei Jahren

Die Manager oder Investoren, die den SPAC führen, haben in der Regel zwei Jahre Zeit, um ein geeignetes Zielunternehmen zu finden, das in den Börsenmantel schlüpft. Solange liegt das beim Börsengang eingesammelte Geld auf einem Treuhandkonto. Stimmen die Eigentümer des Unternehmens der Übernahme zu, können sie ihre Anteile in Aktien des SPAC tauschen. Die Units enthalten neben einer Aktie auch einen Optionsschein für weitere Aktien (oder einen Bruchteil davon), der erst gezogen werden kann, wenn das SPAC ein Unternehmen schluckt.

Das letzte Wort haben schließlich die Aktionäre des SPAC. Sie müssen dem Zusammenschluss zustimmen - in der Regel auf einer Hauptversammlung. Sind sie nicht einverstanden, dürfen sie ihre Anteile zurückgeben und bekommen ihr Geld zurück. Wenn sich keine Mehrheit für die Übernahme findet, wird das SPAC liquidiert und das eingesammelte Geld ausgeschüttet.

Anleger bekommen Geld zurück, aber...

Steigen die Anleger aus, bekommen sie also ihr Geld zurück - den Ausgabewert der Anteilsscheine, das sind in der Regel zehn Dollar. Der Haken daran: Oft haben sie für die Anteilsscheine mehr als zehn Dollar gezahlt, da die meisten SPACs häufig über ihrem Ausgabewert notieren. Insofern kann ein SPAC-Investment doch zum Verlustgeschäft werden.

Bleiben die Aktionäre dem SPAC treu und stimmen der Übernahme der Zielfirma zu, haben sie die Chance auf fulminante Kursgewinne. So vervierfachte sich der Kurs des von der Live Oak Acquistion Corp betriebenen SPAC auf mehr als 39 Dollar, nachdem der Bioplastik-Pionier Danimer übernommen worden und in die leere Hülle geschlüpft war. Bei klassischen Börsengängen von Hype-Firmen kommen Privatanleger oft erst dann zum Zug, wenn die Aktien schon stark gestiegen sind.

Meist Kursverluste nach den Deals

Solche Erfolgsstorys wie Danimer sind bei den SPACs bislang aber eher die Ausnahme. In einer statistischen Auswertung von Anfang 2019 bis Mitte 2020 haben zwei Professoren in den USA festgestellt, dass die Kurse der SPACs in den ersten sechs Monaten nach dem Übernahmedeal um zwölf Prozent absackten, während die Nasdaq im selben Zeitraum um 30 Prozent zulegte. Nur die Sponsoren der SPACs strichen satte dreistellige Renditen ein.

Zudem sind SPACs vor Skandalen nicht gefeit. Der 2019 vom SPAC des amerikanischen Radiounternehmers Lew Dickey übernommene griechische Musikstreaming-Dienst Akazoo musste im Mai 2020 einen systematischen Betrug früherer Manager und Partner einräumen. Die Aktie wurde daraufhin vom Kurszettel von der Nasdaq genommen. Auch beim selbst ernannten Tesla-Konkurrenten Nikola, das Elektro-Lkw auf den Markt bringen will, gab es einige Ungereimtheiten.

Germany 1 hatte kein gutes Händchen

Ein schlechtes Omen ist auch das erste deutsche SPAC, die 2008 von Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff, dem Berater Roland Berger und dem Ex-Banker Florian Lahnstein gegründete Gesellschaft Germany 1. Sie übernahm im Herbst 2009 die Mehrheit am Stromversorgungs-Gerätehersteller AEG Power Solutions. Das Unternehmen scheiterte später.

Letztlich sollten Privatanleger genau den Emissionsprospekt des SPAC prüfen, bevor sie Anteile an dem Börsenvehikel kaufen, raten Experten. Sind sie dann im SPAC drin, sollten sie regelmäßig verfolgen, was die Initiatoren des SPAC planen.

Firmen kommen schneller an die Börse

Neben den möglichen attraktiven Renditen, die ein SPAC Privatanlegern bescheren kann, sind es vor allem die übernommen Firmen selbst, die vom neuartigen Börsenvehikel profitieren. Sie gelangen über die Hintertür schneller und kostengünstiger an die Börse. Das ist vor allem für junge Wachstumsfirmen ein enormer Anreiz.

Initiatoren der SPACs machen das große Geld

Und auch für die Initiatoren sind die SPACs attraktiv, weil sie für ihren Aufwand belohnt werden. In der Regel bekommen sie 20 Prozent an dem leeren Börsenmantel, ohne dafür selbst Geld in die Hand zu nehmen. Kein Wunder, dass mehrere prominente Manager, Banker und Investoren "Blankoschecks" einsammeln für ihre SPACs. So hoffen der ehemalige Commerzbank-Chef Martin Blessing, der frühere Siemens-Boss Klaus Kleinfeld, der Hedgefonds-Milliardär Bill Ackman sowie Bernard Arnault, reichster Mann Europas und Mehrheitseigner von LVMH, auf Millionen- oder gar Milliarden-Einnahmen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 22. Februar 2021 um 08:35 Uhr.