Kolumne Euroschau Ein Palazzo rüttelt an Europas neuer Bankenaufsicht

Stand: 06.02.2013 14:37 Uhr

Die Europäische Zentralbank soll die Aufsicht über Europas Banken übernehmen. Interessenkonflikte sind programmiert. Die rechtliche Konstruktion ist fragwürdig. Die neue Aufgabe könnte die EZB überfordern. Ein Fall aus Italien schürt dabei Zweifel an Zentralbankchef Draghi.

Von Klaus-Rainer Jackisch, HR

Sie hat ihren Sitz im Herzen der italienischen Toskana, im Zentrum von Siena, einer der schönsten Städte der Region. Ihre pompösen Büros sind verschanzt hinter dicken Mauern des Palazzo Salimbeni. Jahrhundertelang lebte sie vom Wohlstand Sienas. Und Siena lebte von ihr - der Banca Monte dei Paschi, dem ältesten Kreditinstitut der Welt.

Jetzt ist das Traditionshaus einer der größten Sanierungsfälle Europas. Die Bank hat sich mit Derivaten verspekuliert und einen Konkurrenten für viel zu viel Geld übernommen. Das kostet den Staat fast vier Milliarden Euro. Damit hat Rom eine Vertrauenskrise im Bankensektor gerade noch abgewendet.

Vorwurf des Versagens an italienische Notenbank

Der Fall der drittgrößten Bank Italiens ist deshalb spektakulär, weil der italienischen Notenbank schwere Vorwürfe gemacht werden: Ihre Aufsicht soll versagt haben, als Banca Monte dei Paschi die fatalen Geschäfte abwickelte. Zum damaligen Zeitpunkt stand kein geringerer an der Spitze der Notenbank als der heutige Präsident der Europäischen Zentralbank: Mario Draghi.

Der hat bislang zu den Vorwürfen geschwiegen. Für Draghi kommen sie zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt. Denn ausgerechnet die Europäische Zentralbank soll künftig alle großen Banken der Eurozone überwachen. Darauf haben sich die EU-Finanzminister nach langem Hickhack im vergangenen Dezember geeinigt. Auch EU-Staaten, die den Euro nicht eingeführt haben, können ihre Banken unter die Aufsicht der EZB stellen lassen. Mit dieser Zentralisierung soll verhindert werden, dass Großbanken in Schieflage geraten und das gesamte Finanzsystem bedrohen.

Auf den ersten Blick scheint der Beschluss sinnvoll zu sein. Schließlich steht die EZB ständig in Kontakt mit den Geschäftsbanken. Damit hat sie einen guten Blick über die Zahlungsströme. Dies sollte ihr einen Anhaltspunkt geben, wenn eine Bank Probleme bekommt.

Bankenaufsicht durch EZB ist problematisch

Doch auf den zweiten Blick wird schnell deutlich, dass das Konstrukt hochproblematisch ist. Zum einen ist schon die Grundannahme wenig belegt, dass Institutionen und Behörden Banken effektiv überwachen können. Der Fall Banca Monte dei Paschi ist der beste Beweis. Unabhängig von Draghis Rolle hat die Notenbank versagt. Ähnlich auch andernorts: Die Banco de Espana hat von der schweren Bankenkrise in Spanien nichts gemerkt oder merken wollen. Deutsche Bundesbank und BaFin, die sich in Deutschland die Aufsicht teilen, haben sich bei den Schieflagen von IKB oder Hypo Real Estate auch nicht mit Ruhm bekleckert.

Die Bankenaufsicht durch die EZB ist auch aus anderen Gründen schwierig: Die Europäische Zentralbank ist für Geldpolitik zuständig. Indem sie Zinsen und Kreditkonditionen für Notenbankgeld festlegt, steuert sie die Kosten der Geschäftsbanken. Dies kann die Stabilität von Geldhäusern beeinflussen. Wenn die EZB nun gleichzeitig auch für die Aufsicht zuständig ist, folgen unweigerlich Interessenkonflikte.

Absurde Konstruktion

Das ist auch Brüssel und der EZB nur zu bewusst. Doch wie man die Konflikte vermeiden will, weiß keiner so richtig. Zwar gibt es künftig ein separates Entscheidungsgremium für die Aufsicht in der EZB. Doch der EZB-Rat muss die wichtigen Entscheidungen absegnen. Kommt es zu Konflikten, soll ein Vermittlungsgremium das letzte Wort haben. Aber dies ist in den EU-Verträgen gar nicht vorgesehen. Genau genommen, lassen die Verträge das jetzt geplante Konstrukt nicht zu. Deshalb wird eifrig nach Wegen gesucht, wie das Gebilde auch juristisch wasserdicht zu machen und durch die Parlamente geschleust werden kann. Was für eine absurde Konstruktion!

Dabei hätte es auch eine andere Lösung geben können: eine Stärkung der bereits existierenden europaweiten Bankenaufsicht EBA in London. Dies hätte auch den Charme gehabt, eine Institution für alle EU-Staaten und nicht nur für die Eurozone zu nutzen. Doch die EBA hat sich mit verpatzten Stresstests und zahlreichen Pannen selbst degradiert und ins Abseits manövriert. Sie da herauszuholen und aufs rechte Gleis zu setzen, wäre eine edle Aufgabe der EU-Finanzminister gewesen - statt die strukturell und rechtlich ungeeignete EZB zu beglücken.

EZB-Unabhängigkeit wird untergraben

Unter dem Strich haben die EU-Finanzminister der Europäischen Zentralbank also neue Aufgaben aufgebürdet. Damit erhöhen die Staaten auch ihren Einfluss und untergraben erneut die politische Unabhängigkeit der EZB. Das Hauptziel der Zentralbank, die Preise stabil zu halten, wird tendenziell weiter aufgeweicht. Im schlimmsten Fall ist die EZB mit der Aufgabe ohnehin überfordert oder verheddert sich im Netz unklarer Entscheidungsprozesse. Auch die Notenbank selbst ist nicht glücklich. EZB-Vizepräsident Vitor Constancio sieht ein "echtes Risiko" für die Reputation des Hauses. Unfälle seien schließlich immer möglich

Den Mitarbeitern der Banca Monte dei Paschi in Siena können diese Bedenken ziemlich egal sein. Ihr Haus wurde erst einmal mit Steuermitteln gerettet. Hinter der Trutzburg des Palazzo Salimbeni lässt es sich also auch künftig vorzüglich leben.

Klaus-Rainer Jackisch schreibt bei tagesschau.de regelmäßig seine Kolumne Euroschau, in der er einen Blick auf die monatliche EZB-Ratssitzung wirft