Euroschau Druckt die EZB jetzt noch mehr Geld?

Stand: 21.10.2015 14:34 Uhr

Malerische Kulisse, zähe Debatten: Der EZB-Rat tagt diesmal auf der Mittelmeerinsel Malta. Das große Thema: Kommt jetzt sogar "QE2"? Oder einfacher ausgedrückt: Will Mario Draghi allen Ernstes noch mehr Geld drucken?

Von Klaus-Rainer Jackisch, HR, zzt. Malta

Der Blick ist atemberaubend: Langsam schlängelt sich das Kreuzfahrtschiff zwischen den wuchtigen Mauern der Festung von Valletta, der Hauptstadt des kleinen Inselstaats Malta. Die Einfahrt in den Naturhafen mit einer der größten Verteidigungsanlagen Europas gilt bei Kreuzfahrern als eine der schönsten im westlichen Mittelmeer. Ordensritter, die einst den Ton angaben, hinterließen auch eine herrliche Barockstadt mit wunderschönen Ausblicken auf das sonnenverwöhnte Eiland und auf blaues Meer.

Hier, mehr als 1500 Kilometer von Frankfurt am Main entfernt, tagt in dieser Woche der EZB-Rat. Der kleine Staat, bestehend aus Malta und der Nachbarinsel Gozo, aus Hafen, Altstadt, zwei Kraftwerken sowie rund 160 Hotels, ist nicht viel größer als Bielefeld - doch verstecken muss sich das Land nicht. Denn das seit 2008 zum Euroraum gehörende Malta ist wirtschaftlich ein Musterland, von dem Nachbar Italien viel lernen könnte.

Ein Land wie ein "unsinkbarer Flugzeugträger"

Das liegt auch an den Briten. Sie hatten mehr als ein Jahrhundert das Sagen, bauten Infrastruktur und Verwaltung auf, bis Malta 1964 unabhängig wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Land seine strategische Bedeutung als “unsinkbarer Flugzeugträger” (Winston Churchill) verloren: das britische Empire in Indien und in Suez war zerbröselt, Maltas Nutzen für Britanniens Marine dahin.

Die guten Verbindungen blieben und das winzige Eiland erfand sich neu: Heute ist Malta touristische Hochburg, verfügt über einen starken Finanzsektor und ist eine wichtige Drehscheibe der Schifffahrt. Wegen der niedrigen Löhne unterhalten bedeutende Unternehmen wie der deutsche Spielwarenhersteller Playmobil oder die Lufthansa große Anlagen auf der Insel. Durch die Euro-Krise lavierte sich das Land ohne große Probleme und steht trotz eines relativ hohen Haushaltsdefizits insgesamt sehr gut da.

Und das alles wegen "Konfetti-Tussi"

Es ist also mal kein Krisenland, in dem sich der EZB-Rat von der Herbstsonne verwöhnen lässt. Doch richtig glücklich sind die Herrschaften auch dieses Mal nicht. Wegen “Konfetti-Tussi” verschanzen sie sich auf einer Halbinsel im Nobelvorort St. Julians. So despektierlich nennen Insider eine Demonstrantin, die EZB-Chef Mario Draghi im Frühjahr während einer Pressekonferenz in Frankfurt zwar nicht an die Gurgel ging, zumindest aber auf einen Tisch sprang und Konfetti warf.

Seitdem sieht der Chef rot. Pressestelle und Sicherheit wurden zusammengestaucht und müssen kuschen. Der EZB-Rat verschanzt sich jetzt hinter eisernen Toren und Betonmauern, umgeben von Gebäudeschützern und Personenbewachern. Allseits bekannte Beobachter der Medien durchlaufen einen High-Security-Check, als ob sie persönlich in Fort Knox etwas mopsen wollen.

Auch inhaltlich läuft es nicht so, wie es der Chef gerne hätte. Denn das milliardenschwere Anleihe-Kaufprogramm entwickelt sich immer mehr zum Papiertiger - oder um im maltesischen Bild zu bleiben: zur bleiernen Rüstung mit stumpfem Schwert. Für rund 480 Milliarden frisch gedruckte Euro hat die EZB seit März Anleihen, darunter auch Staatsanleihen, gekauft. Glaubt man Berechnungen großer Banken, sind das gut fünf Prozent aller erhältlichen Papiere. Das viele Geld sollte die Wirtschaft im Euroraum ankurbeln und die Inflation antreiben.

Der große Kracher ist diese Politik bislang nicht. Zwar läuft die Wirtschaft in Spanien wieder besser, auch in Portugal, in Malta sowieso. Ansonsten schleppt sich die Konjunktur in Euroland weiter vor sich hin. Weil große Investitionen und überschäumender Konsum fehlen, kann die EZB mit der Inflationsrate nicht glänzen. Statt anzuziehen, sank sie jetzt sogar wieder. Im September war sie in Deutschland bei null, im Euroraum bei 0,1 Prozent.

Die Ökonomen fordern drei Dinge: Mehr! Mehr! Mehr!

Hauptgrund dafür sind die kräftig gesunkenen Ölpreise. Darauf haben die Währungsgüter keinen Einfluss. Doch selbst wenn man diese spezielle Situation herausrechnet, ist die sogenannte Kerninflation nicht da, wo sie sein soll: mit 1,1 Prozent ist sie viel zu niedrig. Das angestrebte Ziel der Gesamtinflation von knapp zwei Prozent ist derzeit in weiter Ferne.

Deshalb steigt der Druck auf die Währungshüter hinter ihren Mauern: Sie sollen die Anleihekäufe intensivieren und am besten das ganze Programm gleich noch verlängern, sagen Volkswirte. "Quantitative Easing 2" wird die Idee im Fachjargon genannt. Ob das wirklich hilft, weiß keiner. Aber den Spekulanten an den Aktienmärkten käme es nur Recht. Denn ihre Geschäfte laufen umso besser, je heißer die Notenpresse in Frankfurt vor sich hin läuft.

Doch ob die Währungshüter schon jetzt oder erst später die Spendierhosen eine Nummer größer wählen, weiß keiner. Zumal es heftigen Widerstand im EZB-Rat gibt. Der Bundesbankpräsident hält die EZB-Politik für Unsinn und warnt vor unabsehbaren Folgen.