Ein zweijähriges Kind malt ein Bild, während seine Mutter Zuhause im Homeoffice an einem Laptop arbeitet.
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Frauen auf dem Arbeitsmarkt Mutter sein als berufliches Risiko?

Stand: 06.03.2024 14:40 Uhr

Die Rückkehr in den Job nach längerer Pause gestaltet sich oft schwer. Vor allem Ältere und Frauen haben dabei Probleme. Mangelt es an Wertschätzung für unbezahlte Sorgearbeit?

Von Sarah Pache, br

Trotz zahlreicher Weiterbildungen, Selbstständigkeit neben der Familienzeit und über 100 Bewerbungen erntet Lia Roth vor allem Absagen. Vor zehn Jahren war sie noch Marketingleiterin eines renommierten Unternehmens. Dann wurde sie Mutter. Jetzt sucht sie seit fast drei Jahren vergeblich nach einer neuen beruflichen Perspektive. 

Der Berater bei der Agentur für Arbeit rät Roth, sie solle als Teamassistentin anfangen. Nach der langen Pause seien ihr Studium und ihre Karriere für den Arbeitsmarkt entwertet. "Das war für mich wie ein Schlag ins Gesicht", sagt Roth.  

Rückkehrchancen von Müttern in die Arbeitswelt sind teils problematisch

Katharina Heudorfer, BR, Mittagsmagazin, 08.03.2024 12:10 Uhr

Elternzeit als Wendepunkt

Eine Studie der Bundesagentur für Arbeit bestätigt: Ältere Menschen haben es generell schwerer auf dem Arbeitsmarkt - auch wenn sie qualifiziert sind. Frauen trifft es dabei ganz besonders, wie eine Umfrage des Job-Portals stepstone zeigt. Elternzeit bedeutet vor allem für sie einen Wendepunkt in ihrer beruflichen Laufbahn.

Knapp 20 Prozent kehren zwar zu ihrem alten Arbeitgeber zurück, aber in anderer Position. Ein Drittel der Frauen orientiert sich gleich um. Ganze drei von vier Frauen arbeiten nach der Babypause in Teilzeit. Zum Vergleich: Väter kehren zu 85 Prozent an ihre alte Position zurück, nur 17 Prozent in Teilzeit.

Sorgearbeit leisten vor allem Frauen

Der Grund: Die Sorgearbeit um Haushalt, Kinder oder die Pflege Angehöriger liegt noch immer mehrheitlich bei Frauen. Bis sie Kinder bekommen, leben Paare in Deutschland egalitär: Sie teilen sich die Arbeit im Haushalt, und beide arbeiten an ihrer Karriere. Sobald aber das erste Kind da ist, ändert sich die Situation: Knapp 70 Prozent der Mütter, aber gerade mal vier Prozent der Väter geben an, selbst den überwiegenden Teil der Care-Arbeit zu leisten. Das zeigt eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

Frauen haben 2022 pro Woche rund neun Stunden mehr unbezahlte Arbeit geleistet als Männer. Der sogenannte "Gender Care Gap" hat sich zwar in den vergangenen zehn Jahren leicht verringert; am klassischen Ernährer-Modell hat das aber wenig gerüttelt. Vor allem die Mütter kümmern sich um Haushalt und Kinder, während Väter die Haupterwerbstätigen sind.

Corona war die große Ausnahme

Ein etwas anderes Bild zeigt ausgerechnet die Auswertung der Lage für Familien während der Corona-Krise. Während des ersten Lockdowns im April 2020 schienen sich die Geschlechterverhältnisse zu verändern. Der Anteil der Väter, die angaben, den größten Teil der Sorgearbeit zu übernehmen, verdreifachte sich auf "spektakuläre zwölf Prozent", sagt Bettina Kohlrausch, die wissenschaftliche Direktorin des WSI.

Der Grund: Homeoffice und Kurzarbeit ermöglichten auch den Vätern, sich mehr um ihre Kinder zu kümmern. Das zeigt nach Ansicht von Kohlrausch: Flexiblere, kürzere und vielleicht auch selbstbestimmtere Arbeitszeiten sind eine wesentliche Voraussetzung für mehr Gleichberechtigung. 

Die Teilzeit hat Folgen

Kürzere Arbeitszeiten bedeuten aber heute noch immer: weniger Weiterbildungen und damit auch weniger Aufstiegschancen, schon länger bekannt als "Teilzeitfalle". Und wieder hat das vor allem für Frauen Folgen. Der "Gender Hours Gap" zeigt: Sie brachten 2023 im Schnitt 20 Prozent weniger Zeit für bezahlte Arbeit auf als Männer und verdienten damit im Schnitt auch 18 Prozent weniger. Dementsprechend wird auch ihre Rente geringer ausfallen.  

Sowohl der schlechte berufliche Ausblick nach längerer Pause als auch die geringe Wertschätzung für die Sorgearbeit verunsichert Wiedereinsteigerinnen. Weder wird diese Arbeit ausreichend honoriert, noch als Kompetenz gesehen. Das zeigt sich auch bei power-m, einem Münchener Förderprogramm für den beruflichen Wiedereinstieg, das aus einem Bundesprojekt hervorgegangen ist. Fast alle Personen, die sich dort Hilfe gesucht haben, waren Frauen. Sie alle eint, dass sie sich wenig zutrauen und verunsichert sind.

Der erste Schritt sei deshalb, den Selbstwert aufzubauen, bevor der Lebenslauf und die Bewerbung optimiert werden können, sagt Ina Reggi, Projektleiterin von power-m. Bei einer Vermittlungsquote von knapp 70 Prozent scheint das zu gelingen. Dafür musste Reggi aber bei den Unternehmen einiges an Überzeugungsarbeit leisten. Familienfreundlichkeit dürfe eben nicht nur in der Anzeige stehen, sondern müsse im Unternehmen auch gelebt werden, sagt Reggi.

Andere Länder, wie Großbritannien und die USA, sind da schon wesentlich weiter. Sie bieten Jobsuchenden gezielte Rückkehrprogramme an.  

Mut zur Lücke, auch im Lebenslauf

Die Soziologin Kohlrausch und auch Projektleiterin Reggi teilen die Einschätzung, dass ein Umdenken stattfinden muss. Unbezahlte Sorgearbeit brauche eine Aufwertung. "Gesellschaftlich konstruieren wir alles entlang einer Erwerbsbiografie ohne Lücke", so Reggi. "Aber eigentlich trifft das auf fast niemanden in der Gesellschaft mehr zu." Zeit für die Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, aber auch für die eigene Gesundheit, Freunde oder politisches Engagement müsse da sein. 

Gleichzeitig lasse sich einiges dafür tun, damit die Sorgearbeit eben nicht wie jetzt mehrheitlich auf den Schultern der Frauen lastet. Dabei handele es sich eigentlich um Klassiker, so Kohlrausch: die Auflösung des Ehegattensplittings; Elternzeit, die Väter und Mütter zu gleichen Anteilen nehmen; bessere Kinderbetreuungsangebote.

Nicht zuletzt: Die Unternehmen sollten flexibler werden. Anstelle den Fachkräftemangel zu beklagen, sollten sie endlich das Potenzial gut ausgebildeter Frauen nutzen, die wie Lia Roth nach der Kinderpause noch einmal durchstarten wollen. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 06. März 2024 um 12:00 Uhr.