interview

Netzaktivist zu Streit mit FBI "Apple ist doch keine Ermittlungsbehörde"

Stand: 18.02.2016 16:42 Uhr

Im Streit über die verschlüsselten Handydaten eines Attentäters ist Apples Widerstand richtig, meint der Netzaktivist padeluun. Ein Einknicken des Konzerns würde auch Begehrlichkeiten der Sicherheitsbehörden in Europa wecken, sagt er im Interview mit tagesschau.de.

tagesschau.de: Handelt Apple richtig?

padeluun: Auf jeden Fall. Apple muss sich schützend vor seine Kundinnen und Kunden stellen. Apple ist schließlich keine Ermittlungsbehörde, sondern ermöglicht Kommunikation. Diese braucht Vertraulichkeit. Die wichtigere Frage ist vielmehr: Handeln hier die amerikanischen Strafverfolgungsbehörden richtig?

Zur Person

Der Netzaktivist padeluun ist Gründungsvorstand von Digitalcourage. Der Verein setzt sich seit 1987 für Grundrechte und Datenschutz ein. Er verleiht jährlich die BigBrotherAwards für den Missbrauch von Daten. Padeluun war Mitglied der Enquetekommission "Internet und Digitale Gesellschaft" des 17. Deutschen Bundestages.

tagesschau.de: Was ist so entscheidend an dieser Diskussion?

padeluun: Wie weit darf ein Rechtsstaat gehen? Und die Antwort lautet: Er darf niemals so weit gehen, dass Freiheit und Demokratie der Menschen gefährdet werden. Finden wir es richtig, dass die Telefonnetze mehr Aufwand für Überwachung betreiben als für ein gutes Funktionieren? Schon jetzt können Behörden Gespräche abhören, E-Mails, SMS und Faxe mitlesen und Funkzellen abfragen.

"Einfallstor zur Totalüberwachung"

tagesschau.de: Was bedeutet die Diskussion für die Daten der Kunden in Deutschland?

padeluun: Hätte das FBI so ein Spezialwerkzeug zum Knacken von Telefoniegeräten in der Hand, würden auch hier die Begehrlichkeiten laut werden. Populistische Politiker würden dieses Werkzeug auch haben wollen und wahrscheinlich dann ein Dienstleistungsabkommen mit dem FBI aushandeln wollen. Das wäre ein weiteres Einfallstor zur Totalüberwachung der Bevölkerung durch die "Five Eyes", den Geheimdienstverbund aus den USA, Kanada, Australien, Großbritannien und Neuseeland. Später kämen dann noch Deutschland, Japan, Norwegen, Südkorea und die Türkei hinzu.

tagesschau.de: Wie leicht wäre es für die Regierung, hier an solche Daten zu kommen?

padeluun: Technisch haben unsere Behörden hier dieselben Schwierigkeiten wie das FBI. Dazu sind die Grundrechte durch Grundgesetz und Strafprozessordnung recht gut geschützt. Es wird immer wieder versucht, das aufzuweichen. Dagegen müssen wir uns wehren - und tun das auch.

tagesschau.de: Gibt es von Seiten der Regierungen ein verstärktes Interesse an diesen Daten?

padeluun: Wenn Sie mit "Regierung" die Exekutive meinen, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass da ein übergroßer Datenhunger besteht. Zumal die Regierung auch kein übermäßiges Interesse an der Aufklärung des Überwachungskriegs gegen die Bevölkerung zeigt und den NSA-Untersuchungsausschuss im Bundestag eher behindert, als unterstützt.

tagesschau.de: Datenschutz contra Innere Sicherheit - was ist höher zu bewerten?

padeluun: Gegenfrage: Was nützt mir Innere Sicherheit ohne Datenschutz? Ohne Datenschutz sind wir alle Spielbälle in den Händen derer, die Macht über unsere Daten haben. Dann haben wir keinen Frieden und keine Sicherheit.

"Es kann nie um Verzicht auf Datenschutz gehen"

tagesschau.de: Wenn es wirklich darum geht, Gefahr abzuwenden: Welche Fälle könnten Sie sich vorstellen, dass man auf einen gewissen Datenschutz verzichtet?

padeluun: Es kann nie um den Verzicht auf Datenschutz gehen. Datenschutz beschreibt das Feld, wie wir den Umgang mit Daten regeln. Aber eines ist auf jeden Fall falsch: Die Gesamtbevölkerung komplett zu überwachen, um - vielleicht - ein, zwei Übeltaten zu verhindern, bewirkt das Gegenteil von "Abwehr von Gefahren".

tagesschau.de: Wäre es in der Praxis umsetzbar, so etwas wie Ausnahmefälle zu schaffen, in denen dann der Datenschutz ausgesetzt wird?

padeluun: Das gibt es doch bereits: Jedes ordentlich eingeleitete Ermittlungsverfahren hat - im engen gesetzlichen Raum - Möglichkeiten, bestimmte Maßnahmen anzuordnen. Daran wird auch niemand rütteln wollen.

"Vielleicht stellt sich Geheimdienst dumm"

tagesschau.de: Wieso schafft es der Geheimdienst eigentlich nicht, die Handys zu knacken? Sind die Telefone etwa sicherer geworden?

padeluun: Vielleicht stellen die sich auch nur dumm an. Vielleicht ist es auch nur eine PR-Kampagne, die lediglich behauptet, dass das FBI nicht an die Daten kommt, damit Spitzbuben denken, die Geräte seien sicher. Wer weiß schon, ob das, was Geheimdienste so sagen, wahr oder falsch ist? Lügen gehört dort zum Geschäft. Deshalb sind Geheimdienste abzuschaffen und gegen eine transparent arbeitende Abwehr zu ersetzen.

Das Interview führte Jens Eberl, WDR, für tagesschau.de.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 17. Februar 2016 um 17:00 Uhr.