Fotos von verschiedenen Superzellen und Hagelsteinen

Wetterthema: Hagelunwetter Superzellen

Stand: 28.07.2023 11:16 Uhr

In den Sommermonaten gibt es immer wieder mal Gewitter. Dabei kann es vorkommen, dass sich eine sogenannte Superzelle ausbildet. Was ist das?

Von Ingo Bertram, ARD-Wetterkompetenzzentrum

Superzellen sind in der Regel besonders starke und langlebige Gewitter. Ihre Besonderheit ist, dass der Aufwindbereich rotiert. Häufig wird eine Superzelle so definiert, dass für mindestens 30 Minuten Rotation erkennbar sein muss. Doch wo kommt die Rotation her und was bewirkt sie?

An Tagen mit Superzellentwicklungen nimmt der Wind in den unteren Luftschichten mit der Höhe stark zu. In dieser Windscherung steckt bereits eine Rotation, allerdings um eine horizontale Achse. Wenn diese bereits Wirbel-behaftete Luft in den Aufwindbereich einer Gewitterwolke einbezogen wird, kann die zunächst in der Horizontalen vorhandene Rotation innerhalb der Gewitterwolke gekippt werden. Das funktioniert besonders gut, wenn der Wind mit der Höhe nicht nur zunimmt, sondern auch seine Richtung ändert. Oftmals weht er an Tagen mit der Entwicklung starker Superzellen am Boden sogar aus entgegengesetzten Richtungen wie in 5 Kilometern Höhe. Als Folge entsteht ein Gewitter, dessen gesamter Aufwindbereich um eine vertikale Achse rotiert, eine Superzelle ist geboren. Die Rotation erfolgt zunächst recht langsam und wird oftmals nur in Zeitrafferaufnahmen sichtbar.

Durch die Rotation wird der Aufwind stabil, er saugt immer neue Luft an und erhält sich selbst am Leben. Mitunter existieren Superzellen für viele Stunden. Am 27. Juli 2013 zog ein solches Gewitter innerhalb von 10 Stunden aus Nordrhein-Westfalen bis in den Berliner Raum. Durch die stabilen und kräftigen Aufwinde einer Superzelle entsteht häufig großer Hagel. Bekannte Beispiele hierfür sind der Hagel am 12. Juli 1984 in München und am 28. Juli 2013 in Reutlingen. Unter bestimmten Bedingungen kann sich durch die Rotation der Zelle ein Tornado ausbilden. Ein besonders starker Superzell-Tornado verwüstete am 10. Juli 1968 Teile von Pforzheim. Dabei gab es Windgeschwindigkeiten von schätzungsweise bis zu 400 km/h. Gute Beispiele für schadensträchtige Superzell-Tornados in jüngerer Zeit sind die Tornados von Großenhain in Sachsen (2010) und der Tornado von Bützow (2015).

Der Aufwindbereich von Superzellen ist in vielen Fällen fotogen. Superzellen können sehr verschieden aussehen, je nachdem, wie ausgedehnt ihr Niederschlagsbereich ist. Das Foto oben links in der Abbildung zeigt eine Situation, in der das Gewitter verhältnismäßig wenig Niederschlag produziert hat. Der rotierende Aufwind steht frei, rechts davon deutet ein zarter Schleier den Niederschlag an. Doch hier darf man sich von dem unscheinbaren Anblick nicht täuschen lassen. Es können zwar relativ wenige, aber sehr große Hagelsteine sein. Dieser Typ einer Superzelle wird auch „Low Precipitation Supercell“ genannt.

Die sogenannte „klassische Superzelle“ entwickelt deutlich mehr Niederschlag. Doch auch dieser fällt deutlich abgesetzt vom Aufwindbereich zu Boden. Das Foto oben rechts in der Abbildung zeigt den Aufwindbereich einer klassischen Superzelle, der Niederschlag befand sich rechts des Bildausschnitts. Bei diesem Zelltyp ist die Gefahr von Großhagel besonders hoch.

Schließlich können Superzellen noch besonders viel Niederschlag erzeugen, dann nennt man sie „High Precipitation Supercell“. Der Aufwindbereich steht dann nicht mehr frei, er ist von hinten her mit Niederschlag umwickelt. Das Foto unten links in der Abbildung zeigt einen solchen Fall. Häufig leuchtet der Niederschlag grünlich bis bläulich. Das ist ein Zeichen dafür, dass sich sehr viel Wasser oder Hagel in der Luft befindet. Meistens wird der Hagel in diesem Typ von Superzelle nicht ganz so groß wie im klassischen Fall, zusammen mit Orkanböen kann er aber dennoch verheerende Schäden anrichten.

Viele Superzellen werfen irgendwo Hagelsteine von 4 oder 5 Zentimetern Durchmesser. Dabei sind die Hagelstreifen meistens räumlich eng begrenzt, weshalb man am eigenen Wohnort zum Glück sehr selten davon betroffen ist. Im Extremfall kann es in Deutschland aber auch Hagelsteine mit Durchmessern von 10 Zentimetern oder mehr geben. Weltweit betrachtet sind Exemplare von bis zu 20 Zentimetern gefunden worden. Die Bedingungen für extremen Hagel sind in Europa in der Poebene und in den Südalpen am günstigsten, weltweit betrachtet sind der Mittlere Westen der USA, Teile Argentiniens und Bangladesch für Ereignisse mit Riesenhagel prädestiniert.