Kommentar

Personalfrage im EU-Parlament Selbst schuld am Imageschaden!

Stand: 03.07.2019 15:12 Uhr

Das Ignorieren der Spitzenkandidaten kann man bedauern, aber die Aussage, dass die Entscheidung "undemokratisch" sei, gilt nicht. Die Spitzenkandidaten waren selbst nie Ausdruck von Demokratie.

Ein Kommentar von Samuel Jackisch, HR

Das Europaparlament wollte ausschließlich einen Spitzenkandidaten der Europawahl akzeptieren für den höchsten Job der EU - also entweder Manfred Weber, Frans Timmermanns oder Margrethe Vestager. Mit dieser Bedingung hat sich das Parlament aber zu weit aus dem Fenster gelehnt - denn die Europäischen Verträge geben diese Einschränkung nicht her.

Der Vertrag von Lissabon regelt klar: Die Staats- und Regierungschefs einigen sich frei auf eine Kandidatin, das Wahlergebnis sollen sie dabei "berücksichtigen". Das hat der Rat getan, sogar einstimmig. Das Parlament kann diese Kandidatin nun bestätigen - oder eben nicht, dann muss ein neuer Vorschlag her - so lauten die Spielregeln.

Entscheidung nicht "undemokratisch"

Keiner der Spitzenkandidaten hatte jemals eine politische Mehrheit, und sie zu beschaffen hat das Parlament versäumt. Hätten die Europäischen Parteien nach der Wahl und vor dem Gipfel ihr kleines Karo überwunden und sich auf einen Kandidaten vorab geeinigt - dann wäre dem Rat kaum etwas übrig geblieben, als diese Person auch zu nominieren.

Das Ende der Spitzenkandidaten kann man bedauern, aber die Aussage, dass die Entscheidung "undemokratisch" sei, gilt nicht. Denn die Spitzenkandidaten waren selbst nie Ausdruck von Demokratie, das ist ein Märchen aus dem Parlament. Auf dem deutschen Wahlzettel stand Timmermanns jedenfalls nicht drauf. Und die Wähler hatten auch keinen Einfluss auf seine Nominierung. Wäre das der Fall gewesen, dann wären gemeinsam bestimmt geeignetere Spitzenkandidaten gefunden, als die nun gescheiterten.

Weber, Timmermans und Co. kannte bis zur Wahl kaum jemand in Deutschland und Europa. Die wenigsten Menschen haben ihre Wahlentscheidung tatsächlich von diesen Personen abhängig gemacht. Das behauptet das Parlament zwar gern, aber es ist demoskopisch nicht wahr.

Dicker Kratzer im EU-Image

Und wo wir gerade bei den EU-Verträgen waren: Die Kommissionspräsidentschaft ist Brüssels wichtigster Posten, aber qua Verträge gerade ausdrücklich nicht demokratisch legitimiert. Uns Bürger vertritt das Parlament, unsere Nationalstaaten der Rat. Die Kommission aber soll das Interesse der gesamten EU verfolgen - neutral, überparteilich - und gerade nicht als Zankapfel politischer Parteien und Regierungen. Ja, dieser Vorsatz ist naiv, aber so haben es die Gründer der EU nun mal gemeint.

Das Image der EU bei ihren Bürgern hatte die Europawahl gerade erst aufpoliert, nun ist schon wieder der erste dicke Kratzer drin. Verantwortlich dafür ist aber nicht allein der Rat mit seinen Hinterzimmern, sondern auch das Parlament selbst hat kräftig dazu beigetragen.

Samuel Jackisch, Samuel Jackisch, ARD Brüssel, 03.07.2019 14:58 Uhr
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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 03. Juli 2019 um 17:05 Uhr.