Küste von Libyen
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Ausbau des Einflusses Russlands Pläne für Libyen

Stand: 04.04.2024 06:00 Uhr

Russland baut seinen Einfluss in Libyen weiter aus. Das Auswärtige Amt zeigt sich nach Informationen von WDR und NDR besorgt. Es soll Pläne für eine russische Marinebasis geben.

Von Florian Flade, WDR, und Reiko Pinkert, NDR

Seit dem Sturz von Diktator Muammar al-Gaddafi im Sommer 2011 kommt Libyen nicht zur Ruhe. Der nordafrikanische Staat leidet unter politischer Instabilität, immer wieder aufflammenden Kämpfen verfeindeter Milizen, wirtschaftlichen Problemen und den Folgen der verheerenden Überschwemmungen im Herbst 2023. Diese Lage scheint Russland zunehmend für seine Zwecke zu nutzen.

Dessen Führung baut ihren Einfluss in Libyen offensichtlich weiter aus, wie aus einem internen Schreiben des Auswärtigen Amtes von Ende März hervorgeht, das WDR und NDR vorliegt. Darin heißt es, die Bundesregierung sorge sich um den politischen Stillstand in Libyen und um die "sich weiter entwickelnde RUS Präsenz", das Land werde offenbar zunehmend "als Transportumschlagplatz" genutzt.

Weiter heißt es, der Europäische Auswärtige Dienst (EAD), der diplomatische Dienst der EU, habe kürzlich einen "Anstieg von Lieferung schweren Materials sowie mögliche Planung einer RUS Marinebasis" bestätigt.

Rivalisierende Fraktionen

Eine russische Marinebasis an der libyschen Küste wäre ein strategisch wohl bedeutsamer Schritt für Russland: Neben dem Hafen im syrischen Tartus wäre dies der zweite Militärstützpunkt für russische Kriegsschiffe am Mittelmeer - direkt an der geographischen Südgrenze der NATO-Mitgliedsstaaten, in einem Land, das auch aufgrund der Migrationsrouten für Europa von erheblicher Bedeutung ist.

In Libyen regieren seit dem Sturz des Gaddafi-Regimes unterschiedliche Fraktionen: Im Westen des Landes lenkt von Tripolis aus die Regierung der Nationalen Einheit das Land, eine provisorische Regierung mit Premierminister Abdul Hamid Dbaiba an der Spitze. Sie ist international anerkannt und wurde mit Hilfe der Vereinten Nationen aufgebaut. Sie wird unter anderem von der Türkei unterstützt.

Im Osten Libyens wiederum herrscht eine Konkurrenz-Regierung unter Premierminister Osama Hammad, die Regierung der nationalen Stabilität, die ihren Sitz in Tobruk hat. Unterstützt wird sie von der sogenannten Libyschen Nationalarmee von General Chalifa Haftar, einem einst ranghohen Militär unter al-Gaddafi, der später in Ungnade fiel, zwischenzeitlich in den USA lebte und sogar die amerikanische Staatsbürgerschaft erhielt.

Präsenz in Libyen ausbauen

General Haftar war 2011 eine der Schlüsselfiguren im Aufstand gegen Gaddafi und dem anschließenden libyschen Bürgerkrieg. Mittlerweile wird der einstige US-Verbündete von Russland unterstützt. In den vergangenen Jahren reiste Haftar mehrfach für Gespräche nach Moskau, zuletzt traf er im Oktober 2023 Wladimir Putin.

Westliche Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass Russland dem libyschen General weitere militärische Unterstützung zugesichert hat und im Gegenzug seine Präsenz in Libyen ausbauen möchte. Dabei soll auch der Zugang zu Rohstoffen wie Gold- und Ölvorkommen eine Rolle spielen. Laut dem Dokument aus dem Auswärtigen Amt soll alleine der Erdöl-Schmuggel aus Libyen jährlich eine Dimension von rund 12,8 Milliarden US-Dollar haben.

Schon seit einigen Jahren ist die russische Söldnertruppe Wagner in Libyen aktiv. Noch in diesem Frühjahr soll deren Präsenz offenbar weiter ausgebaut werden. Erst kürzlich errichtete General Haftar mit Unterstützung russischer Militärberater einen neuen Truppenstützpunkt in Sirte, in Zentral-Libyen. Haftars Einheiten kontrollieren damit nun weitere Teile des Südens des Landes.

Drehkreuz für Afrika

Bereits jetzt kann das russische Militär zudem mehrere Flugplätze in Libyen nutzen, die unter Kontrolle von Haftars Kampfverbänden stehen. Moskau soll Libyen als Drehscheibe nicht nur für den Transport von Rohstoffen, sondern auch von Waffen nutzen, die beispielsweise in den Sudan gebracht werden, um dortige Milizen zu unterstützen.

Nach dem Tod des einstigen Wagner-Anführers Jewgeni Prigoschin im August 2023 hat der russische General Andrei Averyanov das Kommando über die Söldnertruppe übernommen, die in Libyen und anderen afrikanischen Staaten inzwischen unter dem Namen "Expeditionary Corps" oder "Africa Corps" auftritt. Im vergangenen Jahr reiste Averyanov in mehrere afrikanische Länder, unter anderem nach Libyen. Bei den Treffen mit den lokalen Machthabern soll es um weitere militärische Kooperationen und Abkommen gegangen sein. 

Averyanov ist ein langjähriger Angehöriger des russischen Militärnachrichtendienstes GRU. Er soll die berüchtigte Einheit 29155 geleitet haben, die im Verdacht steht, Attentate und Sabotageakte außerhalb Russlands verübt zu haben. So berichten Oppositionsmedien, dass Mitglieder der GRU-Einheit 29155 Sprengstoffanschläge auf ein Munitionslager in Tschechien verübt haben sollen, sowie Attentate auf einen bulgarischen Waffenhändler und einen Giftanschlag auf den russischen Ex-Spion Sergej Skripal in Großbritannien.

Auch sollen diese russischen Militärspione nach Recherchen von den Medien "The Insider", "CBS News" und "Spiegel" für weltweite akustische Attacken auf US-Regierungsbeamte und deren Familienangehörige verantwortlich sein, deren mutmaßliche Folgen unter dem Stichwort "Havanna Syndrom" diskutiert werden.

USA wollen zurückkehren

Um dem russischen Einfluss in Libyen zu begegnen, plant das US-amerikanische Außenministerium aktuell eine Rückkehr in das Land. Im Juli 2014 war die US-Botschaft in Tripolis geschlossen worden, nachdem bei einem islamistischen Terrorangriff auf das amerikanische Konsulat in Bengasi in Ost-Libyen der damalige US-Botschafter J. Christopher Stevens und drei weitere Amerikaner getötet worden waren.

Für das Haushaltsjahr 2025 hat das amerikanische Außenministerium nun 12,7 Millionen US-Dollar für die Wiedereröffnung einer Botschaft in Libyen und für logistische Unterstützungsleistungen beantragt. In der Begründung, aus der kürzlich CNN zitierte, heißt es dazu: "Angesichts des zunehmenden Einflusses Russlands an der Südflanke der NATO ist die Präsenz der USA bei Reisen nach Libyen von entscheidender Bedeutung für die Wahrung unserer langfristigen Sicherheitsinteressen."

Auf eine detaillierte Anfrage teilte die russische Botschaft in Berlin mit, man äußere sich grundsätzlich nicht zu "Spekulationen und Gerüchten in der Presse".

Lea Busch, NDR, tagesschau, 04.04.2024 06:08 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 04. April 2024 um 08:45 Uhr.