Blick auf ein Gästehaus in Potsdam, in dem AfD-Politiker nach einem Bericht des Medienhauses Correctiv im November an einem Treffen teilgenommen haben sollen.
exklusiv

Das Mörig-Netzwerk Verdammt weit rechts

Stand: 19.03.2024 06:00 Uhr

Der Organisator des Potsdamer Treffens Gernot Mörig gilt als wichtiger Vernetzer in der rechten Szene. Er selbst beteuert, er sei nicht rechtsextrem. Wie ist es wirklich?

Von Katja Riedel und Marcus Engert, NDR/WDR

Wenn die Kölner Unternehmerin Emitis Pohl heute durch ihre Whatsapp-Nachrichten scrollt, die sie sich acht Jahre lang mit einem Zahnarzt aus Düsseldorf geschrieben hat, dann finden sich dort immer wieder politische Botschaften. Aus denen hätte sie vielleicht mehr über die mutmaßliche Gesinnung ihres Gesprächspartners herauslesen können.

Heute glaubt sie, dass Gernot Mörig, ihr langjähriger Bekannter, sie testen wollte. So schickte er ihr im März 2018 ein Video des Vereins EinProzent: "Der Westen steht auf - EinProzent". Der Verein wurde später vom Verfassungsschutz als "erwiesen rechtsextrem" eingestuft.

Als Pohl im Januar dieses Jahres durch Recherchen von Correctiv erfuhr, dass Mörig offenbar seit Jahren zu Gesprächsrunden wie jener im Potsdamer Landhaus Adlon einlud, in denen laut Correctiv über die Lage in Deutschland und über Abschiebephantasien gesprochen worden sein soll, reagierte die gebürtige Iranerin wütend und enttäuscht. Sie konfrontierte ihren langjährigen Bekannten. Es kam zum Bruch.

"Rein privater Austausch"

Sowohl ihr gegenüber als auch öffentlich bekundet Mörig, dass er nicht rechtsextrem sei. Der Organisator des "Düsseldorfer Forums" und des Potsdamer Treffens unter anderem mit dem Rechtsextremen Martin Sellner spricht von "ungezählten Unwahrheiten und Diffamierungen" über ihn. Es habe sich in Potsdam um einen rein privaten Austausch gehandelt, um "Fehlentwicklungen, von denen die unkontrollierte Masseneinwanderung nur eine ist, konstruktiv entgegenzuwirken".

Er kritisiert, dass sich die Medien beim Thema Rechtsextremismus Definitionen des Verfassungsschutzes zu eigen machten. Sellner  habe er als einen "ausgesprochen höflichen und intelligenten Mann mit Botschaften" erlebt, "die es absolut wert sind, diskutiert zu werden".

Die von Sellner stark geprägte "Identitäre Bewegung" wird vom Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextrem" eingestuft.

Vernetzer und Geldbeschaffer

WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung haben zu Mörigs Biographie recherchiert. Der ehemalige Zahnarzt aus Düsseldorf, der seit einigen Jahren in Oberbayern lebt, gilt in Sicherheitskreisen als wichtiger Vernetzer und Geldbeschaffer der rechtsextremen Szene. Er selbst bestreitet das.

Seit dem Potsdamer Treffen haben ihn Behörden wieder auf dem Radar. Knapp ein Dutzend Mal wurde Mörig bis Mitte der 1980er-Jahre auch in Verfassungsschutzberichten des Bundes und verschiedener Länder namentlich erwähnt. Die Recherchen zeigen, dass er und seine Familie sich auch in den vergangenen Jahrzehnten in rechtsextremen Kreisen bewegten.

Mörigs Vater, ein frühes Mitglied der NSDAP, soll sich nach dem Krieg im "Deutschen Kulturwerk Europäischen Geistes" engagiert haben, einem von Altnazis gegründeten revanchistischen Verein. Sein Sohn Gernot war in den 1970er-Jahren drei Jahre Bundesführer des Bundes Heimattreuer Jugend (BHJ).

1981 veröffentlichte Mörig ein Buch über national ausgerichtete bündische Jugendarbeit, zudem Aufsätze in rechtsextremistischen Zeitschriften. Da heißt es, jedes Volk brauche "Raum zum Leben", dieser Raum müsse "jedoch erkämpft werden". Er wirbt für eine Jugendbewegung, "um die Substanz des deutschen Volkes in einem geeinten Reich zu sichern".

In einem Liederbuch des BHJ aus dieser Zeit wird offen für ein Großdeutsches Reich geworben. Das Buch von 1981 kostete den Zahnarzt später nach einer entsprechenden Beschwerde von Studierenden beim Rektorat der Uni Düsseldorf seinen dortigen Lehrauftrag.

"Völlig aus der Zeit gefallen"

Sein Engagement als Bundesführer des BHJ, schreibt Mörig heute, liege mehr als 40 Jahre zurück. Sein Vater Wilhelm dürfe ihm nicht als "Erbschuld" vorgehalten werden. Auf Anfrage teilt er überdies mit, dass das BHJ-Liedgut heute "einfach einen Anachronismus" darstelle, "denn Inhalt und Stil sind nun wirklich völlig aus der Zeit gefallen". Er sagt in seinem öffentlichen Statement, dass er und seine Familie seit Mitte der 1980er-Jahre keinen politischen Organisationen mehr angehört hätten, auch nicht einer BHJ-Nachfolgeorganisation, der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ), die von Mörigs Schwager mitgegründet und 2009 verboten wurde.

Eine Aussteigerin aus der rechtsextremen Szene, die mit WDR, NDR und SZ gesprochen hat, erinnert sich noch gut an die Familie Mörig. Heidi Benneckenstein verbrachte die Sommerferien mit ihren Schwestern in Zeltlagern der HDJ. 2010 entfloh sie der Szene und ihrer Familie und schrieb ein Buch über diese Zeit. An die Mörig-Töchter erinnert sie sich gut.

Offenbar Hausdurchsuchung in Düsseldorfer Villa

Gernot Mörig teilt auf Anfrage mit, er habe niemals an irgendeinem Treffen der HDJ teilgenommen und sich nach seinem Ausscheiden aus der Jugendarbeit niemals in völkischen Kreisen bewegt. Dies würde auch nicht seinem sozialen Umfeld entsprechen. Gespräche mit Holocaust-Leugnern lehne er ab.

Offenbar gab es 2009 im Rahmen des HDJ-Verbotsverfahrens in Mörigs Düsseldorfer Villa eine Hausdurchsuchung: Ausweislich eines Beschlusses des Verwaltungsgerichts Düsseldorf wurden dabei Schulungsunterlagen, Vereinsmaterialien und Wandkalender der HDJ sowie ein Kameradschaftsblatt eines SS-Freundeskreises gefunden. Die Maßnahme soll sich gegen eine von Mörigs Töchtern gerichtet haben. Er und seine Töchter seien nie Mitglied in der HDJ gewesen, betont Mörig.

Drei Kinder Mörigs ließen Anfragen unbeantwortet, ein viertes war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Sein Sohn Arne Friedrich Mörig soll beim Potsdamer Treffen für eine rechte Influencer-Agentur geworben haben. Gernot Mörig teilt schriftlich mit: "Solange unsere Kinder nicht volljährig gewesen sind, haben weder meine Frau noch ich selbst jemals einen Aufnahmeantrag in irgendeinem Jugendbund für sie gestellt." Diejenigen seiner Töchter, "die sich mal politisch engagiert hatten", hätten dieses Engagement "seit nunmehr fast zehn Jahren eingestellt". 

Die Zeitung taz berichtete zuletzt, dass die Familie an der Organisation von Netzwerktreffen für die Szene beteiligt gewesen sein soll, zu denen Mörig im Jahr 2011 zu sich nach Hause in Düsseldorf eingeladen haben soll. Mörig spricht hierzu auf Anfrage von "privaten Zusammenkünften".

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 18. März 2024 um 23:20 Uhr.