Ignaz Bearth
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Ungarn Deutsche Auswanderer im Fokus von Rechtsextremen

Stand: 18.04.2024 17:01 Uhr

Ungarn ist bei deutschen Auswanderern beliebt. Rechtsextreme versuchen die Szene für sich zu gewinnen. Ihre Hass-Propaganda können sie dort laut MDR-Recherchen ungehindert verbreiten. Das Netzwerk reicht bis nach Deutschland.

Von Arndt Ginzel, Henrik Merker und Matthias Pöls, MDR

Auf den ersten Blick wirkt der Mann ganz harmlos. Grauer Hoodie, schwarze Jacke, entspannter Blick. Ignaz Bearth steht an diesem Tag in Budapest vor dem Nationalmuseum. Es ist der ungarische Nationalfeiertag zum Gedenken an die Revolution und den Unabhängigkeitskrieg. Um Bearth sammelt sich eine Gruppe deutscher Auswanderer.

Bearth ist ein bekannter Rechtsextremist. Er war jahrelang Präsident der rechtsextremen "Direktdemokratische Partei Schweiz" (DPS), bis diese 2017 mit einer anderen rechten Partei fusionierte. Ebenfalls in der Schweiz war er einer der führenden Köpfe der Pegida-Bewegung. Bearth ist auch immer wieder in Deutschland aufgetreten. So sagte er auf der Bühne von Pegida in Dresden im Jahr 2015: "Ich bin Eidgenosse und wie ihr alle hier ein stolzer Patriot. Ein Patriot meiner Nation!"

Nach Problemen mit der Schweizer Justiz flüchtete Bearth Ende 2021 - laut eigener Darstellung - nach Ungarn. Seither betreibt er Ratgeber-Kanäle für Auswanderer. Seinem Hauptkanal auf Telegram folgen mehr als 39.000 User. In der Gruppe "Auswandern Ungarn" organisiert Bearth vor allem für Menschen aus Deutschland Veranstaltungen und Stammtische. An Wohnadressen von Mitgliedern firmieren sogenannte Stützpunkte, vor allem im Westen von Ungarn. Im ganzen Land soll es 27 Anlaufstellen geben. 

Sellner und Kalbitz bei Veranstaltungen von Bearth

Zu den Veranstaltungen lädt Bearth immer wieder Rechtsextreme ein. Darunter sind etwa Vertreter der "Identitären Bewegung", wie Martin Sellner oder der Politiker Andreas Kalbitz. Bearth bietet auch AfD-Politikern eine Bühne - wie etwa dem Thüringer Björn Höcke, in dem er dessen Beiträge teilt. Bilder davon sind auf den Kanälen von Bearth zu finden. Offensichtlich nutzt der Schweizer seine Netzwerke, um Auswanderer in die rechtsextreme Szene zu holen.

Am 15. März will er in Budapest mit Anhängern feiern. Am Vormittag soll der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban die Bühne betreten, darauf wartet die Gruppe. MDR Investigativ spricht Bearth zuvor an: "Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass Sie rechtsextreme Strukturen aufbauen?" Er antwortet: "Ich glaube, euer Regime ist rechtsextrem. In Deutschland sind Nazis, in Brüssel sind Nazis, die guten Leute sind Orban, sind Trump, sind die Putin. Ihr seid Kriegstreiber."

Auf die konkrete Frage gab Bearth keine Antwort. Stattdessen beginnt er einen Livestream, richtet die Handykamera auf das Reporter-Team und sagt: "Wir haben die Lügenpresse aus Deutschland in Budapest. Grüße nach Deutschland."

Das MDR-Team befragt seine Anhänger: "Wir haben gehört, er radikalisiert die deutschen Auswanderer?" Eine Frau antwortet: "Was heißt radikalisiert?" Den Verweis auf die Einladung von bekannten Rechtsextremen wie der "Identitären Bewegung" wischt sie mit diesen Worten weg: "Warum ist das rechtsextrem? Also dann sind die hier alle wahrscheinlich rechtsextrem?"

Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet die "Identitäre Bewegung". Die Ideologie der Rechtsextremen verstößt laut BfV gegen das Grundgesetz.

Vernetzung von Rechtsextremen

"Rechtsextreme aller Länder wissen, dass Vernetzung das A und O ist", sagt Nikolas Lelle, Leiter des Bereichs Antisemitismus bei der Amadeu Antonio Stiftung Berlin. "Die vernetzen sich ja teilweise über Ländergrenzen hinweg. Insofern wundert mich überhaupt gar nicht, dass Leute auch in Ungarn versuchen, Netzwerke aufzubauen, Strukturen aufzubauen, Adressen zu haben, ansprechbar zu sein."

Nikolas Lelle

Nikolas Lelle spricht von Vernetzung "über Ländergrenzen hinweg".

In seinem Livestream steigert sich Bearth nun richtig rein und sagt in Richtung des MDR-Teams: "Ja, ich bin hier. Ich liebe Ungarn." Die Frage, was besser an Ungarn sei, beantwortet er mit ausufernder Gestik: "Die Demokratie, die Meinungsfreiheit", sagt Bearth.

"Es ist seine Freiheit hier, nicht die Freiheit der Massen. Es ist die Freiheit der Hetze", sagt der Chefredakteur der unabhängigen, ungarischen Wochenzeitung "HVG". Marton Gergely weiß, dass regierungskritische Medien in Ungarn um ihr Überleben fürchten müssen, während Rechtsextreme alle Freiheiten genießen: "Hier in Ungarn ist die Hemmschwelle gegenüber antisemitischer, rechtsradikaler Hetze viel niedriger. Für einen Mann wie Ignaz Bearth ist es natürlich super."

Wie Orban antisemitische Codes nutzt

Um 10.15 Uhr betritt am ungarischen Nationalfeiertag Ministerpräsident Orban die Bühne. In seiner Rede: Viel Nationalismus, er teilt gegen Migranten sowie die EU aus und hetzt gegen die LGBT-Community. Schließlich verwendet auch er antisemitische Codes: "Du musst entscheiden: Nimmst du den Pfad der ungarischen Wahrheit, oder biegst Du in Richtung Soros-Reich ab?" Die Verschwörungserzählung um George Soros hatte auch Bearth zuvor in seinem Livestream benutzt. Der gebürtige ungarische Jude, US-Amerikaner und Milliardär investiert einen Teil seines Vermögens in Demokratie-Projekte. Das macht ihn zum Lieblingsfeind von Rechtsextremen.

Wenig später wird unter dem Video von Bearth mit dem MDR-Team fleißig kommentiert. Der Hass seiner Anhänger richtet sich nun gegen die Journalisten. Einer fordert: "Ignaz hau den Wichsern ein paar in die Lügenfresse." Ein anderer: "Das war eine Krummnase." Auf diesen Judenhass antwortete Bearth mit einem Herz. Es folgen auch noch Mordphantasien.