Ausstellungsstück eines "Taurus"-Marschfluggkörpers im Showroom des Rüstungsunternehmens MBDA im bayerischen Schrobenhausen.

Streit um "Taurus"-Lieferungen Briten können sich einen Ringtausch vorstellen

Stand: 09.03.2024 15:51 Uhr

Die Frage der "Taurus"-Lieferung an die Ukraine spaltet derzeit die deutsche Politik. Nun bringt Großbritannien einen Ringtausch als mögliche Lösung ins Gespräch. Doch auch dieser Vorschlag passt nicht allen.

Seit Monaten bittet die Ukraine Deutschland um eine Lieferung von "Taurus"-Marschflugkörpern, doch Bundeskanzler Olaf Scholz lehnt dies ab. Er argumentiert dabei mit der Befürchtung, Deutschland könne so zur Kriegspartei werden.

Um den Bedenken des Kanzler entgegenzutreten, hat nun Großbritanniens Außenminister David Cameron Deutschland Unterstützung angeboten. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung brachte er einen Ringtausch ins Gespräch, "um der Ukraine zu helfen."

Bei einem solchen Tausch würde Deutschland "Taurus"-Marschflugkörper an Großbritannien abgeben - und London seinerseits weitere Flugkörper vom Typ "Storm Shadow" an die Ukraine liefern. Deutschland könnte die Ukraine damit indirekt unterstützen, ohne dass "Taurus"-Marschflugkörper mit ihrer hohen Reichweite ins Kriegsgebiet geliefert würden.

"Wir sind bereit, uns alle Optionen anzuschauen, um den maximalen Effekt für die Ukraine zu erzielen", sagte Cameron auf die Frage, ob ein Ringtausch denkbar wäre. Er werde aber "keine Details nennen und unseren Gegnern verraten, was wir vorhaben". Bedenken, die Lieferung von Marschflugkörpern könne zu einer Eskalation des russischen Angriffskrieges führen, wies Cameron zurück. Es sei "absolut möglich, Beschränkungen beim Einsatz dieser Waffen festzulegen, um sicherzustellen, dass sie in keiner Weise zu einer Eskalation beitragen". Großbritannien vertraue entsprechenden Zusicherungen der Ukraine.

Der Kanzler betont bei seiner Ablehnung immer wieder, dass mit dem deutschen "Taurus" mit einer Reichweite von 500 Kilometern auch Moskau erreichen könne. Die gelieferten Marschflugkörper der europäischen Partner fliegen jedoch nur 250 Kilometer weit.

Hofreiter begrüßt Tauschvorschlag

Überlegungen zu einem "Taurus"-Ringtausch gibt es Medienberichten zufolge schon länger. So hatte das Handelsblatt im Januar unter Berufung auf Diplomaten und Regierungsvertreter geschrieben, dass Großbritannien solch einen Tausch bereits angeboten habe.

Der Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter begrüßt den Vorschlag. Zwar wäre es besser, wenn Scholz die Taurus-Lieferung nicht länger blockieren würde, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe, "aber bevor die Ukraine gar keine weiteren Marschflugkörper bekommt, ist der Ringtausch eine Möglichkeit". Scholz dürfe "dem nicht auch noch im Wege stehen", mahnte Hofreiter.

Die Union dagegen hält davon wenig. Fraktionsvize Johann Wadephul sagte der Rheinischen Post, es müsse alles getan werden, um eine ukrainische Niederlage zu verhindern. "Dazu gehört die Lieferung des besten Systems und das ist nun mal der 'Taurus'." Kein Ringtausch könne ihn in Reichweite, Präzision und Durchschlagskraft ersetzen.  

Union stellt "Taurus"-Lieferung erneut zur Abstimmung

Die Ampel-Koalition ist in der "Taurus"-Debatte gespalten. Das dürfte sich auch in der kommenden Woche zeigen, wenn die Union im Bundestag erneut einen Antrag stellen will, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, das weitreichende Waffensystem "unverzüglich" an die Ukraine abzugeben.

Besonders der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz und CSU-Chef Markus Söder machen sich dafür stark. Es gibt aber Anzeichen dafür, dass dieser Antrag auch aus den Reihen von FDP und Grünen unterstützt werden könnte. Die Union hatte einen ähnlichen Antrag schon vor zwei Wochen im Bundestag gestellt - hatte damals aber keine Mehrheit dafür bekommen.

Der frühere CDU-Vorsitzende Armin Laschet warnte nun allerdings davor, die Bedeutung der "Taurus"-Lieferungen zu überschätzen. "Ich halte es für viel wichtiger, dass wir der Ukraine die bereits zugesagten Waffen und Munition auch tatsächlich und schneller liefern", sagte Laschet dem Kölner Stadt-Anzeiger und Focus Online. "Darauf muss Verlass sein."

Hingegen sei der vorsichtige Kurs von Scholz, um nicht Kriegspartei zu werden, grundsätzlich "richtig". Als schweren Fehler von Scholz wertete Laschet hingegen, dass dieser sich nicht enger mit europäischen Partnern abstimme, insbesondere mit Frankreich.

SPD-Vorwurf: Union will Koalition spalten

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sieht ebenfalls Unterstützung in der Union für die Haltung des Kanzlers. Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger stünden hinter der Entscheidung des Bundeskanzlers, sagte er der Rheinischen Post. Eine Sichtweise, die sich auch mit dem Ergebnis des jüngsten ARD-DeutschlandTrends deckt. "Auch viele Mitglieder von CDU und CSU, was man in persönlichen Gesprächen im Wahlkreis immer wieder bestätigt bekommt", ergänzte Wiese. Die Ampel-Koalition werde den Unions-Antrag im Bundestag ablehnen. Der SPD-Verteidigungspolitiker Andreas Schwarz warf der Union im Tagesspiegel vor, sie wolle "den 'Taurus' dafür nutzen, die Koalition zu zerschießen".

Vor der Abstimmung wird Scholz am Mittwoch in der Regierungsbefragung den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Es ist zu erwarten, dass es auch hier um die "Taurus"-Lieferungen gehen wird. Bereits am Montag kommt der Verteidigungsausschuss zu einer Sondersitzung zur "Taurus"-Abhöraffäre zusammen. Hier soll Verteidigungsminister Boris Pistorius sprechen. 

Volker Finthammer, tagesschau, 09.03.2024 17:42 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 09. März 2024 um 14:30 Uhr.