Ein Polizeifahrzeug steht vor einem Wohnhaus in Dresden

AfD-Spitzenkandidat Krah-Mitarbeiter unter Spionageverdacht

Stand: 23.04.2024 14:24 Uhr

Ein Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten Krah soll für den chinesischen Geheimdienst spioniert haben. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, chinesische Oppositionelle ausgespäht und Informationen aus dem EU-Parlament an Peking übermittelt zu haben.

Von Andrea Becker (RBB), Michael Götschenberg (ARD-Hauptstadtstudio), Georg Heil (RBB) und Holger Schmidt (SWR)

Am späten Abend rückte die Polizei an und nahm Jian G. in Dresden fest. Der Generalbundesanwalt wirft dem 43-Jährigen nach Informationen von ARD-Hauptstadtstudio, rbb und SWR einen besonders schweren Fall der geheimdienstlichen Agententätigkeit für eine fremde Macht vor - G. soll für das chinesische Ministerium für Staatssicherheit (MSS) gearbeitet haben. Darüber hinaus soll G. Informationen aus dem Europäischen Parlament an den MSS übermittelt haben. 

Jian G. arbeitet als Assistent für den Spitzenkandidaten der AfD für die Europawahl, Maximilian Krah. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, drohen G. bis zu zehn Jahre Gefängnis. Doch auch für Krah ist der Vorwurf gegen seinen Mitarbeiter ein Problem.

"Zweifellos von großem Wert für China", Michael Götschenberg, ARD Berlin, zu Spionage-Verdacht gegen AfD-Mitarbeiter

tagesschau24, 23.04.2024 11:00 Uhr

Jahrelange geschäftliche Beziehungen

G. kam 2002 als chinesischer Staatsangehöriger nach Dresden, wo er zunächst an der Technischen Universität studierte. Mittlerweile hat er die deutsche Staatsangehörigkeit. Nach seinem Studium war G. in Dresden Geschäftsführer einer Import-Export-Firma für Produkte aus China. Im Zuge der Unternehmensgründung soll er von Krah beraten worden sein, der als Rechtsanwalt und Unternehmensberater in Dresden tätig war.

2019 zog Krah als Abgeordneter für die AfD ins Europaparlament ein und stellte G. als Assistenten ein. In dieser Funktion verfügte er über Zugang zu Informationen, die für den chinesischen Geheimdienst zweifellos von Interesse waren.

Konkrete Belege dafür scheint es zumindest Anfang dieses Jahres gegeben zu haben: Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, im Januar "wiederholt Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen im Europäischen Parlament an seinen nachrichtendienstlichen Auftraggeber" weitergegeben zu haben. Der Fall wurde zunächst vom Bundesamt für Verfassungsschutz bearbeitet, bevor das Bundeskriminalamt die Ermittlungen übernahm.

Ausspähung von Dissidenten

Doch die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft gehen darüber hinaus: G. soll für den chinesischen Geheimdienst außerdem Dissidenten in Deutschland ausgespäht haben. Auch hier verfügte er offenbar über einen besonderen Zugang: Über viele Jahre soll G. sich in chinesischen Dissidenten-Organisationen engagiert haben. In einer von ihnen sogar als Generalsekretär.

Demnach verfügt er über sehr gute Einblicke und Kontakte in chinesische Dissidentenkreise und damit über Informationen, die für das Ministerium für Staatssicherheit in China zweifellos von Wert wären.

Als Informant angeboten

Den deutschen Sicherheitsbehörden ist G. seit Langem bekannt. Tatsächlich soll er sich ihnen nach Informationen von ARD-Hauptstadtstudio, rbb und SWR vor mindestens zehn Jahren als Informant angeboten haben.

Zu einer Zusammenarbeit soll es allerdings nicht gekommen sein, da G. bereits damals den Eindruck erweckt habe, möglicherweise ein doppeltes Spiel zu treiben, heißt es. Sein Engagement in chinesischen Dissidenten-Organisationen habe nicht zu regimetreuen Positionen gepasst, die er vertreten habe.

In Deutschland war G. offenbar eine Weile Mitglied der SPD. Aktuell soll er in der AfD sein. Die AfD nannte die Vorwürfe gegen G. in einer ersten Reaktion auf die Festnahme und die Berichterstattung auf tagesschau.de "sehr besorgniserregend" und betonte, dass es nun zunächst darum gehe, die weiteren Ermittlungen des Generalbundesanwalts abzuwarten. 

Krah auf Distanz

Krah selbst kündigte an, das Dienstverhältnis von G. zu beenden, sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten. Doch der Fall ist auch für Krah selbst ein Problem. Das Nachrichtenportal t-online hatte im vergangenen Jahr als Erstes über fragwürdige Reisen von Krah nach China berichtet, sowie über seinen Assistenten G. und seine Rolle in einem chinafreundlichen Netzwerk.

Und auch darüber, dass Krah im Europäischen Parlament dafür bekannt ist, auffällig chinafreundliche Positionen zu vertreten, mitunter gar abweichend von der Linie der AfD. Die aktuellen Vorwürfe gegen seinen Mitarbeiter dürften eine Belastung für Krahs Europa-Wahlkampf sein, der ohnehin schon durch fragwürdige Kontakte nach Russland belastet ist.

Zweiter Fall von mutmaßlicher Spionage

Die Festnahme G.s ist bereits die zweite innerhalb von 24 Stunden, bei der es um eine mutmaßliche geheimdienstliche Agententätigkeit für China geht. Am Montag hatte die Bundesanwaltschaft zwei Männer und eine Frau festnehmen lassen, die in Verdacht stehen, in Verbindung mit dem chinesischen Geheimdienst gestanden und für China spioniert zu haben. Die beiden Fälle haben dem Vernehmen nach aber nichts miteinander zu tun. Die zeitliche Nähe scheint reiner Zufall zu sein.

Andreas Meyer-Feist, ARD Brüssel, tagesschau, 23.04.2024 11:24 Uhr