Schild am Eingang des Bundeskartellamtes.

Ampel will Kartellamt reformieren "Das Wettbewerbsrecht kriegt kräftige Zähne"

Stand: 04.07.2023 01:29 Uhr

Die Ampel-Koalition hat sich auf eine grundlegende Reform zur Stärkung des Bundeskartellamts geeinigt: Die Behörde soll mehr Befugnisse bekommen, um so effektiver gegen die Marktmacht von Konzernen vorgehen zu können.

Die Ampel-Fraktionen haben sich auf eine grundlegende Reform des Wettbewerbsrechts geeinigt - mit mehr Befugnissen für das Bundeskartellamt. Das teilten die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Verena Hubertz (SPD), Andreas Audretsch (Grüne) und Lukas Köhler (FDP) in Berlin mit. Das Bonner Kartellamt soll zusätzliche Kompetenzen bekommen, um effektiver gegen die Marktmacht von Konzernen vorgehen zu können.

Konkret soll die Behörde künftig nicht mehr jeweils wettbewerbsschädigendes Verhalten von Unternehmen nachweisen müssen, sondern bereits bei einer Störung des Marktes aktiv werden können. Außerdem sollen die Hürden für die kartellrechtliche Vorteilsabschöpfung deutlich gesenkt werden. "Das ist eine gute Nachricht für alle Verbraucherinnen und Verbraucher, die mit hohen Preisen zu kämpfen haben", sagte Audretsch von den Grünen.

"Faire Chance" für Start-ups

"Das Wettbewerbsrecht kriegt kräftige Zähne", teilte Audretsch mit. "Plötzlich steigende Preise an der Tankstelle oder im Supermarkt sind ein Riesenärger für alle", so der Grünen-Politiker weiter. "Künftig kann das Kartellamt besser durchgreifen, wenn Märkte gestört sind, wenn Preise etwa von Rohöl oder Lebensmitteln ohne Grund nach oben schnellen."

SPD-Politikerin Hubertz sagte, gerade kleinere Wirtschaftsakteure sollten künftig noch besser bei Störungen des Wettbewerbs geschützt werden. "Neue Geschäftsideen und Start-ups bekommen eine faire Chance und überhöhte Preise werden vermieden." Das Bundeskartellamt werde "mit einem neuen Instrumentarium zu einer noch kraftvolleren Hüterin der sozialen Marktwirtschaft", so Hubertz.

Köhler von der FDP sprach von einem transparenten Ordnungsrahmen für den freien Wettbewerb. "Wir erweitern die Möglichkeiten des Kartellamts zum Schutz des Wettbewerbs und sichern den Unternehmen dabei einen sehr hohen Rechtsschutz zu." Durch eine aufschiebende Wirkung von Einsprüchen gegen mögliche Maßnahmen sei sichergestellt, dass jeder Eingriff in den Markt zuvor gerichtlich überprüft werden könne.

Kritik von Wirtschaftsverbänden

Außerdem wurde ergänzt, dass das Kartellamt zunächst die Bedeutung des Unternehmens für den Markt prüfen muss, bevor es eingreifen kann. "Damit schützen wir insbesondere den Mittelstand sowohl vor Eingriffen durch das Kartellamt als auch vor der übermäßigen Marktmacht großer Konzerne", so Köhler.

Angaben der Grünen zufolge handelt es sich um die größte Reform seit Jahrzehnten in dem Bereich. Das von der Partei geführte Bundeswirtschaftsministerium hatte zuletzt betont, im Extremfall solle die Bonner Behörde Konzerne auch zerschlagen können.

Wirtschaftsverbände waren im April gegen die Pläne der Bundesregierung Sturm gelaufen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnte vor einer "massiven" Schwächung des Wirtschaftsstandorts Deutschland, der Handelsverband Deutschland (HDE) machte "große verfassungs- und rechtsstaatliche Bedenken" geltend. Es drohe behördliche Willkür.

Das Wirtschaftsministerium stieß die Reform wegen der rasanten Preissteigerungen für Diesel und Benzin infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine im März 2022 an. Die Bundesregierung verabschiedete Anfang April ihren Entwurf. Die Fraktionen verständigten sich nun auf kleinere Änderungen, etwa sollen Einsprüche gegen Kartellamtsentscheidungen eine aufschiebende Wirkung haben.

Das Gesetz soll nun bald im Bundestag verabschiedet werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 03. Juli 2023 um 20:00 Uhr.